Das zeigt: Aggressiv werbenden Anwälten ist schwer beizukommen. Wegen geschickter Formulierungen lasse sich oft nicht nachweisen, dass die Grenze zur irreführenden Werbung oder zum unlauteren Wettbewerb überschritten ist, sagt Brandes. Und die Anwaltskammern werden häufig gar nicht erst aktiv, frei nach dem Motto: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Klar ist die Sache immerhin, wenn sich Anwälte hinter einem Anlegerschutzverein verschanzen. In einem der wenigen Urteile dazu untersagte das Oberlandesgericht Köln einem Anwalt, Anleger unter dem Deckmantel eines selbst initiierten Vereins anzuschreiben (6 U 129/11). Für Anleger sei nicht erkennbar, wer hinter dem Schreiben steht.
Auch bei Post von Anlegerschützern ist also Vorsicht geboten; manchmal zeigt schon eine Google-Suche, dass unter der Adresse des Vereins auch eine Kanzlei residiert oder dass Gremienmitglieder im Hauptberuf Anlegeranwälte sind. In einem aktuellen Schreiben firmiert ein Anwalt als Datenschutzbeauftragter eines Vereins.
Typische Geltungsbereiche der Rechtsschutzversicherung
Hier geht es beispielsweise um die Durchsetzung eigener Schadenersatzforderungen, privatrechtliche Vertragsangelegenheiten oder steuer- und abgaberechtliche Angelegenheiten vor Finanzgerichten. Auch Fälle vor dem Sozial- oder Verwaltungsgericht sowie strafrechtliche Fälle sind mitversichert, etwa die Verteidigung gegen den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens. Ohne Vorvertrag, an den der neue Vertrag anschließt, beträgt die Wartezeit in der Regel drei Beitragsmonate, bevor die Versicherung Rechtsschutz gewährt. Ausgenommen sind allerdings meist Leistungsbereiche, in denen der Versicherungsfall unvorhersehbar ist, zum Beispiel bei Schadenersatz.
Auch hier geht es hauptsächlich um die Abwehr oder Durchsetzung von Schadenersatzforderungen. Auch bei strittigen Ordnungswidrigkeiten oder in verkehrsrechtlichen Strafsachen zahlen die Versicherer. Verstöße gegen Halte- und Parkvorschriften sind meist nicht inbegriffen. Versichert ist der Versicherungsnehmer als Fahrer, unabhängig davon, welches Fahrzeug er benutzt. Wichtig: Da sich Unfälle unvorhergesehen ereignen, gibt es für diese Fälle keine Wartezeit. Die Rechtsschutzversicherung gewährt Leistungen in diesem Bereich sofort nach Vertragsabschluss.
Das wichtigste Anwendungsgebiet sind zweifellos Kündigungen durch den Arbeitgeber, Aufhebungsverträge und Abfindungen. Auch Abmahnungen oder angedrohte Kündigungen sind häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Im Falle von Aufhebungsverträgen zahlen die Rechtsschutzversicherer meist für eine Rechtsberatung oder drängen auf ein Mediationsverfahren. Die Wartezeit bis zu einem Wirksamwerden des Rechtsschutzes beträgt abhängig vom Leistungsfall zwischen null und drei Monaten.
Der Rechtsschutz greift in der Regel nur bei Mietrechtsstreitigkeiten oder wenn es sich eine selbstgenutzte Immobilie im Inland handelt. Für Vermieter gibt es spezielle Tarife. Eingeschlossen sind oft Rechtsstreitigkeiten um laufende Erschließungskosten oder Anliegerangaben, einmalige Ereignisse bleiben in der Regel ausgeklammert. Auch bei Ordnungswidrigkeiten, Schadenersatzforderungen, Steuer- und Strafsachen sowie Widerspruchsverfahren vor dem Verwaltungsgericht ziehen die Versicherer meist mit. Die Wartezeit beträgt in der Regel drei Monate.
Selbst wenn Versprechen nicht haltlos sind und gute Chancen auf Schadensersatz bestehen, kann es riskant sein, sich auf Rundbriefschreiber einzulassen. Denn wenn Anwälte massenhaft Mandate akquirieren, geht das oft zulasten der Qualität. Ihnen fehlt die Zeit, auf die Situation der Mandanten einzugehen; Schriftsätze werden per Copy-and-Paste vervielfältigt und notdürftig individualisiert. Das kann die Chancen schmälern. „Richter sind zunehmend genervt von eilig zusammengeschusterten Copy-and-Paste-Klagen“, sagt Julius Reiter von der Kanzlei Baum Reiter & Collegen in Düsseldorf. Sie würden häufig abgewiesen oder endeten mit fragwürdigen Vergleichen.
Zudem entpuppt sich mancher Erfolg später als Pyrrhussieg. Das zeigt aktuell der Fall Clerical Medical Investments (CMI): Die britischen Rentenversicherungen galten um die Jahrtausendwende als lukrative Alternative zu deutschen Policen, doch die Erträge blieben weit hinter den Prognosen zurück.
Tausende Anleger klagten, etwa wegen Prospektfehlern und mangelhafter Risikoaufklärung, und bekamen weitgehend recht. Doch nun stellt sich immer öfter heraus, dass die Urteile wenig nutzen – wegen grober Schnitzer der Anwälte. „Einige Kanzleien haben Hunderte Mandate akquiriert, dann aber Probleme bekommen, die Fälle sauber abzuarbeiten“, sagt Christian Hindahl, Partner der Kanzlei Hindahl Sternemann Horn Bock in Düsseldorf.
Wie im Fall einer Ärztin, deren Anwalt 2010 vor Gericht durchgesetzt hatte, dass sie ihre prognostizierte CMI-Rente bis 2041 bekommt. Klang gut. Die Frau aber hätte eine sofortige Zahlung gebraucht. Sie hatte ihr Investment überwiegend per Kredit finanziert – so, wie es das CMI-Modell vorsah. Und die sechsstellige Summe war 2013 auf einen Schlag fällig.
Die Ärztin wollte den Kredit nach und nach mit der eingeklagten CMI-Rente zurückzahlen. „Da sie 74 Jahre alt ist, hat die Bank eine Tilgungsstreckung aber abgelehnt“, berichtet Hindahl. Das, meint er, war vorhersehbar. „Die Kanzlei hätte deshalb sofortigen Schadensersatz anstreben müssen, damit meine Mandantin ihren Kredit tilgen kann“, sagt der Bankrechtsexperte, an den sich die Ärztin nun gewandt hat, damit er ihr aus der Patsche hilft.
Wie der Ärztin könnte es manch anderem CMI-Anleger gehen: „Viele müssen bald ihren Kredit zurückzahlen“, sagt Hindahl. „In etlichen Fällen dürften Banken abblocken.“
Auch Vergleiche entpuppen sich oft als gefährlich – jüngst etwa bei Anlegern, die in den Neunzigerjahren über Fonds der Cumulus-Gruppe in Supermärkte im Osten der Republik investiert hatten. Dabei schienen sie bereits aus dem Schneider: Als sich die Fonds als Rohrkrepierer entpuppten, konnten sie wegen formaler Fehler die Kredite rückabwickeln, mit denen sie das Investment finanziert hatten.