Nutmeg ist so, wie sich Anleger einen Berater wünschen: emotionslos, zielgerichtet und an den Wünschen des Kunden orientiert. Er hilft derzeit Lucy und Tom Watkins. Das Ehepaar, beide Mitte 30, hatte sich kürzlich an einen Finanzexperten ihrer Bank gewandt, um über ihre private Altersversorgung zu sprechen.
Doch der Vermögensberater servierte sie kurzerhand ab. „Weil unser Vermögen nicht groß genug war, sagte der Berater, er wolle weder seine noch unsere Zeit verschwenden“, so Tom Watkins. Jetzt verwaltet Nutmeg die 500 Pfund Sterling, die der Rechtsanwalt und seine Frau regelmäßig monatlich anlegen wollen – umgerechnet immerhin 7700 Euro im Jahr.
Nutmeg ist ein sogenannter Robo-Advisor, ein automatisierter Anlageberater. Hinter ihm steht ein Algorithmus, der Anlegern – ausgehend von deren Risikoneigung – verschiedene standardisierte Portfolios vorschlägt, in die sie ihr Geld investieren können. Das Computerprogramm setzt meist auf Strategien, die sich über Indexfonds und börsengehandelte Investmentfonds (ETFs) umsetzen lassen. Diese Produkte bilden eine Vielzahl von Aktien oder Anleihen ab – Ländermärkte, einzelne Währungsräume oder auch globale Märkte. Die Fondstypen sind dabei besonders günstig: Je nach Anlagesumme berechnet Nutmeg nur zwischen 0,30 und 0,95 Prozent verwalteten Vermögens als Gebühren. Ein traditioneller Vermögensverwalter verlangt meist 1,0 bis 3,0 Prozent.
So sieht die Geldanlage der Deutschen aus
35 Prozent der Deutschen haben eine Lebensversicherung abgeschlossen.
Fast ebenso viele, nämlich 32 Prozent, besitzen einen Bausparvertrag oder Bausparplan.
In Deutschland besitzen 29 Prozent der Bürger ein Tagesgeldkonto.
Ebenso viele, nämlich 29 Prozent, sehen ihre Immobilie als Geldanlage an.
20 Prozent besitzen Fondsanteile, 17 Prozent Festgeld/Termingeld und 12 Prozent Aktien.
Deutlich geringer ist dagegen der Anteil der Edelmetallbesitzer: sieben Prozent haben in Goldbarren oder -münzen investiert und vier Prozent zählen Silberbarren oder -münzen zu ihrem Besitz.
Sechs Prozent sehen ihre Antiquitäten (z. B. einen sehr alten Schrank) als Geldanlage und vier Prozent besitzen wertvolle Kunstgegenstände.
Jeweils zwei Prozent haben Geld in Anleihen bzw. Zertifikate angelegt.
Leibhaftige Menschen als Finanzberater aber sind für viele Sparer in Großbritannien nicht mehr attraktiv. Denn seit gut drei Jahren ist ein weitreichendes Provisionsverbot in Kraft – Anleger müssen Berater seither direkt bezahlen. Viele Investoren mit kleinen Depots sind jedoch nicht bereit, ein Stundenhonorar von durchschnittlich 150 Pfund zu zahlen.
Platzhirsche unter Druck
Sie finden dann keine Ansprechpartner mehr, haben aber großen Beratungsbedarf. Denn seit April 2015 muss jeder Brite, der das 56. Lebensjahr erreicht, nicht mehr bis zur Rente warten, um über seine Ansprüche aus privaten Pensionstöpfen zu verfügen. Die Briten dürfen seither vorzeitig an ihr Geld heran. Viele wollen das dort angesammelte Kapital nun selbst anlegen.
Robo-Anbieter sehen deshalb großes Potenzial in Großbritannien. Die britische Finanzaufsicht FCA hat sich auf die Fahne geschrieben, die Start-ups optimal zu fördern. Und für das Finanzministerium ist klar: „Wir wollen das führende Fintech-Zentrum der Welt werden.“ Die FCA plant unter anderem in diesem Frühjahr die Einführung eines sogenannten „Sandkastens“, der jungen Robo-Beratern die Möglichkeit geben soll, ohne große Regulierung Lösungen auszuprobieren. Bisher mussten neue Anbieter oft so viele Bestimmungen erfüllen, dass ihr Produkt es erst gar nicht an den Markt schaffte.
Auch in Deutschland experimentieren Großbanken mit automatisierter Anlageberatung. Die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken Union Investment zum Beispiel bietet mit Visualvest einen Robo-Advisor. Die Platzhirsche angreifen wollen junge Fintechs wie Vaamo oder Scalable Capital. Scalable hat sich dabei gleich eine Lizenz als Vermögensverwalter für beide Märkte – den deutschen und britischen – gesichert. Ein Standortvorteil per se ist Großbritannien nicht: Die deutsche Finanzaufsicht BaFin habe die Genehmigung schneller ausgestellt als die britische, sagt Scalable-Co-Gründer Erik Podzuweit.
Im April geht es auf der Insel los, drei Monate nach dem Start in Deutschland, der erfolgreich ist: 500 Depots zählt das junge Unternehmen bereits. „Wir versuchen in England und Deutschland die gleichen Kunden anzusprechen“, sagt Podzuweit. „Sie haben schon Erfahrung und wissen, was ein ETF oder ein Indexfonds ist.“