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Bain-Studie Deutsche Banken vor Job-Kahlschlag

Viele Geldhäuser haben schon massive Stellenstreichungen angekündigt. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Bain könnte das erst der Anfang sein.

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Über der Frankfurter Bankenwelt ziehen sich dunkle Wolken zusammen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Wer dachte, dass Banken nach der Finanzkrise und Niedrigzinsphase aus dem Gröbsten heraus seien, hat sich getäuscht. Im Gegenteil: Das Schlimmste kommt erst noch. Nach den desaströsen Zahlen, die das Beratungsunternehmen Bain & Company zu Tage gefördert hat, ist der jüngst bekannt gegebene großdimensionierte Jobabbau etwa bei der Deutschen Bank oder der HypoVereinsbank nur der Auftakt zu einem noch größeren Stellenstreichkonzert, bei dem die gesamte Bankenbranche mitspielen wird.

Vor wenigen Tagen hat Michael Kemmer, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, die Kreditinstitute sowie deren Mitarbeiter und Kunden auf eine „freudlose Kostenquetscharie“ eingestellt. Die Bain-Berater liefern jetzt die konkrete Partitur für diese Arie nach. Und die hat es in sich.

Hier machen Banken Filialen dicht
Zehn Jahre lang hat die Sparkasse Wetzlar ihr Filialnetz nicht angefasst. Jetzt kommt der große Umbau: 15 von 49 Filialen will das Geldhaus aus dem hessischen Fachwerkstädtchen schließen, also gut 30 Prozent. 26 statt bisher 42 Geschäftsstellen sollen bis Ende 2016 noch mit Personal besetzt sein. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir auf geänderte Kundenanforderungen und betriebswirtschaftliche Belastungen reagieren müssen“, sagt Sparkassenchef Norbert Spory (im Bild). Quelle: Handelsblatt Online
Die Kunden gehen immer weniger in die Bankfiliale. Filialschließungen stoßen trotzdem oft auf Unmut. Zum Beispiel im Wetzlarer Ortsteil Garbenheim. Die Bürger sammelten Unterschriften gegen die Filialschließung, der Sparkassenchef musste seine Pläne im Ortsbeirat verteidigen. Immerhin: Bargeld abheben können die Garbenheimer Sparkassenkunden womöglich künftig bei einem Lebensmittelladen. Eine Reportage über das Filialsterben lesen Sie hier. Quelle: Handelsblatt Online
Zusammen kommen die 416 deutschen Sparkassen noch auf mehr als 12.000 mit Mitarbeitern besetzte Filialen. Vor zehn Jahren waren es noch rund 19.000. Es wurden also schon etliche Filialen geschlossen, im vergangenen Jahr allerdings schrumpfte die Zahl nur leicht. Das wird sich nach Einschätzung von Experten nun ändern. Sie gehen davon aus, dass etliche Sparkassen in den nächsten Jahren 20 bis 30 Prozent der Filialen streichen. Quelle: Handelsblatt Online
Die Sparkasse Duisburg feiert einmal im Jahr eine Gala (im Bild: Kabarettist Wolfgang Trepper). Doch für Schlagzeilen sorgte zuletzt, dass die Sparkasse Duisburg zwar mehr Geldautomaten aufstellen möchte – bis 2022 aber die Hälfte der mit Mitarbeitern besetzen Geschäftsstellen schließen, wie sie Ende Mai ankündigte. Das Institut verweist darauf, dass die heutige Filialdichte „in weiten Teilen aber dem Netz der 80iger Jahre“ entspreche. Damals allerdings hatte Duisburg noch mehr Einwohner als heute. Quelle: IMAGO
Im sächsischen Landtagswahlkampf spazierte Kanzlerin Angela Merkel im Sommer 2014 durch Annaberg-Buchholz – im Hintergrund eine Sparkassen-Filiale. Auch die Erzgebirgssparkasse dampft ihr Filialnetz ein. Nach der Fusion mehrerer Institute wurden binnen kurzer Zeit 38 von 95 Filialen geschlossen. Auch hier regte sich Protest. Immerhin: An Bargeld kommen die Kunden nun auch in 30 sogenannter Agenturen – oft Geschäfte, die im Auftrag der Sparkasse diese Dienstleistung übernommen haben. Darunter ist beispielsweise ein Fahrradladen. Quelle: dpa
Auch die Sparkasse Osnabrück will ihr Filialnetz ausdünnen. 17 von 58 Filialen sollen geschlossen werden. Investieren will das Geldhaus – wie andere Sparkassen auch – unter anderem in das Onlinebanking und in die Kundenbetreuung per Telefon und Chat. Trotzdem ist Sparkassenchef Johannes Hartig die Präsenz vor Ort wichtig. „Das Filialnetz ist und bleibt der genetische Code unserer Sparkasse!“, sagt er. Quelle: IMAGO
Zu den Sparkassen, die jetzt Filialen in größerem Stil streichen, gehört auch die Sparkasse Koblenz. Sie macht zehn von 48 Zweigstellen zu. „Wir müssen die Sparkasse jetzt so aufstellen, dass sie den geänderten Anforderungen unserer Kunden gerecht wird und für die künftigen Herausforderungen gewappnet ist. Wir dürfen nicht warten, bis es für eine positive Beeinflussung vielleicht zu spät ist“, sagt Sparkassenchef Matthias Nester. Trotzdem sind auch für ihn die Geschäftsstellen der „genetische Code unserer Sparkasse“. Quelle: IMAGO

Weil die Banken so schlecht verdienen, müssen sie laut Bain in den kommenden zehn Jahren in Deutschland 125.000 Stellen abbauen. Weitere 115.000 Arbeitsplätze, so schätzt das Beratungsunternehmen, werden in Servicegesellschaften ausgelagert. Diese Jobs existieren dann zwar noch, aber nicht mehr in den Banken selbst – und bieten deutlich schlechtere Konditionen für die Arbeitnehmer.

Die wenigsten Banken verdienen ihre Kapitalkosten

Warum sind Umstrukturierungen in dieser Größenordnung nötig? Laut Bain-Diagnose verdienen nicht einmal sechs Prozent der deutschen Banken ihre Kapitalkosten. Zwar erzielen sie im Schnitt eine positive Eigenkapitalrendite von 2,1 Prozent, machen damit aber insgesamt 25 Milliarden Euro weniger Gewinn, als zur Deckung der Kapitalkosten von 7,7 Prozent nötig wären.

Verbrennen Banken also Geld? Nein, denn mit dem Konzept der Kapitalkosten betrachtet die Bain-Studie die Banken durch die Brille eines ungebundenen Investors, der sein Geld auch in allen anderen Bereichen der Wirtschaft anlegen könnte und daher die durchschnittliche Rendite am Kapitalmarkt in sein Kalkül einbezieht. Setzt man diesen allgemeinen Maßstab an, schneiden Banken als Investments schlechter ab als der Rest des Kapitalmarkts. Und das, obwohl sie Gewinn erzielen.

Die zehn wichtigsten jungen Finanzdienste aus dem Internet

Zur Relativierung muss man an dieser Stelle sagen, dass die Eigentümer vieler Banken keine Kapitalmarktinvestoren sind und daher andere Maßstäbe anlegen. Kommunale Sparkassen, kundeneigene Volksbanken und natürlich Landesbanken oder staatliche Förderbanken haben einen anderen Auftrag, als ihren Anteilseignern den maximalen Gewinn zu liefern. Sie sollen Verbraucher und Unternehmen in der Fläche mit Konten und Krediten versorgen und damit einen gesellschaftlich und volkswirtschaftlich erwünschten Beitrag leisten.

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