Anlegerschutz Einfach Recht haben - wie Anleger Verluste eintreiben können

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Wie Aktionäre und Anleihesparer sich gegen Übergriffe wehren

So fühlt man dem Finanzberater auf den Zahn
Nachbarn unterhalten sich Quelle: dpa
Fangfrage 2: "Wenn etwas schief läuft, dann ersetzen Sie mir doch den Schaden?" Solch eine Versicherung gegen Verluste wünscht sich jeder Anleger, doch keine Bank mag das versprechen. Wenn ein Berater sich darauf einlässt, überschreitet er seine Kompetenzen – und will unbedingt etwas verkaufen. Dafür ist ihm jedes Mittel recht, auch eine Fehlinformation an den Kunden. Quelle: dpa
Fangfrage 3: "Welche Produkte brauche ich denn nun?"Gute Berater entwickeln eine Strategie , und sie schauen sich die Vermögens- und Finanzsituation eines Kunden an. Dann reden sie mit ihm über seine Ziele und seine Risikobereitschaft. Einzelne Produkte kommen – wenn überhaupt – immer ganz zuletzt. Berater, die sich sofort darauf einlassen, denken vor allem an ihre Provision. Diese ist häufig davon abhängig, wie viel Produkte in einem bestimmten Zeitraum von ihm verkauft werden. Quelle: dpa
Uhr Zifferblatt Quelle: dpa
Fangfrage 5: "Ich bin risikoscheu und möchte mindestens fünf Prozent Rendite. Das ist doch für Sie kein Problem?" Es sollte ein Problem für Berater sein. Wer diese Frage sofort bejaht, hat sich als unsolide geoutet. Denn fünf Prozent Rendite sind aktuell meist nur mit einem recht hohen Risiko oder anderen Nachteilen zu erzielen. Wer als Anleger gar kein Risiko möchte, muss sich aktuell eher mit einem bis zwei Prozent begnügen – den Konflikt zwischen Risiko und Rendite sollte ein Berater darstellen und nicht schamhaft überspielen. Quelle: dpa
zerrissener Euro-Schein Quelle: dpa
Fangfrage 7: "Ich vertraue Ihnen, das Kleingedruckt ist sicher in Ordnung. Wo soll ich unterschreiben?" Geldanlagen sollten gut überlegt sein. Berater, die ihren Kunden wenig Zeit lassen, wollen ein Gespräch schnell abhaken. Häufig verbergen sie diese Absicht. Durch diese Fangfrage können Anleger dem Berater auf die Schliche kommen. Jeder Berater sollte das Kleingedruckte erklären, und hinterher sollte es der Anleger noch mal lesen. Einfach zu unterschreiben, ist keinesfalls in Ordnung. Quelle: dpa

Draußen tanzen die Schneeflocken, Drinnen, im Saal des Wellness-Hotels Heinz, ist die Stimmung aufgeheizt - und von Wellness keine Spur. Die Aktionäre der Softwareunternehmens IBS lassen auf der außerordentlichen Hauptversammlung im Westerwald-Städtchen Höhr-Grenzhausen ordentlich Dampf ab. Siemens hat IBS übernommen und will die Firma jetzt über einen Beherrschungsvertrag integrieren. Das Abfindungsangebot von 6,90 Euro je Aktie sei „Beschiss“, poltert Investor und Vorstandsschreck Karl-Walter Freitag.

In der Mittagspause sagt eine alte Dame resignierend: „Wenn Siemens 81 Prozent an IBS hält, kann ich als Kleinaktionärin nicht viel machen.“ Ihr Tischnachbar, ein Mittvierziger mit Sportsakko und Hornbrille, widerspricht: „Wenn alle so denken, kommen wir nie auf einen grünen Zweig.“ Die alte Dame schiebt ihren Rollator Richtung Buffet, holt sich einen zweiten Nachtisch. „So kann man sich auch schadlos halten“, murmelt ihr Tischnachbar.

Das Geld ist knapper geworden, auch bei Siemens. Die Staatsschuldenkrise drückt auf die Umsätze, bis 2014 will Siemens sechs Milliarden Euro sparen.

Bessere Karten

Im Millionenpoker um Abfindungen, Insolvenzpläne und Schuldenschnitt haben Vorstände und Großinvestoren meist die besseren Karten, sie wissen mehr als der Anleger, können Anwälte und Gutachter in Stellung bringen. Doch Privatanleger sind nicht schutzlos ausgeliefert. Unternehmens müssen sich an Gesetze halten, Gerichte urteilen oft im Sinne der Anleger.

Die Machtbalance zwischen Anlegern und Emittenten wird dabei ständig neu austariert. So wurde gerade das Insolvenzrecht reformiert, was auch Konsequenzen für Anleger hat. Auch beim Aktienrecht stehen Reformen an. Gleichzeitig fällten Richter wegweisende Urteile: Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Handelbarkeit von Aktien kein geschütztes Eigentumsrecht sei, das Oberlandesgericht Frankfurt stoppte einen Sanierungsplan, der Anleihesparer enteignet hätte. Anleger sollten ihre Rechte kennen – sonst geht ihnen Geld verloren, das ihnen zusteht.

Anteil der Fälle, in denen ein Aufkäufer nach einem Gerichtsverfahren sein Angebot an die Minderheitsaktionäre aufstocken muss

Gesetzliche Regeln

Es ist ein ungleicher Kampf: Siemens gegen eine Hand voll IBS-Kleinaktionäre. Dennoch muss sich der Weltkonzern an die gesetzlichen Regeln halten. Kein Minderheitsaktionäre ist gezwungen, dass Angebot des Mehrheitsaktionärs anzunehmen. Bei IBS lehnten acht Prozent der Aktionäre 6,90 Euro als zu wenig ab. Ihnen bleibt noch, vor Gericht zu gehen und in einem Spruchverfahren eine höhere Abfindung zu erkämpfen.

Die Chancen auf einen Nachschlag sind gut. Nach einer Studie des Münchner Rechtsanwalts Dirk Lorenz führten 76 Prozent der 2009 bis 2011 abgeschlossenen Spruchverfahren zu einer höheren Abfindung (siehe Grafik).

Wer sich nicht wehrt, schaut zu, wie andere den Schnitt machen. Als sich die EnBW-Tochter Salamander 2004 vom Stuttgarter Parkhausbetreiber Apcoa Parking trennte, zahlte Aufkäufer Investcorp 270 Millionen Euro an die Aktionäre. Den Deal hatte Ex-Karstadt-Chef Thomas Middelhoff, damals noch bei Investcorp, eingefädelt. 2007 konnte Investcorp Apcoa für 850 Millionen Euro an die französische Eurazeo weiterreichen.

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