Nostalgie kann die Sicht auf die Vergangenheit erheblich verzerren. So ist es dieser Tage in Kreisen von Mittelalter-Nostalgikern groß in Mode, das gemeinhin finstere und von Elend und Unwissen geprägte Zeitalter als „golden“ zu verklären. Seit dem 12. Jahrhundert hätten sich unsere Vorfahren über 300 Jahre an einer prosperierenden Wirtschaft gelabt. Prosperiert habe die, weil sie sich – auf Druck der römischen Kirche – des gottlosen Zinses entledigt hätten.
Die Nostalgiker dürfen frohlocken: Goldene Zeiten stehen bald wieder an. Schließlich brachte in der Jetztzeit Finanzminister Wolfgang Schäuble schon Schuldverschreibungen unter die Leute, ganz ohne dafür Zinsen zahlen zu müssen. Das könnte bald auch für Einlagen bei Banken gelten. Denn kurzfristige Gelder verzinsen sich so niedrig wie nie. Breisgauer etwa erhalten von ihrer Sparkasse in Freiburg 0,1 Prozent Zins aufs Tagesgeld; die katholische Liga Bank in Regenburg zahlt 0,25 Prozent – dafür müssen sich Kunden aber schon zwei Jahre binden.
Wo Sie wie viel Rendite bekommen
Rendite bis Dezember bringen Schatzanweisungen des Bundes
jährlich bis September 2014 schaffen Anleger mit BASF-Bonds
jährlich bis 2017 bieten Sparbriefe der Commerzbank
Rendite sind pro Jahr mit 2021 fälligen Telekom-Anleihen drin
pro anno bis 2033 werfen italienische Staatsanleihen ab
Rendite pro Jahr versprechen Anleihen von Praktiker bis 2016
Nicht nur Zinserträge nahe null machen Tagesgelder unattraktiv. Vielmehr ist auch die Sicherheit der Bankeinlagen zunehmend bedroht. Der Grund: Wenn Banken Schulden machen, stellen sie Gläubigern zunehmend Sicherheiten aus ihrer Bilanz zur Verfügung. Falls die Bank pleitegehen sollte, sind diese Sicherheiten aber dem Zugriff der Sparer entzogen.
Dass Banken Schuldpapiere mit Sicherheiten unterlegen, ist im Prinzip nicht neu. Von Banken ausgegebene Pfandbriefe etwa sind mit Grundschulden aus Immobilienkrediten oder mit Forderungen gegen die öffentliche Hand abgesichert.
Neu ist, dass Banken immer mehr Sicherheiten benötigen. Sie konnten sich zwar billig Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) besorgen, die seit dem Crash der Lehman-Bank Hunderte Milliarden Euro schwere Refinanzierungsprogramme gestartet hat. Im Gegenzug mussten die Banken aber Sicherheiten bei der EZB deponieren.
Der Steuerzahler als Retter
Hinzu kommt, dass die Geldhäuser generell dazu übergehen, Anleihen mit Pfand auszustatten. So brachte vor knapp zwei Wochen die Commerzbank ein Papier auf den Markt, das als Sicherheit Forderungen an Mittelständler beinhaltet.
Weil die Gläubiger so weniger Risiko tragen, verzichten sie auf einen Teil des Zinses: Statt der für unbesicherte Anleihen üblichen 1,9 Prozent an jährlichem Zins muss die Commerzbank nur 1,5 Prozent an Investoren zahlen. Bei der 500 Millionen Euro schweren Anleihe spart sie so zwei Millionen Euro pro Jahr.
Je mehr Forderungen die Banken jedoch an Anleihegläubiger oder die EZB als Sicherheit abtreten, desto weniger Masse steht im Pleitefall Tages- und Festgeldsparern zu. „In Skandinavien läuft bereits eine Diskussion darüber, wie viel Vermögensansprüche Banken verbriefen dürfen“, sagt Sebastian Sachs, Analyst für Bankpapiere beim Bankhaus Metzler. Je mehr an Sicherheiten aus den Bankbilanzen heraus verpfändet sind, desto weniger investieren Sparer in Substanz. Letztlich müssen sie darauf vertrauen, dass der Steuerzahler als letzter Retter ihrer Konten einspringt.
Im Pleitefall soll zwar für Tagesgelder und Sparguthaben zunächst die Einlagensicherung der Banken einspringen. Die aber wäre schon mit Rettung eines mittelgroßen Geldhauses überfordert.
Hilflose Anleger
Es mutet dann schon wie ein schlechter Scherz an, dass ausgerechnet die bereits von Steuerzahlergeldern gerettete Düsseldorfer IKB, die heute zu 91,5 Prozent im Besitz des Finanzinvestors J.C. Flowers ist, auf Tagesgeld ein Prozent bietet – deutlich mehr als die gemeine Sparkasse oder Volksbank um die Ecke. Mehr Zins bieten häufig auch ausländische Institute – weil das Risiko eines Verlustes höher ist und Einlagen im Ausland weniger geschützt sein könnten. So soll es laut „Handelsblatt“ zur Rettung des maroden zypriotischen Bankensektors in „Verhandlungskreisen“ Überlegungen geben, Teile von Sparguthaben von Ausländern zur Rettung der Banken heranzuziehen. In diesem Fall zielten die Überlegungen wohl auf Schwarzgeld reicher Russen. Deutsche Anleger sollten sich aber nicht in Sicherheit wiegen: Im Zweifel sind Politikern die Gelder der eigenen Wähler immer wichtiger als die von Ausländern. Sich dagegen zu wehren hilft oft nicht.
So hat beispielsweise Island erst Ende Januar vor dem Gerichtshof der Europäischen Freihandelszone Efta im Rechtsstreit um Entschädigung ausländischer Sparer gesiegt. Die Isländer hatten dem Urteil nach nicht gegen geltendes Recht verstoßen, als sie sich nach der Pleite der Online-Bank Icesave im Herbst 2008 weigerten, britische und niederländische Sparer zu entschädigen. Eine gute Alternative zu manchem ausländischen Institut mit verlockenden Angeboten sind Festgeldkonten bei deutschen Baugenossenschaften.
Neue Risiken für Staatspapiere
Doch nicht nur die Sicherheit von kurzfristigen Geldern verschlechtert sich sukzessive. Zulasten der privaten Anleger gehen auch neue Klauseln bei Euro-Staatsanleihen. Denn für alle seit dem 1. Januar neu herausgegebenen Papiere mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr gilt, dass im Fall eines Staatsbankrotts eine anschließende Umschuldung mit einer Mehrheit von 75 Prozent der Gläubiger beschlossen werden kann. Die Umschuldung – also letztlich der Verzicht auf Geld – ist dann für alle Anleiheinhaber verbindlich.
Bisher mussten betroffene Staaten sich mit allen Gläubigern einigen. Bei der Umschuldung Griechenlands vor einem Jahr wurde diese Regel allerdings de facto schon ausgehebelt. Über 1000 deutsche Privatanleger, die dem Schuldenschnitt Athens nicht zugestimmt hatten, klagen deshalb jetzt gegen ihre Enteignung – ein mühsamer Weg, aber immerhin eine Rest-Chance, doch noch Geld zu sehen.
Bei neuen Papieren wäre der Weg vor Gericht künftig immer verschlossen, wenn sich drei Viertel der Gläubiger einig sind. Für Privatanleger kann das fatal sein. Denn Großinvestoren wie Hedgefonds können sich über Wetten auf sinkende Kurse an Terminbörsen schon so positioniert haben, dass sie bei einem Schuldenschnitt mehr gewinnen, als sie über ihre noch gehaltenen Anleihen verlieren. Privatanleger sitzen dann plötzlich in einem Boot mit Großinvestoren, die ganz andere Interessen haben, seit Neuestem aber über ihre Köpfe hinweg entscheiden können. Euro-Staatsanleihen verlieren damit einen Vorteil, den sie gegenüber Anleihen von Unternehmen bis vor Kurzem hatten. Bei denen droht dem einzelnen Anleger generell, dass er nach einer Pleite auf Großinvestoren trifft, die nicht zwangsläufig erreichen wollen, dass die Anleihe zurückgezahlt wird. Großanleger haben zum Beispiel schon mehrfach Unternehmen gekapert, indem sie die notleidenden Anleihen in Anteile am Unternehmen tauschten. Üblicherweise ist eine solche Aktion aber nicht im Sinne eines Privatsparers.
Wer eine Rendite oberhalb der Inflationsrate von zuletzt 1,5 Prozent und einigermaßen überschaubarer Sicherheit sucht, kommt an Unternehmensanleihen dennoch nicht vorbei. Anleger können über einen überschaubaren Zeitraum vier Prozent Rendite vor Steuern erzielen.
Allerdings müssen sie auch Papiere beimischen, die eher riskant sind. Deshalb gilt: „Je breiter die Streuung, desto leichter kann ich es verkraften, wenn ein Papier auch mal nicht oder nur zu einem geringen Wert zurückgezahlt wird“, sagt Allan Valentiner, Geschäftsführer des Anleihespezialisten Johannes Führ Asset Management.
Ein Depot aus 15 Anleihen etwa, die im Durchschnitt nach 33 Monaten fällig werden, würde auch zwei Totalausfälle verkraften, bevor es insgesamt über die Gesamtlaufzeit der Papiere in die Verlustzone rutscht (siehe Bildergalerie). Bei drei Pleiten würde sich ein Verlust von verkraftbaren sechs Prozent ergeben, erst ab vier Totalverlusten rutscht das Anleihedepot schmerzhaft ins Minus.
Tipps zu Anleihen
Anleger, die in Anleihen investieren, sollten generell beachten, dass sich angesichts des „abnormal niedrigen Zinsniveaus“ (Ratingagentur Fitch) sehr schnell Kursverluste einstellen können. Je länger die Restlaufzeit der Anleihe ist, desto höher sind die zwischenzeitlichen Verluste, falls die Zinsen steigen sollten. So verliert etwa ein noch zehn Jahre laufendes Unternehmenspapier mit mittelmäßigem Rating etwa acht Prozent an Wert, wenn die Renditen für gleich lang laufende Bundespapiere um einen Prozentpunkt steigen.
Um dieses Zinsänderungsrisiko zu minimieren, investiert Spezialist Valentiner derzeit in seinem mit Anleihen von Mittelständlern gefüllten Fonds nur in kürzere Laufzeiten von im Durchschnitt „vier bis fünf Jahren“. Daran sollten sich auch private Anleger orientieren.
Papiere in Prozent notiert
Anleger ordern die Anleihen am besten über die Börse in Frankfurt oder eine Regionalbörse wie Stuttgart, an der viele Anleihen gehandelt werden. Wichtig ist – wie bei Aktien auch –, ein Kauflimit zu setzen und etwas Geduld mitzubringen. Denn anders als Aktien werden Anleihen nicht im Minutentakt umgeschlagen, es kann durchaus auch mal Tage dauern, bis ein Kauflimit zum Zuge kommt.
Dabei ist zu beachten, dass Anleihen nicht wie Aktien in Euro und Cent, sondern in Prozent gehandelt werden. Ihr Nominalwert jedoch lautet in Euro. Beispiel: Wer die Stada-Anleihe mit der Kennnummer XS0503278847 kaufen möchte, zahlt zurzeit 104,8 Prozent. Für 1000 Euro Nominalwert müssen Anleger also 1048 Euro hinblättern. Die Rückzahlung der Anleihe erfolgt dann am 21. April 2015 zu 1000 Euro.
Die tatsächliche Kaufsumme einer Anleihe liegt aber immer über der errechneten Summe aus Nominal- und Prozentwert. Das liegt daran, dass der Käufer der Anleihe zum in der Regel jährlichen Zinstermin die volle Zinszahlung für zwölf Monate erhält. Der Pharmaanbieter Stada etwa zahlt für die 2015er-Anleihe jeweils am 21. April vier Prozent auf den Nominalwert, also 40 Euro auf 1000 Euro. Wer nun am 4. März das Papier erwirbt, muss dem Verkäufer die Zinsen erstatten, die seit dem 21. April 2012 aufgelaufen sind. Diese sogenannten Stückzinsen liegen per 4. März 2013 bei knapp 34 Euro. Die Kaufsumme der Stada-Anleihe erhöht sich also. Am Ende investiert ein Anleger also jetzt 1082 Euro um in gut zwei Jahren inklusive Zinsen insgesamt 1120 Euro aus der Stada-Investition zu erzielen. Nicht viel Plus, aber im Falle des hessischen Generikaherstellers eben auch eine sehr sichere Anlage. Wer seinen Sparerfreibetrag (801 Euro) ausgeschöpft hat, dem zieht der Fiskus zudem noch 25 Prozent Abgeltungsteuer (plus Soli und Kirchensteuer) von seinen Zinserträgen ab. Die dem Verkäufer beim Kauf über die Börse gezahlten Stückzinsen dürfen Anleger aber steuerlich mit ihren Zinseinnahmen verrechnen (negative Stückzinsen).
Zudem fallen noch Kosten für den Anleihekauf an. Die Rückzahlung einer Anleihe bei Fälligkeit ist dagegen regelmäßig kostenlos. Bei Direktbanken, die Depots meist gratis führen, liegen die Kosten für einen Anleihekauf über 1000 Euro bei zehn bis zwölf Euro (inklusive Courtage für den Börsenmakler). Filialbanken nehmen noch ein paar Euro mehr.
Dax-Anleihen bringen nichts
Mit dem Depot aus 15 Anleihen lassen sich aus heute knapp 16.300 Euro Einsatz bis Juli 2017 gut 18.500 Euro Auszahlung erzielen. Zum Vergleich: Wer über dieselbe Laufzeit in Anleihen von Dax-Konzernen wie VW, BASF oder Telekom investiert, wäre am Ende nicht um gut 2200 Euro, sondern nur um rund 500 Euro reicher. Steuern und die Kaufkosten von etwa 200 Euro sind in der Depot-Rechnung nicht enthalten, im Gegenzug wird aber auch unterstellt, dass das Geld aus den über die Jahre sukzessive zu 100 Prozent zurückgezahlten Anleihen bis Juli 2017 keine weiteren Zinsen bringt.
Dünne Decke
Wer dieses Ergebnis schaffen will, muss allerdings ein bisschen Mut zum Risiko mitbringen. Anleger kaufen sich neben sehr soliden Papieren wie denen des Mobilfunkvertriebs Freenet oder des Autovermieters Sixt auch in Anleihen von Unternehmen ein, die in den roten Zahlen stecken oder eine dünne Kapitaldecke haben.
Dazu zählen German Pellets. Das Brennstoffunternehmen aus Wismar arbeitet nach letzten verfügbaren Zahlen per Ende Juni 2012 mit einer Eigenkapitalquote von nur 11,1 Prozent. Besser geht es Singulus: Der Maschinenbauer hat eine sehr solide Eigenkapitalquote von 37 Prozent und war per Ende September 2012 netto schuldenfrei. Dennoch ist das Papier riskant, weil die Hessen 2012 bei nur knapp 109 Millionen Euro Umsatz mehr als 60 Millionen Euro Verlust schrieben. Als Zitterprämie gibt es dafür bei der Anleihe knapp 14 Prozent jährliche Rendite, die die Verzinsung des Gesamtdepots ordentlich hebt.
Auch der österreichische Ziegelhersteller Wienerberger rutschte 2012 mit minus 40,5 Millionen Euro tief in die Miesen, plant aber dieses Jahr wieder über dem Strich zu landen.
Immerhin: Von Unternehmen bekommen Anleger solche Zahlen frei Haus. „Bei Unternehmensanleihen habe ich deutlich mehr Transparenz als bei Staatsanleihen. Oder kennen Sie jemanden, der die Haushaltspolitik der Euro-Länder durchblickt?“, fragt Valentiner. Wohl wahr. Und mit Wahlprognosen und -analysen müssen sich Investoren dann auch nicht herumschlagen.