
Ohne ein Girokonto lässt sich das Leben kaum meistern. Wer keines besitzt, bekommt keinen Job, findet keine Wohnung, erhält keine Steuerrückzahlung. Ein Girokonto erleichtert nicht nur den Alltag, es ist lebenswichtig. Auch für Flüchtlinge.
Doch für sie war es in Deutschland lange Zeit sehr schwer, ein Konto zu eröffnen. Viele haben die dazu notwendigen Ausweisdokumente auf der Flucht verloren - manche mit Absicht. Die Bundesfinanzaufsicht (Bafin) hat deshalb eine neue Verordnung beschlossen: Seit Januar reicht für die Kontoeröffnung die Bestätigung einer Ausländerbehörde, in der die Identität des Antragstellers vermerkt ist. Doch der zusätzliche bürokratische Aufwand stellt vor allem kleinere Banken vor Herausforderungen.
Was Flüchtlinge dürfen
Wer eine sogenannte Aufenthaltsgestattung bekommt, darf nach drei Monaten in Deutschland eine betriebliche Ausbildung beginnen. Wer geduldet ist, kann vom ersten Tag an eine Ausbildung machen. In beiden Fällen ist jedoch eine Erlaubnis durch die Ausländerbehörde nötig.
Gleiches gilt für Praktika oder den Bundesfreiwilligendienst beziehungsweise ein freiwilliges, soziales Jahr: Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach drei Monaten ohne Zustimmung der ZAV damit beginnen, wer den Status „geduldet“ hat, darf das ab dem ersten Tag.
Wer studiert hat und eine Aufenthaltsgestattung besitzt, darf ohne Zustimmung der ZAV nach drei Monaten eine dem Abschluss entsprechende Beschäftigung aufnehmen, wenn sie einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzen und mindestens 47.600 Euro brutto im Jahr verdienen werden oder einen deutschen Hochschulabschluss besitzen (unabhängig vom Einkommen).
Personen mit Duldung können dasselbe bereits ab dem ersten Tag des Aufenthalts.
Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach vierjährigem Aufenthalt jede Beschäftigung ohne Zustimmung der ZAV aufnehmen.
„Ohne Konto ist ein Flüchtling, wie jeder andere auch, nur ein halber Mensch“, sagt Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des NRW-Flüchtlingsrats in Bochum. In der Regel gilt: Sobald Flüchtlinge registriert sind und die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen, erhalten sie Geldleistungen von der Kommune, der sie zugewiesen wurden. „Spätestens dann wird ein Konto superwichtig“, betont Naujoks; und später sowieso, etwa bei der Jobsuche: „Kein Arbeitgeber stellt jemanden ein, der kein Konto besitzt.“
Der Referent für Kredit und Entschuldung bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Christoph Zerhusen, stimmt ihr zu und nennt weitere Argumente: „Wenn sämtliche Leistungen in bar ausgezahlt werden, führt das zu unkontrollierbaren Bargeldströmen.“ Hinzu komme, dass Bargeld nur schlecht in den Flüchtlingsunterkünften versteckt und gelagert werden könne: „Immer wieder kommt es dort deshalb zu Konflikten“, sagt Zerhusen. Er hält es deshalb für obligatorisch, dass jeder Asylbewerber auch ein eigenes Konto bekommt. Das hat auch die Bafin erkannt und die Hürden des Identitätsnachweises bei der Kontoeröffnung abgebaut.
Bei der Umsetzung der neuen Regeln haben aber vor allem kleinere Banken und Direktbanken noch Schwierigkeiten, glaubt Zerhusen: „Diese Banken haben meist nicht viele Filialen, sodass der organisatorische Aufwand dort sehr groß ist, etwa was den Schriftverkehr mit den Behörden oder den Einsatz von Dolmetschern angeht.“ Doch auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken müssen improvisieren.
Allein bei der Sparkasse Bielefeld hätten im vergangenen Jahr rund 5000 Asylbewerber ein Konto eröffnet, beschreibt eine Sprecherin die Lage. Weil das im Normalbetrieb nicht mehr zu bearbeiten war, wurde in der Stadt nun eine stillgelegte Geschäftsstelle wieder eröffnet - ausschließlich für Flüchtlinge. Drei Mitarbeiter kümmern sich dort am Vormittag um die Kontoeröffnungen der Neuankömmlinge.
In anderen Städten in NRW führen Sparkassen neue Öffnungszeiten ein, zu denen nur Flüchtlinge kommen dürfen. Oder Mitarbeiter gehen direkt in die Unterkünfte, um Kontos zu eröffnen. Auch zu den Genossenschaftsbanken kommen Asylsuchende. Dort könnten die Anfragen bislang aber gut bewältigt werden, hieß es beim Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverband.
Der abgeschwächte Identitätsnachweis, den die Flüchtlinge bei der Kontoeröffnung vorweisen müssen, birgt allerdings auch Risiken: „Vor allem international agierende Banken könnten durch diese Sonderbestimmungen gegen die Gesetze anderer Länder verstoßen“, befürchtet der Geschäftsführer des Bankenverbands NRW, Franz-Josef Arndt. Auch Missbrauch sei nicht ausgeschlossen.
Der Flüchtlingsrat ist jedoch erstmal zufrieden. „Wenigstens was die Kontoeröffnungen angeht, ist jetzt erstmal etwas Ruhe eingekehrt“, sagt Geschäftsführerin Naujoks.