Riedls Dax-Radar
Trotz Ölpreisschock und wackliger Konjunktur kommt die Stabilisierung an den Börsen voran. Quelle: dpa

Börsen widerstehen dem Ölpreisschock

Trotz Ölpreisschock und wackliger Konjunktur kommt die Stabilisierung an den Börsen voran. Vor allem tief gefallene Industrieaktien geraten wieder ins Visier der Käufer.

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Die Reaktionen der Börsen auf die jüngste Zinssenkung der Fed sind verhalten. Dabei ist der Kurs, den die amerikanische Notenbank fährt, für die Märkte nicht schlecht. Zunächst einmal wurden überhaupt die Zinsen gesenkt. Das war und ist keineswegs selbstverständlich, das zeigen die Diskussionen innerhalb der Fed.

Fed-Chef Jerome Powell hat extra betont, dass die Wirtschaft gar nicht so schwach sei. Auch das ist positiv. Damit ist weiterhin ein Szenario möglich, bei dem es bis nächstes Jahr nicht zu einer Rezession kommt, sondern nur zu einer vorübergehenden Beruhigung der Wirtschaft. Sollte danach dann der langfristige Wachstumspfad fortgesetzt werden, gäbe es wahrscheinlich neue Höchstkurse an den Börsen. Weil auch Powell ein solches Szenario vor Augen haben könnte, holt er vorerst die ganz große Gießkanne noch nicht heraus. Das ist kein Nachteil, darin steckt eine Reserve für den Notfall.

Diese positive Interpretation der Fed-Politik dürfte sich zunehmend an den Märkten durchsetzen. Dafür spricht der stabile Dow Jones, der um das bisherige Top-Niveau von gut 27.000 Punkten pendelt. Auch der Dax ist robust und hält sich trotz kräftiger Kursgewinne nun schon seit Wochen über der 12.000er-Marke.

Der Ölmarkt bleibt ein Risiko, doch die Börsen können damit leben

Die partielle Unsicherheit am Ölmarkt ändert daran nichts. Kurzfristig ist es hier nach dem Drohnenangriff auf die wichtigste arabische Förderstätte zu heftigen Preisausschlägen gekommen. Dahinter steckte aber keine dramatische Veränderung der Angebots- und Nachfragesituation am Ölmarkt, sondern vor allem die Wirkung kurzfristiger Termingeschäfte.

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Wegen der flauen Konjunkturaussichten waren viele Marktteilnehmer vor dem Anschlag verstärkt auf der Short-Seite, setzen also auf sinkende Ölpreise. Sie mussten nach dem Anschlag ihre Positionen eindecken, und diese massiven Rückkäufe ließen den Ölpreis durch die Decke gehen. Mittlerweile hat sich der Ölmarkt wieder beruhigt, ein Fass der Sorte Brent notiert um 65 Dollar.

Vom Tisch sind die Unsicherheiten am Ölmarkt deshalb nicht. Die Gefahr externer Schocks und ihre Wirkung ist offensichtlich geworden. Selbst wenn die reale Angebots- und Nachfragesituation durch riesige Lagerbestände in der Regel abgepuffert wird, bleibt ein latentes Risiko – und das bedeutet für die Märkte eher höhere als niedrigere Preise.

Auf der anderen Seite dürften die Ölproduktion wegen der nun notwendigen Wiederauffüllung der Lager bald wieder anstiegen. Wenn spekulative Marktteilnehmer diese steigenden Produktionsdaten dann als Grundlage für ihre Dispositionen nehmen, könnte dies sogar zu tendenziell sinkenden Kursen führen.

Für Anleger entscheidend sind letztlich nicht die Preisspitzen beim Öl, sondern das generelle Niveau. Unter langfristigem Blick sind Notierungen zwischen 55 und 80 Dollar je Barrel der mittlere, für die Märkte optimale Preisbereich: Er signalisiert eine akzeptable bis gute Konjunktur, ermöglicht den Förderern reichliche Einnahmen und ist noch nicht so hoch, dass die Wirtschaft abgeschnürt und die Inflation übermäßig befeuert wird. Erst wenn die Ölpreise in Richtung 100 Dollar klettern oder darüber, dürften für die Börsen die negativen Effekte überwiegen. Ein solcher Anstieg aber ist angesichts der Lagersituation, der anziehenden Produktion und der effektiven Nachfrage vorerst wenig wahrscheinlich.

Das Comeback der Industrieaktien läuft

Der Aufstieg der Börsen wurde in den vergangenen zwei Wochen zu einem wesentlichen Teil von Industrieaktien getragen, im Dax vor allem von den Branchen Auto und Chemie. Sollte der Aktienmarkt kurzfristig etwas korrigieren, dürften diese Werte ebenfalls wieder an Boden verlieren.

Entscheidend ist nun, dass die Kursverluste in den nächsten Wochen überschaubar ausfallen und es nicht mehr unter die alten Tiefpunkte geht. So könnte sich etwa Covestro zwischen 40 und 45 Euro stabilisieren, obwohl die Prognosen zur Chemiekonjunktur weiter pessimistisch sind. Ein Anstieg über 45 Euro wäre sogar ein Kaufsignal.

Besonders stabil unter den Autoaktien ist Volkswagen. Den Wolfsburgern kommt zugute, dass sie sich entschieden zur E-Mobilität bekennen. Ein nachhaltiger Anstieg über 160 Euro könnte eine längere Aufwärtsbewegung einleiten.

Sogar Bayer ist wieder im Kommen. Zum ersten Mal seit zwei Jahren ist der aktuelle Kurs wieder über die 200-Tage-Linie gestiegen. Insgesamt haben Bayer-Aktien eine gute Chance, zwischen 60 und 70 Euro einen Boden zu bilden um sich danach weiter zu erholen.

Blaupause dafür könnte die Renaissance der Energieaktien werden, vor allem die von RWE. Auch hier hatte es einen jahrelangen Rückgang gegeben, dann eine zähe Bodenbildung, die nun sukzessive in einen Aufwärtstrend übergegangen ist. Weil RWE enorme Belastungen hat (von den ungeliebten Kraftwerken bis zur schwachen Bilanz), besteht letztlich auch ein enormes Erholungspotenzial. Der Schlüssel dafür ist der Deal mit E.On, mit dem sich RWE zu einem Spezialisten für erneuerbare Energien verwandeln will. Mittelfristig liegen die Ziele der Aktie bei 30 bis 35 Euro.

Fazit für den Dax: Die Hoffnung, dass die Konjunktur in den Industrieländern sich nur vorübergehend abkühlt und nicht in eine Rezession kippt, stützt die Börsen. Die Zinsen bleiben niedrig, dennoch könnte die taktgebende Notenbank, die Fed, im Notfall noch nachlegen. Zugute kommt dem Dax, dass die Industrieaktien in den vergangenen Jahren schon massiv korrigiert haben, womit die Restrisiken überschaubar geworden sind. Kurzfristig wäre im Dax ein Rückgang auf 12.200 bis 12.000 Punkte kein Problem. Die 200-Tage-Linie, die von unten kommt und langsam wieder steigt, hat noch nicht einmal 11.800 Punkte erreicht. Je eher der Dax oberhalb der 200er-Linie Tritt fasst, desto besser sind die Aussichten für die nächsten Monate. Von Mitte August bis Mitte September hat der Dax in der Spitze (die Tagesschwankungen eingerechnet) 1200 Punkte gut gemacht. Sollte er nach einer Korrektur noch einmal eine solche Anstiegsphase schaffen, ergäbe das in etwa eine Kletterpartie bis zum alten Hoch bei rund 13.600 Punkte.

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