Niemand sieht der Filiale des Bäckers Heberer am berühmten Berliner Alexanderplatz ihre Existenzkrise an. Die Verkäuferinnen schenken wie jeden Tag Milchkaffee aus, reichen Schokocroissants und Laugenbrezeln über die Theke. Doch die Wiener Feinbäckerei Heberer aus Mühlheim am Main ist keine gewöhnliche Bäckerei. Sie ist im Gegensatz zu allen anderen Bäckern in Deutschland ein von ihren Kunden finanziertes Unternehmen. Denen droht aber bald das Croissant im Halse stecken zu bleiben: Denn 8,5 Millionen Euro, die sie in die „Jubiläumsanleihe“ gesteckt haben, die die Heberer-Gruppe bis Mitte 2012 aufgelegt hatte, stehen nun auf dem Spiel. WirtschaftsWoche Online hatte bereits vor eineinhalb Jahren über die vermeintliche Anlegerfalle in der Backstube berichtet.
Mit der zuckersüßen Versprechung von sieben Prozent Festzins hatte Deutschlands viertgrößte Bäckereikette ihre Kunden in die Brötchenfinanzierung gelockt. Die Zinsen haben die Bäcker bisher auch pünktlich gezahlt. Doch eng könnte es in zwei Monaten werden. Dann sollen die Feinbäcker nach letzten verfügbaren Zahlen per Ende 2011 rund 14,3 Millionen Euro an ihre kreditgebenden Banken zurückzahlen. Schon 2010 stellten die Geldhäuser ihre Darlehen fällig, verlängerten sie dann aber noch einmal bis Dezember 2013. Drehen sie nun Ende des Jahres den Geldhahn zu, könnte den Anleiheanlegern der Totalverlust ihrer bis Juli 2016 laufenden Anleihe drohen. Denn zunächst dürfen die Banken in Heberers Bilanz greifen. Ob danach noch was übrig wäre, um andere Gläubiger zu bedienen, weiß niemand. Die Hauptkreditgeber Commerzbank und DZ Bank jedenfalls hüllen sich in Schweigen, ob sie ihre Finanzierung verlängern werden. Die Feinbäcker gehen – selbstredend – davon aus.
Doch selbst wenn die Banken eine erneute Gnadenfrist gewähren, wird es Heberer schwerfallen, sich aus der Schuldenfalle zu befreien. Die Umsätze bröseln seit Jahren weg wie alte Semmeln: Auf dem Backwarenmarkt herrscht Verdrängungswettbewerb. 2009 machte die Bäckerei fast 121 Millionen Euro Umsatz, 2011 erlöste Heberer nur noch 112,6 Millionen Euro.
Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen stagnierte in den Jahren 2010 und 2011 bei rund 4,6 Millionen Euro. 2011 machte die Feinbäckerei unter dem Strich zwar 1,7 Millionen Euro Gewinn – aber nur, weil die Banken auf Zinsen zunächst verzichteten. Sonst hätte sie gerade mal 800.000 Euro verdient. Es ist zweifelhaft, ob der Backbetrieb bis 2016 genug Geld zusammenbekommt, um Banken und Anleger auszubezahlen. Insgesamt belastet Heberer eine Gesamtverschuldung von rund 33 Millionen Euro – bei einer Bilanzsumme von nur 43,7 Millionen Euro. Die Bäcker setzen allein auf das Prinzip Hoffnung: „Die langfristige strategische Planung sieht in 2016 entweder eine Rückzahlung oder eine Neuauflage der Anleihe vor“, heißt es.
Finanzexperimente
Verschlimmert wird die Lage dadurch, dass die Feinbäckerei bereits vor der Jubiläumsanleihe Finanzexperimente gemacht hat. Schon von 2005 an pumpten Commerzbank und DZ Bank Risikokapital in Form von Genussrechten und einer stillen Beteiligung in das Unternehmen. Weitere neun Millionen Euro müssen die Mühlheimer dafür noch zusätzlich berappen. Auch die Risikofinanzierung wurde verlängert und läuft nun im Dezember aus. Die Brötchenanleihe war daher nur der nächste logische Schritt in der kreativen Unternehmensfinanzierung. Von 4,3 Millionen Euro, die die Feinbäckerei 2011 über die Anleihe einnahm, gingen gleich 4,1 Millionen wieder in die Rückzahlung kurzfristiger Bankschulden.
Aktuell wollen die Bäcker nun alle Filialen im Umkreis von mehr als 100 Kilometern um ihre Brötchenfabriken veräußern. Angeblich, weil das „die Frische und Qualität der Produkte“ fördere.
Das Konzept hat sich mal wieder Roland Berger ausgedacht.
Die Unternehmensberatung verdient seit Jahren mit der Krise der Backstube ihre eigenen Brötchen: Schon 2009 erarbeitete sie den ersten Sanierungsplan. Einen „niedrigen siebenstelligen Betrag“ glaubt Eigentümer Alexander Heberer mit dem Verkauf seiner Filialen einnehmen zu können – längst nicht genug, um alle Schulden zu tilgen. Zudem plant Heberer, „neues Kapital über externe Investoren ins Unternehmen zu holen“.
Die Resonanz sei positiv, sagt Heberer: „Wir sprechen mit einer Handvoll Investoren.“ Falls sich kein Käufer findet, könnte es für seine Brötchenanleger bald zu spät sein.