Anlagestrategie Bloß nicht panisch werden!

Von der Anlagepolitik der Fondsgesellschaften können Anleger lernen. Das gilt auch im Fall des Brexit. Denn das Referendum ist ein Lehrstück dafür, dass Anleger ihr Depot nicht bei jeder Hiobsbotschaft umschichten sollten.

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Ihr Depot im Brexit:

Das Brexit-Referendum in Großbritannien ist gerade einmal sechs Wochen her. Trotzdem scheint es so, als sei der Geist des großartigen, leider 2001 verstorbenen britischen Schriftstellers Douglas Adams („Per Anhalter durch die Galaxis“) wiederauferstanden und verkünde seine Botschaft: „Don't panic“ („Keine Panik“). Denn je mehr Zeit nach dem Referendum vergeht, desto entspannter und moderater wird die Haltung der Analysten und Finanzexperten.

Dabei befürchteten viele das Schlimmste. Auch unmittelbar nach dem Referendum war das Entsetzen groß. „Das Votum der Briten, die EU zu verlassen, ist in erster Linie ein Schock“, sagte Stefan Kreuzkamp, Chefanleger der Deutsche Asset Management (DAM). Die Liste potenzieller negativer Auswirkungen dieser Entscheidung sei lang.

Fondsmanager der niederländischen Fondsgesellschaft Robeco sahen das ähnlich. „Das Brexit-Votum hat den Finanzmärkten den größten Schock seit der Finanzkrise von 2008 versetzt. Nun stehen ihnen Monate der Unsicherheit bevor“, sagten Kommer van Trigt und Mark Glazener. Das liege vor allem daran, dass der Brexit die Weltwirtschaft in einer Phase mit ohnehin schon geringem Wachstum treffe. „Die Wechselkursentwicklung wird in dieser Hinsicht nicht hilfreich sein”,  fürchtet Glazener.

Sichere und rentierliche Investments nach dem Brexit

Risikoscheue Anleger dürften aufgehorcht haben. Denn besondere wirtschaftliche oder politische Ereignisse verleiten oft zu einer Veränderung der Streuung im Depot, zur Risikoallokation. Das jüngste Referendum zum Brexit in Großbritannien wäre ein klassisches Beispiel dafür. Solche Anlässe können Strategiewechsel geradezu herausfordern.

Können, sollten aber nicht. Denn die klassische Durchhalteparole am Aktienmarkt - „politische Börsen haben kurze Beine“- gilt auch für das Phänomen des britischen Referendums. Genaugenommen ist der Brexit geradezu ein Lehrstück dafür, warum sich Privatanleger nicht von zu vielen Aufs und Abs und unterschiedlichen Meinungen beeinflussen lassen sollten, sondern ihre Investmententscheidung lieber langfristig treffen sollten. Wer vorschnell reagiert und sich nur auf eigene Überlegungen, auf die vermeintlichen Erfordernisse der eigenen finanziellen Situation oder gar auf ein beliebiges Bauchgefühl verlässt, kann schnell scheitern.

Im Brexit-Fall hätte auch der Blick auf die Resonanz der Investment-Profis geholfen. Schon wenige Wochen nach dem Referendum Ende Juni machte sich in den Fondsgesellschaften Erleichterung breit. So ist Benjamin Melman, Leiter Asset Allocation bei Edmond de Rothschild Asset Management der Meinung, dass Europa durchaus in der Lage sei, sich von der Krise zu erholen. Was eine Änderung seines Portfolios betrifft, bleibt Melman vorsichtig: „Der Brexit hat zurzeit keinen wesentlichen Einfluss auf unsere Anlagepolitik“, erklärt Melman. Solange unklar sei, in welche Richtung sich die Märkte bewegen, blieben die Fonds bei europäischen Aktien übergewichtet. „Des Weiteren sehen wir zurzeit Potenzial auf dem europäischen Kreditmarkt, der aktuell das beste Risiko-Rendite-Profil aufweist.“

Auch bei der US-amerikanischen Fondsgesellschaft Fidelity Investments herrscht alles andere als Panik. Die Zusammensetzung ihrer Multi-Asset-Portfolios wurde aufgrund des Ergebnisses der britischen Bürgerbefragung nicht verändert. Nach wie vor werden die Asset-Klassen Immobilien und Aktien (leicht) sowie Anleihen (stark) untergewichtet, lediglich der Bereich Rohstoffe wird mit „übergewichten“ eingestuft. Eugene Philalithis, Portfolio Manager des Fidelity Global Multi Asset Income Fund, gibt einen Einblick über das weitere Vorgehen: "Sollten wir weitere Schwächen ausmachen, werden wir über Beimischungen nachdenken”.

Brexit ist kein Schock mehr

Bei der britischen Großbank und Investmentgesellschaft HSBC spricht man im Hinblick auf das Brexit-Referendum nicht einmal mehr von Schock. Hier heißt es nur mehr: Die Entscheidung habe die meisten Analysten „auf dem falschen Fuß erwischt“.  Immerhin werde Großbritannien kaum um eine milde Rezession herumkommen. Dagegen wird ein Abrutschen der Euro-Zone dank des starken Konsums nicht erwartet.

Kein Grund, sein Portfolio zu verändern

„Für einen generellen Risk-off-Modus reicht daher die Brexit-Entscheidung nicht aus“, sagt Christian Heger, Chefanleger bei HSBC Global Asset Management in Deutschland. Kein Grund also, sein Portfolio zu verändern. „Niedrigeren Gewinnerwartungen steht ein nochmals gedrücktes Zinsniveau gegenüber. Die bereits hohen Risikoprämien für die meisten Aktienmärkte haben sich erneut erhöht“, erklärt Heger. Angesichts der kommenden Unsicherheitsphase und zunehmender politischer Risiken bleibe eine neutrale Aktiengewichtung weiter gerechtfertigt.

Asset Allokation: Quelle: HSBC Global Asset Management

Gut, wer es als Anleger so gelassen angehen ließ wie die Profis der Fondsgesellschaften. Wer sich aus Furcht vor Turbulenzen aus Aktien zurückgezogen hätte, dem wäre der jüngste Kursanstieg durch die Lappen gegangen. Seit dem 6. Juli hat der Dax um knapp acht Prozent zugelegt. Wer zunächst aus Aktien ausgestiegen wäre, um das Risiko zu senken, hätte vermutlich den größten Anstieg verpasst.

Auch im Fall des Brexit bestätigen sich also die Börsenweisheiten „Politische Börsen haben kurze Beine“ und „Hin und her macht Taschen leer“. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass so gut wie alle Fondsgesellschaften die bestehenden Allokationen ihrer Asset-Klassen aufgrund des Referendums nicht verändert haben. Privatanleger können aus den Reaktionen lernen, bei politischen Verwerfungen nicht sofort an der Gewichtung ihrer Depots zu zweifeln bzw. diese umzuschichten, sondern erst einmal abzuwarten, ob geeignete Maßnahmen überhaupt Sinn machen.

Das sagen Ökonomen zum Brexit-Entscheid

Ob Douglas Adams Gegner oder Befürworter eines Brexit gewesen wäre, darüber kann man nur spekulieren. Immerhin hat sich einer seiner damaligen Freunde eindeutig positioniert. John Cleese, Mitglied der legendären Komiker-Truppe Monty Python, bekannte sich im Vorfeld der Befragung zum „Out“-Lager. Dagegen ist eines jedoch sonnenklar: Die Börsen werden bereits in naher Zukunft andere Gründe für neuerliche Kurssprünge finden. Getreu einem Running-Gag der Monty Python, der da lautet: „Und nun zu etwas völlig anderem“.

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