Die Zahl ist erschreckend: Auf 199 Billionen Dollar beziffert die Unternehmensberatung McKinsey die globale Verschuldung Ende des Jahres 2014. 58 Billionen Dollar davon entfielen auf Staaten. Aktuellere exakte Zahlen liegen nicht vor, aber klar ist: Die Verschuldung ist noch weiter gestiegen. Im Jahr 2000 war der weltweite Schuldenberg insgesamt „nur“ 87 Milliarden Dollar hoch.
Entscheidend sind aber nicht die Schulden, sondern die Zinsen – denn je niedriger die Zinsen, um so mehr Kredite können sich Unternehmen, aber auch Staaten, leisten. Und dabei profitiert Deutschland in doppelter Hinsicht von der Verschuldung der Welt.
Zum einen macht der Bund zumindest keine zusätzlichen neuen Schulden mehr. Seit 2014 liegt die Neuverschuldung in Deutschland bei Null. Der Bund wird zwar im Jahr 2016 Anleihen und Geldmarktpapiere im Umfang von 210,5 Milliarden bis 214,5 Milliarden auflegen – und damit deutlich mehr als die 186,5 Milliarden Euro, die er 2015 brauchte. Doch damit werden vor allem auslaufende Anleihen getilgt. Für Sonderausgaben wie für Flüchtlingshilfen wurden im Bundeshaushalt bereits Rückstellungen gebildet.
Die Emissionsplanung beruht auf einem ausgeglichenen Haushalt, sagt Tammo Diemer, Chef der für Deutschlands Refinanzierung zuständigen Finanzagentur. Dabei gilt die gesetzlich verankerte Schuldenbremse in Deutschland erst ab dem Jahr 2016. Die begrenzt die Nettokreditaufnahme auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Einen ausgeglichenen Bundeshaushalt hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble aber schon 2015 und dank hoher Steuereinnahmen auf den letzten Drücker auch im Jahr 2014 erreicht.
Dazu kommt: Deutschland zahlt für seine Anleihen so wenig wie kein anderes Land in der Euro-Zone. Im April 2015 war sogar die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe fast auf null Prozent gerutscht. Inzwischen liegt sie wieder bei etwas mehr als einem halben Prozent. Doch auch das ist extrem wenig. Bei Papieren mit einer Laufzeit von bis gut fünf Jahren verdient der Bund sogar Geld. Die Gläubiger zahlen dem Bund damit quasi eine Parkgebühr dafür, dass sie ihr Geld bei ihm anlegen dürfen. Die Rendite der zweijährigen Bundeanleihe liegt bei minus 0,3 Prozent, die der fünfjährigen bei minus 0,03 Prozent.
Wieviel Deutschland spart
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat ausgerechnet, dass der deutsche Staat wegen der niedrigen Zinskosten seit Anfang 2010 um rund 100 Milliarden Euro beziehungsweise gut drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts entlastet worden ist. Diese Summe lasse sich zumindest teilweise direkt auf die Euro-Krise zurückführen: „Diese Einsparungen übertreffen die Kosten der Krise – selbst dann wenn Griechenland seine Schulden komplett nicht bedienen würde.“ Der deutsche Anteil an den bisherigen Rettungskosten für Griechenland wird auf rund 90 Milliarden Euro beziffert.
Im Zuge der Euro-Krise drifteten die Zinskosten im Euro-Raum extrem auseinander – zu Gunsten Deutschlands. Investoren trauten Deutschland stets zu, seine Schulden zu bezahlen, fürchteten aber um immer mehr Euro-Länder. Erst Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) machte dem Spuk am 26. Juli 2012 ein Ende. Auf seiner berühmt gewordenen Londoner Rede sagte er, dass die EZB alles in ihrer Macht stehende tun werde, um den Euro zu retten. „Und glauben Sie mir, es wird reichen“, fügte er für alle Investoren hinzu, die damals gegen den Euro-Raum wetteten.
Und es reichte. Die Renditen zehnjähriger Anleihen aus Spanien und Italien liegen aktuell bei nur noch bei etwas über anderthalb Prozent und die portugiesischer bei 2,5 Prozent. Vor Draghis Rede im Sommer 2012 lagen die Renditen zehnjähriger Anleihen aus Italien bei 6,5 Prozent, in Spanien waren es 7,6 und in Portugal sogar elf Prozent. Irland, Portugal und Spanien haben sich aus der Krise befreit, lediglich Griechenland ist noch auf Hilfskredite der anderen Euro-Länder angewiesen, und Investoren verlangen im Handel für zehnjährige griechische Bonds eine Rendite von 7,9 Prozent.
Dass die Renditen in den meisten Ländern so stark gesunken sind, liegt an Reformen in den Ländern und daran, dass Draghi seinen Worten Taten folgen ließ. Die EZB hat die Möglichkeit geschaffen, gezielt Anleihen einzelner Euro-Staaten zu kaufen. Dieses Programm musste sie aber gar nicht nutzen. Allerdings kauft sie über ein anderes Programm dennoch seit März 2015 Anleihen, und zwar von allen Euro-Ländern - aufgeteilt nach einem festen Schlüssel. Dazu kommen Käufe von gedeckten Bankenanleihen wie deutschen Pfandbriefen und Käufe von verbrieften Wertpapieren der Banken. Insgesamt 60 Milliarden Euro nimmt die EZB dafür jeden Monat in die Hand – und das wird noch bis mindestens März 2017 so gehen.
Der Bund profitiert auch von der EZB
Zudem ist der Leitzins im Euro-Raum bei historisch niedrigen 0,05 Prozent – und der Einlagensatz über den sich Banken über Nacht Geld bei der EZB leihen, liegt sogar bei minus 0,3 Prozent. Auch von den niedrigen Zinsen und den EZB-Käufen profitiert Deutschland. Denn die Deutsche Bundesbank erwirbt monatlich im Auftrag der EZB Bundeswertpapiere mit Laufzeit von zwei bis 30 Jahren im Umfang von rund zehn Milliarden Euro. Auch das hält die Renditen für deutsche Anleihen niedrig.
Experten rechnen zwar damit, dass die Renditen der Bundesanleihen im nächsten Jahr steigen werden, vor allem deshalb, weil die US-Notenbank Fed im Dezember die lang erwartete Zinswende eingeleitet den US-Leitzins um ein viertel Prozentpunkt auf ein Band von 0,25 bis 0,5 Prozent erhöht hat. Weitere Schritte dürften folgen und auch die Bund-Renditen mit nach oben ziehen.
Das ist schmerzlich für Anleger, die Bundesbonds halten und Verluste machten dürften, wenn sie die Bonds vor Ablauf der Fälligkeit verkaufen wollen. Doch dramatisch für den Bund ist das nicht. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe dürfte nach Schätzungen der 35 Banken, die das Handelsblatt befragt hat, Ende 2016 im Schnitt bei 0,94 Prozent liegen. Das wären dann immer noch um die 2,8 Prozentpunkte weniger als im Schnitt der vergangen 20 Jahre.
Banken gehen zudem zwar davon aus, dass die Kurse der Bundesanleihen deutlicher fallen werden als die von Anleihen der Euro-Südländer. Aber: Auch Ende 2016 und darüber hinaus sollten die Renditen von Bundesbonds immer noch unter denen von anderen Ländern der Euro-Zone liegen. Das ist günstig für den Bund – und damit für den deutschen Steuerzahler.