
Deutschland shoppt sich derzeit aus der Krise. Die Fußgängerzonen der Innenstädte sind voll, selbst große Investments stehen wieder auf dem Einkaufszettel. Statt sich mit Anlagemöglichkeiten zu beschäftigen, geben viele ihr Geld lieber direkt aus. Dank der Niedrigzinsphase geht das sogar fast ohne schlechtes Gewissen. Selbst in Deutschland, wo Geiz eigentlich geil ist und der sparsame Schwabe es fast zum Statussymbol gebracht hat, sehen einige bereits einen wahren Konsumrausch.
Es scheint, als wollten sich die Verbraucher gar nicht mehr mit möglichen Anlageoptionen beschäftigen. Und angesichts der niedrigen Sparzinsen kann man ihnen das kaum verdenken. Statt das Einkommen in Aktien oder Festgeld zu investieren, bleibt es lieber gleich auf dem Girokonto oder im Portemonnaie. Und damit sind die Deutschen nicht allein. Auch global sind die Bargeldreserven in den vergangenen zwei Jahren deutlich angestiegen. Während Privatinvestoren 2012 noch durchschnittlich 31 Prozent ihres Vermögens in bar beziehungsweise auf Girokonten oder als Tagesgelder hielten, sind es mittlerweile 40 Prozent. Das geht aus einer Studie der amerikanischen Depotbank State Street hervor, die WirtschaftsWoche Online vorliegt.
Am größten ist die Vorliebe für Bargeld bei den Japanern. Sie halten im Schnitt 57 Prozent ihres Vermögens in bar. Gefolgt werden sie allerdings von den Niederländern und - den Deutschen. Bundesbürger halten immerhin noch fast die Hälfte ihres Vermögens in bar. Allerdings spiegelt sich darin nicht nur die Niedrigzinsphase wieder, sondern auch die vergleichsweise geringe Zahl an Immobilienbesitzern, die Deutschland immer noch hat. Länder wie Italien, die einen deutlich höheren Anteil an Hausbesitzern aufweisen, nennen mit nur knapp einem Drittel einen geringeren Cashbestand ihr Eigen.
Laut der Studie ist die Vorliebe für mehr Cash keinesfalls altersbedingt. Sowohl die jungen Anleger, die gerade erst ins Berufsleben gestartet sind, als auch die älteren Babyboomer, die bereits ihre Rente planen, bauen ihre Bargeldbestände aus. Insgesamt haben Anleger, die älter als 67 Jahre sind, mit 43 Prozent die höchsten liquiden Reserven, die Generation X (zwischen 33 und 48 Jahren) mit 38 Prozent die geringsten.
Bargeld-Ranking
Japanische Privatanleger halten rund 57 Prozent ihres Vermögens in bar und sind damit Spitzenreiter.
Quelle: State Street mit CAR-Research; Stand: Juli 2014
Auch die Niederländer haben eine hohe Affinität für Bares. Rund 55 Prozent ihres Vermögens liegt auf Sparkonten oder im Portemonnaie.
Die Bundesbürger setzen gerne auf Altbewährtes und zweifeln an der Finanzindustrie. 49 Prozent, also knapp die Hälfte ihres Vermögens, halten sie in Form von liquiden Mitteln.
Über einen Anteil von 46 Prozent Barvermögen verfügen die Anleger in Singapur.
Unsere Nachbarn in der Schweiz haben etwas mehr Vertrauen in Anlageprodukte und halten 45 Prozent ihres Vermögens in bar.
Am Zuckerhut halten Brasilianer 44 Prozent ihres Ersparten in Cash.
Auch bei den Franzosen sind die liquiden Reserven mit 43 Prozent relativ hoch.
Selbst die Briten mit einer sehr ausgeprägten Finanzindustrie halten immerhin noch 43 Prozent ihres Vermögens in Cash.
Down Under werden durchschnittlich 41 Prozent des Vermögens in Form von liquiden Mitteln verwahrt.
Deutlich mehr Vertrauen in den Finanzsektor zeigen die US-Bürger. Mit 36 Prozent ist ihr liquider Anteil am Vermögen vergleichsweise gering.
Im Durchschnitt halten Anleger weltweit rund 40 Prozent ihres Vermögens in Form von liquiden Mitteln wie Bargeld oder kurzfristigen Bankeinlagen. Den geringsten Anteil an Cash halten die Sparer in Indien mit nur 26 Prozent.
Einerseits ist diese Bargeld-Präferenz leicht nachvollziehbar. Spätestens seit der Finanzkrise haben Verbraucher kein Vertrauen mehr in Banken oder Versicherungen. Gerade Lebensversicherungen stecken seit langem in der Krise. Die Reform der Policen soll künftig dafür sorgen, dass Versicherte einen noch geringeren Garantiezins bekommen. Nur noch 1,25 Prozent sollen es künftig sein. Auch die Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven soll in Zukunft gekappt werden - zum Schutz der Versicherungen. Kein Wunder also, dass Anleger ihr Geld lieber auf Sparkonten stecken?
Angesichts der Entwicklungen an den Finanzmärkten gibt es dennoch Zweifel. Trotz Rekordständen an den Börsen sind Anleger offenbar weltweit skeptisch. In Deutschland haben 2013 laut Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) 600.000 Bundesbürger weniger in Aktien investiert als noch im Vorjahr. Vor allem Fondsanleger waren demnach auf dem Rückzug.