Wie einflussreich Kryptowährungen im kriminellen Milieu mittlerweile sind, das kann die Frankfurter Generalstaatsanwalt an einer Zahl ablesen: Seit 2019 haben die Juristen Kryptowährungen im Wert von 100 Millionen Euro beschlagnahmt. „Kryptowährungen sind das Zahlmittel der Cybercrime. Das Aufkommen steigt – und das bedeutet immer mehr Arbeit für uns“, sagt Oberstaatsanwältin Jana Ringwald. Immer mehr Kriminelle wickeln ihre Geschäfte mit Kryptowährungen wie Bitcoin und Co. ab – und die Strafverfolger arbeiten mit Hochdruck daran, sie zu überführen und die Coins zu beschlagnahmen.
So entsteht ein beachtlicher Vermögenswert. Nun gehören Krypto-Spekulationen allerdings nicht zum Mandat der Generalstaatsanwaltschaft. „Wir zocken nicht“, betont Ringwald. „Wir warten nicht auf den passenden Zeitpunkt, um die Coins gewinnbringend zu verkaufen, sondern wollen einen marktgerechten Preis erzielen.“ Eine Versteigerung, wie sie das NRW-Justizministerium im Oktober mit beschlagnahmten Kryptowährungen durchführte, lehnt die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft ab. Neben Bürostühlen und Autos standen da Bitcoins zur Auktion – und wurden teurer verkauft als marktüblich. (Warum die Krypto-Kurse so stark schwanken, erfahren Sie hier.)
Die Lösung liegt für Frankfurts Justiz nun in einer Kooperation mit dem Bankhaus Scheich, das ebenfalls in der Bankenmetropole sitzt. Der Wertpapierspezialist verfügt über die notwendigen Lizenzen für den Handel mit Kryptowährungen. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt schloss mit Scheich jüngst einen Rahmenvertrag zur Verwertung der sichergestellten Kryptowährungen. Heißt: Das Bankhaus sollte die Coins wieder auf den Markt bringen.
Eine komplexe Aufgabe, denn die Coins können nicht einfach direkt an gängigen Kryptohandelsplätzen wie Coinbase oder Kraken angeboten werden. Nils von Schoenaich-Carolath ist beim Bankhaus Scheich zuständig für digitale Vermögenswerte und sagt: „Wir mussten sicherstellen, dass die Transaktion nicht den Markt beeinflusst.“
Das Volumen, das das Bankhaus Scheich abwickelte, war nämlich gigantisch. Die Beschlagnahmung bestand nicht nur, aber hauptsächlich aus Bitcoins. Gemessen am aktuellen Kurs von etwa 48.700 Dollar (Stand: 21. Dezember) galt es, schätzungsweise 2000 Bitcoins in Umlauf zu bringen. Andere Krypto-Coins kamen noch hinzu. In der Bitcoin-Welt bezeichnet man Investoren mit über 1000 Coins als Wale – sie können mit einem einzigen Trade den Kryptomarkt massiv bewegen. Die beschlagnahmten Coins machten immerhin 0,01 Prozent des gesamten aktuellen Bitcoin-Bestands weltweit aus.
Langfristige Partnerschaft geplant
Um die Kurse durch die hohe Zufuhr an Kryptowerten nicht zu manipulieren, griff das Bankhaus Scheich auf seine Partnerplattformen zurück. Insgesamt arbeitet es mit 20 institutionellen Handelspartnern zusammen, die die Coins „wieder in den normalen Kreislauf brachten“, so Schoenaich-Carolath.
Innerhalb einer Woche verkaufte der Wertpapierspezialist die Coins bis zum 20. Dezember, nach und nach. Beim Handel mit hohen Volumina kennt sich das Bankhaus Scheich aus. Eigenangaben zufolge transferiert es monatlich Einlagen im einstelligen Milliardenbereich.
Die Handelsplattformen sorgten außerdem dafür, dass die Coins wieder sauber wurden. Wegen der kriminellen Geschäfte waren sie eigentlich aus dem Handelskreislauf ausgeschlossen worden.
Dabei musste das Bankhaus Scheich aber auch über seinen Schatten springen, wie Krypto-Experte Schoenaich-Carolath betont. Denn auch Monero-Coins gehörten zu den beschlagnahmten Digitalmünzen. „Solche Kryptowährungen schließen wir als reguliertes Institut eigentlich aus. Dass wir die Veräußerung durchführen ist nur eine Ausnahme, weil wir mit dem Staat eine Kooperation eingegangen sind“, sagt er.
Monero gilt als dunkler Zwilling des Bitcoins. Anders als die bekannteste Kryptowährung ist Monero nämlich wirklich anonym und erschwert so eine Rückverfolgung. Wenn Kriminelle mit dem Coin bezahlen, lässt sich das kaum zurückverfolgen.
Der Bitcoin dagegen ist nur pseudonym. Die Adresse einer Bitcoin-Wallet besteht zwar aus einem kryptografischen Code und kann nicht auf eine Person zurückgeführt werden. Aber irgendwann wollen die Kriminellen sich das Geld auszahlen lassen – und brauchen dafür ein Referenzkonto.
Für das Bankhaus Scheich ist der Deal mit der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft insgesamt ein gutes Geschäft. Das Fiatgeld, das durch die Verwertung der Kryptowerte freigesetzt wird, geht natürlich wieder in die Staatskasse. Doch das Bankhaus verdient an den Geschäften, so wie bei anderen Handelsumsätzen auch.
Auch die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft zeigt sich zufrieden – und plant mit dem Bankhaus Scheich eine langfristige Partnerschaft. Schon bald würden die nächsten Verwertungspakete weitergereicht. Und auch künftig wird es im Kampf gegen kriminelle Krypto-Nutzer wohl genug zu tun geben.
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