Verkehrte (Finanz)welt
Schulden können Haushalte, Unternehmen und sogar Staaten erdrücken, sie können aber auch lohnende Investitionen finanzieren Quelle: imago images

Ist investieren auf Pump Renditekiller oder -turbo?

Jens Kummer, CFA, ist Senior-Portfoliomanager bei der StarCapital AG und Mitglied der CFA Society Germany.
Jens Kummer Portfoliomanager

Dank niedriger Zinsen steigen die Schulden weltweit. Aber was ist für Aktionäre besser: Hohe Schulden und dafür höhere Unternehmensgewinne? Oder doch weniger Schulden und dafür weniger Risiken?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Schulden machen war noch nie so günstig – dem dauerhaften Niedrigzins sei Dank. Vor dem Hintergrund flammt aktuell die Debatte auf, ob Staat und Unternehmen für Investitionen kräftiger auf geliehenes Kapital setzen sollten. Die Versuchung eines schuldenfinanzierten Wachstums ist groß und die extrem niedrigen Zinsen befeuern so manche Fantasie.

Doch Vorsicht: Der Schuldenberg wächst kräftiger als die Wirtschaft. Über die vergangenen Jahrzehnte stiegen die weltweiten Schulden von Unternehmen (ohne Banken), Haushalten und Staaten auf 230 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP). Zwar steht diesem Soll auch ein Haben gegenüber, doch lässt sich nicht leugnen, dass wir noch nie in solch einem Ausmaß „gehebelt“ waren wie heute.

Für diesen Anstieg sind vor allem Unternehmen in Schwellenländern - besonders China - sowie Staatshaushalte in Industrieländern verantwortlich. Nur in wenigen Ländern, darunter Deutschland, Irland und Ungarn, sank die relative Verschuldung zur Wirtschaftsleistung seit 2008.

Was für Staaten gilt, muss für Firmen nicht stimmen

Höhere Verschuldungsniveaus sollten theoretisch mit höheren Renditen einhergehen, wenn alle andere Einflussfaktoren gleich sind. Der hohe Verschuldungsgrad von Staaten wird aber weder bei Industrieländern wie Japan noch bei Schwellenländern wie Griechenland bestraft – wie die folgende Grafik zeigt:

Schuldenentwicklung der StaatenQuelle: Bank for International Settlement (BIS) | Grafik: StarCapital | Stand: 31.07.2019 Quelle: PR


Die Verschuldung von Unternehmen steht allerdings auf einem anderen Blatt. Während etwa Daimler, Vonovia und BMW einen hohen bilanziellen Verschuldungsgrad aufweisen, können andere Firmen fast ohne Schulden glänzen. Doch welche werden von der Börse bevorzugt? Die Konzerne mit steigender oder mit sinkender Schuldenlast?

Prinzipiell gilt: Je größer die Kreditlast ist, desto größer wird auch das Risiko, dass aus der Verschuldung eine Überschuldung wird. Potenzielle Kreditgeber sind ab einem gewissen Verschuldungsgrad nicht mehr bereit, weitere Darlehen zu gewähren. Andererseits sind Schulden oftmals notwendig, da sie Investitionen ermöglichen, die mehr Umsatz und einen höheren Gewinn generieren. Die vermeintlich simple Rechnung lautet: Wenn nach Abzug der Fremdkapitalzinsen unter dem Strich mehr Gewinn übrigbleibt, erfüllen Schulden ihren Zweck.

Nettoverschuldung = Gesamtverschuldung abzüglich Kassenbestände und kurzfristiger Forderungen Daten: WorldScope Refinitiv | Grafik: StarCapital | Stand: 31.07.2019 Quelle: PR

Geprüft: Die Relation von Verschuldungsgrad und Aktienkurs

Doch so einfach lässt sich die Theorie der schuldenfinanzierten Gewinne nicht in die Praxis umsetzen. Ob hoch oder niedrig verschuldete Unternehmen für Anleger und Investoren die bessere Wahl sind, kann nur eine empirische Studie ermitteln. Zu diesem Zweck haben wir die Aktien der Eurozone nach Ihrem Verschuldungsgrad seit 2010 analysiert. Da die Kapitalintensität von Branche zu Branche unterschiedlich ist, wurde jede Branche isoliert betrachtet. Die Aktien mit sinkender Verschuldung wurden gekauft und die Aktien mit steigender Verschuldung gleichzeitig verkauft. Long- und Short-Seite wurden gleich gewichtet, so dass es keine Rolle spielte, ob der Markt (EuroStoxx) bzw. eine Branche als Ganzes gerade stieg oder fiel. Einmal im Monat wurde das Portfolio angepasst.

Weniger Schulden mindern die Risiken für Anleger

Das Ergebnis: Schuldenabbau wird an der Börse belohnt. Firmen, die ihre Verschuldung reduzieren, erzielen durchschnittlich eine jährliche Outperformance von 1,9 % gegenüber Unternehmen, die ihre Schulden erhöhen.

Zumindest für Firmen lohnt es sich also durchaus, der Versuchung des günstigen Geldes auf Pump zu widerstehen. Ein höherer Verschuldungsgrad ist nur dann sinnvoll, wenn Umsatzerlös und Jahresüberschuss dadurch spürbar steigen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%