
Felix, Sie haben das schwache Wirtschaftswachstum, den Anstieg des Dollar und den Rückgang der Rohstoffpreise im Vorjahr richtig vorausgesagt. Wie geht es 2015 weiter?
Felix Zulauf: Ökonomen rechneten im Vorjahr mit einer Normalisierung der Wirtschaftsentwicklung, also mit der Rückkehr zu den Wachstumsraten aus der Zeit vor der großen Finanzkrise von 2008. Diese Erholung ist nicht eingetreten. Heute wird eine Entkopplung der Entwicklung prognostiziert; eine Wachstumsbeschleunigung in den USA bei zunächst schwachem Wachstum im Rest der Welt, das sich aber schrittweise gegen Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres verbessert. Damit werden sie wieder daneben liegen. Europa steckt nach wie vor in der Krise, und die Entscheidungsträger in der Politik machen falsch, was sie nur falsch machen können. Unter anderem will die Europäische Zentralbank (EZB) monatlich 60 Milliarden Euro für Staatsanleihen und vermögensbesicherte Wertpapiere locker machen. Diese Geldspritzen sollen das Finanzsystem mit Liquidität versorgen und das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Die Probleme in Europa löst man aber nicht, wenn man billiges Geld in das System pumpt. In Asien verlangsamt sich der große chinesische Investitions- und Kreditboom. Ein realistischeres Bild von der chinesischen Konjunktur erhält man wahrscheinlich, wenn man die offiziellen Planziffern halbiert. Drei bis vier Prozent Wachstum sind wesentlich wahrscheinlicher als sieben oder acht Prozent. Japan hat in den vergangenen zwei Jahren den Yen gegenüber dem Dollar um 50 Prozent abgewertet. Das trifft die Mitbewerber in der Region. Und der Absturz des Ölpreises um 50 Prozent in sechs Monaten schwächt die Ölindustrie in den USA. In der Folge könnte die US-Konjunktur, statt weiter anzuziehen, auf das Nachkrisen-Niveau von jährlich 2,0 bis 2,5 Prozent Wachstum zurückfallen.
Zu den Personen
Der Wechsel des Anleihen-Experten von der US-Fondsgesellschaft Pimco, die er selbst mit gegründet hatte, zum Konkurrenten Janus sorgte 2014 für Furore. Bei Pimco verwaltete der Bondkönig zeitweise einige hundert Milliarden Dollar Anlegergeld. Sein neuer Fonds, der Janus Unconstrained Bond Fund, kommt auf rund 1,5 Milliarden, ein Großteil stammt aus Gross‘ Privatschatulle (geschätzt 2,2 Milliarden Dollar Vermögen) und von Investor George Soros.
Die Aktienspezialistin sucht unterbewertete Titel und ist mitverantwortlich für die Geldanlage der New-Yorker-Investmentgesellschaft Eagle Capital Partners. Witmer ist einer der wenigen weiblichen Stars der Wall Street. 2013 berief Warren Buffett sie in das Direktorium seiner Holding Berkshire Hathaway.
Mit Mitte 70 lässt es Schafer ruhiger angehen und überwacht als Chairman nur noch die Manager des 122 Millionen Dollar schweren Hedgefonds Rivulet Capital in New York. Er begann seine Karriere im Finanzgeschäft schon 1970 und hat damit mehr Erfahrung als die meisten der Branche. Er begann als Analyst und managte bis vor wenigen Jahren einen eigenen Hedgefonds. Sein Privatvermögen wird auf 500 Millionen Dollar taxiert.
Der Schweizer ist einer der einflussreichsten Investoren der Welt. Von Thailand aus analysiert er die Märkte und verwaltet Kundengelder. Sein „Gloom, Boom & Doom Report“ genießt bei Anlegern Kultstatus. Die oft pessimistischen Ansichten haben ihm den Titel „Dr. Doom“ eingebracht.
Für sein Management internationaler Aktienfonds (The Oakmark International Fund) erhält er von Ratingagenturen Bestnoten, Börsenindizes schlägt er um Längen. Als Chefanleger beim US-Fondshaus Harris Associates ist er mitzuständig für die Anlage der 132 Milliarden Dollar, die gemäß der Hausphilosophie vor allem in substanzstarke Aktien fließen, die Harris-Manager für stark unterbewertet halten.
Die Dauer-Optimistin ist leitende Anlagestrategin des Global Markets Institute der Investmentbank Goldman Sachs in New York. Berühmt machte sie ihre Prognose für den Bullenmarkt der Neunzigerjahre, das Platzen der Aktienblase 2000 und den großen Crash von 2008 sah sie aber nicht vorher.
Der Value-Investor gründete 1980 den Vermögensverwalter Delphi Management in Boston. Die Investmentfirma verwaltet heute über 800 Millionen Dollar Vermögen. Black zählt zu den bekanntesten Sammlern impressionistischer, post-impressionistischer und früher moderner Kunst.
Der Milliardär ist Chef und Großaktionär von Gamco Investors in New York. Der börsennotierte Vermögensmanager verwaltet 47 Milliarden Dollar Anlegergeld. Mit einem Privatvermögen von geschätzt 1,8 Milliarden Dollar gehört Gabelli zu den 400 reichsten Amerikanern.
Der frühere Fondsmanager und heutige Chairman von T. Rowe Price beaufsichtigt jetzt die 747 Milliarden Dollar Kundengelder, die die 1937 gegründete Fondsgesellschaft aus Baltimore verwaltet. Sie gehört zu den größten weltweit und ging 1986 an die Börse, wo sie aktuell mit 21 Milliarden Dollar bewertet wird.
Der Makro-Denker berät mit seiner Investmentfirma Zulauf Asset Management Großanleger auf der ganzen Welt. Zusammen mit seinem Sohn Roman gründete er 2013 in Zug die Vicenda Asset Management .Deren Anlagestrategie richtet sich an makroökonomischen Trends aus.
Niedrigere Energiepreise sind aber doch positiv für amerikanische Verbraucher?
Zulauf: Der Preisverfall bei Öl wird die Wirtschaft dramatisch treffen, weil Investitionen und Beschäftigung zurückgehen. Die Jobs in der Ölindustrie sind meist gut dotiert. Der niedrigere Ölpreis senkt zwar die Energiekosten, was gut für die Verbraucher ist, allerdings werden die privaten Haushalte das gesparte Geld eher auf die hohe Kante legen als ausgeben. Und die Abwertung des japanischen Yen ist für die Preise aller global gehandelten Waren negativ. Die Inflation sinkt selbst in Ländern mit schwachen Währungen. In Europa liegen die Preissteigerungen bereits unter null, in den USA dürften sie in diesem Jahr gegen null gehen. Ab einem gewissen Punkt wird sich das negativ auf den Aktienmarkt auswirken. Am Markt für Hochzinsanleihen wird es infolge der Ausweitung des Rendite-Abstands gegenüber Staatsanleihen eine Krise geben. Historisch folgte einem Rückgang der Renditen von Staatsanleihen gepaart mit einer Verflachung der Zinsstrukturkurve gewöhnlich eine Rezession. Ich will nicht sagen, dass es eine Rezession geben wird, aber ich erwarte weltweit und für die USA ein Wirtschaftswachstum, das weit unterhalb der Prognosen liegt.
Gibt es jemanden hier, der widerspricht?
Abby Joseph Cohen: Was die USA und die Auswirkungen des Ölpreisverfalls betrifft, scheint Felix mir zu pessimistisch. Ja, die USA produzieren Öl, aber sie importieren es auch. Die US-Wirtschaft profitiert unter dem Strich vom Rückgang der Energiepreise. Wenn der Ölpreis bei 50 Dollar je Barrel bleibt, wirkt das für die Verbraucher wie eine Steuerentlastung von 150 Milliarden Dollar. Vielleicht wird dieses Geld zunächst gespart, weil die Menschen skeptisch sind, ob Energie wirklich so billig bleibt. Wenn sich das aber bestätigt, wird auch die Kauflust zurückkehren. Die Arbeitsmarktdaten sind zwar nicht durch die Bank rosig, aber schon sehr viel besser als noch vor zwölf Monaten. Die Arbeitslosigkeit ist erheblich gesunken. Die Gesamtinflationsrate könnte, gedämpft hauptsächlich durch den Verfall der Energiepreise, 2015 tatsächlich auf null sinken. Die Kernteuerungsrate im Verbraucherpreisindex, als ohne Einrechnung der Energie- und Nahrungsmittelpreise, dürfte aber eher bei 1,6 Prozent liegen.
Wie sich die Investmentideen der Roundtable-Teilnehmer 2014 entwickelt haben
Investmentidee | Entwicklung |
KLA-Tencor | +41,4 Prozent |
Actavis | +40,4 Prozent |
SanDisk | +36,6 Prozent |
Express Scripts | +16,2 Prozent |
Bonanza Creek Energy | –45,9 Prozent |
zwischen 10.1. und 31.12.2014
für Dollar-Anleger, einschließlich Dividenden
Quelle: Barron's, Bloomberg
Investmentidee | Entwicklung |
Extra Space Storage | +39,2 Prozent |
Nordstrom | +32,4 Prozent |
Wyndham Worldwide | +19,7 Prozent |
International Paper | +14,4 Prozent |
iShares MSCI Mex. Cap. ETF | –10,4 Prozent |
HollyFrontier | –19,3 Prozent |
zwischen 10.1. und 31.12.2014
für Dollar-Anleger, einschließlich Dividenden
Quelle: Barron's, Bloomberg
Investmentidee | Entwicklung |
FPT (in Vietnamesischen Dong) | +28,5 Prozent |
Ha Noi-Hai Duong Beer (in Vietnamesischen Dong) | +16,6 Prozent |
Hutchison Port Holdings Trust | +10,4 Prozent |
US-Staatsanleihen (10 Jahre) | +9,3 Prozent |
SATS (in Singapur-Dollar) | –0,8 Prozent |
Wilmar International (in Singapur-Dollar) | –1,1 Prozent |
Vietnam Dairy Products (in Vietnamesischen Dong, Position verkauft am 6. Mai 2014) | –8,7 Prozent |
SIA Engingeering (in Singapur-Dollar) | –11,1 Prozent |
Shortpositionen | |
3D Systems | +65,2 Prozent |
+37,1 Prozent | |
Veeva Systems | +18,8 Prozent |
iShares MSCI Mex. Cap. ETF | +11,5 Prozent |
Türkische Lira | +10,4 Prozent |
Netflix | –2,9 Prozent |
iShares Russel 2000 ETF | –4,9 Prozent |
–34,7 Prozent | |
Tesla Motors | –52,6 Prozent |
zwischen 10.1. und 31.12.2014
für Dollar-Anleger, einschließlich Dividenden
Quelle: Barron's, Bloomberg
Investmentidee | Entwicklung |
Agnico Eagle Mines | –7,7 Prozent |
Central Fund of Canada | –14,3 Prozent |
Cameco | –17,5 Prozent |
Goldcorp | –18,2 Prozent |
Mkt. Vect. Jr. Gold Miners ETF | –26,2 Prozent |
zwischen 10.1. und 31.12.2014
für Dollar-Anleger, einschließlich Dividenden
Quelle: Barron's, Bloomberg
Investmentidee | Entwicklung |
Journal Communication | +27,0 Prozent |
Diebold | +6,3 Prozent |
Chemtura | –6,9 Prozent |
National Fuel Gas | –1,6 Prozent |
Post Holdings | –17,8 Prozent |
Weatherford Intl. | –21,0 Prozent |
zwischen 10.1. und 31.12.2014
für Dollar-Anleger, einschließlich Dividenden
Quelle: Barron's, Bloomberg
Investmentidee | Entwicklung |
Reaves Utility Income | +38,5 Prozent |
Pimco Dynamic Income | +19,1 Prozent |
Pimco Muni Income Fund II | +14,6 Prozent |
Pimco 0-5 Yr. HYld. Cp. Bd. ETF | –0,4 Prozent |
zwischen 10.1. und 31.12.2014
für Dollar-Anleger, einschließlich Dividenden
Quelle: Barron's, Bloomberg
Investmentidee | Entwicklung |
Applied Materials | +45,4 Prozent |
Entergy (Position verkauft am 6. Mai 2014) | +31,9 Prozent |
Cablevision Systems | +26,5 Prozent |
T. R. Price Emg. Mkts. Stock | +4,8 Prozent |
Consol Energy | –7,1 Prozent |
Newmont Mining | –19,8 Prozent |
zwischen 10.1. und 31.12.2014
für Dollar-Anleger, einschließlich Dividenden
Quelle: Barron's, Bloomberg
Investmentidee | Entwicklung |
ANI Pharmaceuticals | +147,4 Prozent |
Orkia (in Norwegischen Kronen) | +16,3 Prozent |
InterXion Holding | +11,0 Prozent |
Northgate (in Pfund Sterling) | +10,4 Prozent |
Internap | +3,9 Prozent |
BioScrip | –7,0 Prozent |
zwischen 10.1. und 31.12.2014
für Dollar-Anleger, einschließlich Dividenden
Quelle: Barron's, Bloomberg
Investmentidee | Entwicklung |
Spectrum Brands Holdings | +39,1 Prozent |
Wyndham Worldwide | +19,7 Prozent |
Esterline Technologies | +7,9 Prozent |
Constellium | –28,5 Prozent |
zwischen 10.1. und 31.12.2014
für Dollar-Anleger, einschließlich Dividenden
Quelle: Barron's, Bloomberg
Investmentidee | Entwicklung |
iShares 20+ Yr Treasury Bond | +24,2 Prozent |
Mkt. Vectors Gold Miners ETF | –15,9 Prozent |
Japanischer Yen (in Schweizer Franken) | –18,6 Prozent |
Shortpositionen | |
iShares MSCI Hong Kong | –0,5 Prozent |
iShares MSCI Turkey | –15,0 Prozent |
zwischen 10.1. und 31.12.2014
für Dollar-Anleger, einschließlich Dividenden
Quelle: Barron’s, Bloomberg
Zulauf: Wesentlich ist, dass wir in einem deflationären Prozess stecken.
Cohen: Die Transportunternehmen und Versorger verbrauchen viel Energie, 17 bis 18 Prozent ihrer Gesamtkosten entfallen auf Energiekosten. Sie werden vom Rückgang des Ölpreises profitieren.
Mario Gabelli: Warum schauen die Saudis dem Ölpreisverfall untätig zu?
Scott Black: Die Saudis halten sich aus politischen Gründen zurück. Sie fürchten sowohl den Iran als auch den Islamischen Staat. Der niedrige Ölpreis bricht der iranischen Wirtschaft das Rückgrat. Saudi-Arabien kann mit Reserven im Wert von 750 Milliarden Dollar im Rücken einen niedrigen Ölpreis über sechs bis neun Monate verkraften, ebenso die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar. Der niedrige Ölpreis schadet auch dem US-Schieferölgeschäft, aber meine Quellen sagen, es gebe ein stillschweigendes Einverständnis der Regierung Obama.
Brian Rogers: Einspruch. Die Saudis wollen es den Russen heimzahlen. Interessant ist, dass niemand mit dem Einbruch der Energiepreise gerechnet hat. Das bringt uns zum Thema Vorhersagen. Auf Prognosen ist generell nicht viel Verlass.