
Düsseldorf Die Notenbanken haben den Märkten neues Leben eingehaucht. Mit ihrer konzertierten Aktion zur Stabilisierung des Finanzsystems haben Fed, EZB und Co. ein Kursfeuerwerk an der Börse ausgelöst. Der Dax gewann am Mittwoch fünf Prozent, der Dow Jones sprang ebenfalls um mehr als vier Prozent an. Am Morgen schlossen sich die asiatischen Börsen der Zwischenrally an.
Doch die Skepsis bleibt. In Frankfurt entschieden sich die ersten Anleger schon wieder für Gewinnmitnahmen, was den Dax zurückwarf. So plötzlich sie gekommen ist, so schnell droht die gute Stimmung schon wieder abzuebben. „Das Strohfeuer könnte schnell verglühen“, sagt Marco Herrmann, Chefanlagestratege der Fiduka Depotverwaltung. Dass die Notenbanken konzertiert versuchen, dem Markt zu helfen, sei ein gutes Signal. „Es wird aber nur ein kleines Problem gelöst, dass die Banken wieder Zugang zu Dollar-Liquidität bekommen. An der Schuldenkrise ändert sich nichts, Italiens Schulden werden hierdurch nicht reduziert.“.
Etwas positiver formuliert es Michael Krautzberger, Chef-Anlagestratege von Blackrock Asset Management Deutschland. Die Maßnahme selbst sei kein „gamechanger“, sie sie signalisiert aber hoffentlich, dass die Dringlichkeit, die negative Vertrauensspirale zu stoppen, neu bewertet werde.
Wie schnell das Vertrauen der Anleger wieder weichen kann, zeigte sich allerdings bereits im September, als die Notenbanken zum ersten Mal in der aktuellen Krise gemeinsam einschritten. Am 15.9., auf den Tag genau drei Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers, starteten die führenden Zentralbanken ihr Devisentauschprogramm, das gestern bis Februar 2013 verlängert wurde. Die Reaktion der Märkte war auch damals sehr positiv. Der Dax, der zwei Tage vorher noch unter 5.000 Punkte gefallen war, sprang auf mehr als 5.500 Punkte. Doch eine nachhaltige Erholung blieb aus. Schon eine Woche später waren nicht nur sämtliche Gewinne aufgebraucht, der Dax rutschte sogar wieder unter das Niveau vor dem Eingriff der Zentralbanken.
So könnte es dieses Mal wieder kommen. Denn fundamental hat sich nichts geändert, sagt Carsten Klude, leitender Anlagestratege bei M.M. Warburg. „Kurzfristig kann man die Probleme mit Geld überdecken, aber lange wird das nicht vorhalten.“
Alle Hoffnungen ruhen auf der EZB
Deswegen wird sich der Fokus der Anleger schnell auf das nächste Mega-Event richten, den Euro-Gipfel am 9. Dezember. „Wenn es einen Durchbruch in der Schuldenkrise geben soll, dann muss der von der EZB oder der Politik kommen“, sagt Klude, dämpft aber zugleich die Erwartungen: „Es wird sehr schwierig, ein glaubwürdiges Konzept vorzulegen, das die Märkte nachhaltig beruhigt.“
Ein starkes Signal wäre nach Meinung vieler Marktteilnehmer ein klares Bekenntnis der Staatengemeinschaft zu Euro-Bonds. Dieses scheitert bisher aber am Widerstand Deutschlands und dass Bundeskanzlerin Merkel beim Euro-Gipfel umkippt, gilt als sehr unwahrscheinlich.
Die Hoffnungen ruhen daher vor allem auf der EZB, die als „lender of last resort“, also als letzte Hilfsinstanz noch mehr Geld in die Hand nehmen könnte, um Anleihen der kriselnden Euro-Mitgliedstaaten zu kaufen. In der EZB gibt es bisher starke Widerstände dagegen. Aber die könnten nachlassen: „Ich gehe davon aus, dass die EZB relativ kurzfristig mehr Bereitschaft zeigt, den Finanzmärkten und den Staaten zu helfen“, erwartet Fidkua-Stratege Herrmann. „Es ist die einzig verbleibende Option, den Euro retten. Das bringt dem Markt Liquidität und schafft Vertrauen. Kurzfristig sollten die Börsen davon profitieren.“
Auf längere Sicht gibt es allerdings einige Fragenzeichen. So wie die konjunkturelle Entwicklung: Ein wirtschaftlicher Abschwung in der Euro-Zone ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Die Frühindikatoren zeigen einheitlich nach unten. So auch die Markit-Einkaufsmanagerindizes für die Industrie, die am Donnerstagmorgen veröffentlicht wurden. Aber ob es ein Abschwung wird oder Europa in die Rezession rutscht, ist völlig unklar.
„Wir haben unsere Wachstumsprognose für die Euro-Zone für kommendes Jahr letzte Woche auf null Prozent gesenkt und selbst das ist vermutlich optimistisch“, sagt Mark Burgess, Chef-Anlagestratege der Fondsgesellschaft Threadneedle. An den Unternehmen wird das nicht vorübergehen. Die Gewinnerwartungen der Analysten sind bereits deutlich gesunken. Das schmälert auch das Potenzial am Aktienmarkt.
Marco Herrmann von Fiduka hält Aktien trotzdem für günstig bewertet, Kaufempfehlungen will er aber dennoch keine geben: „Die Schuldenkrise wird uns in den kommenden Jahren noch einige Probleme bringen. Alles hängt davon ab, welche Maßnahmen die Staaten ergreifen. In Zeiten, in denen wir über einen möglichen Zusammenbruch der Euro-Zone diskutieren, sollte man nicht alles auf Aktien setzen.“