Bert Flossbach im Interview "Der größte Fehler wäre, jetzt noch gute Aktien zu verkaufen"

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"Das Endspiel um den Euro hat begonnen"

Kann sie das noch?

Durchaus. Der Staat hat noch Spielraum. Chinas Gesamtverschuldung – die Schulden aller Unternehmen, Banken, des Staates und der Privatleute – liegt bei 250 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, des BIPs. Im Unterschied zu Europa liegt nur ein kleiner Teil davon, etwa 42 Prozent, beim Staat. Der könnte den Banken und Firmen die Schulden notfalls abnehmen. Würde der Staat alle Schulden auf sich nehmen, verdoppelte sich seine Schuldenlast grob geschätzt auf 80 Prozent des BIPs. Damit wäre er immer noch sehr handlungsfähig. Davon können Europa oder Japan nur träumen.

Bankaktien kollabieren, Kredite drohen auszufallen. Laufen wir in eine neue Finanzkrise, wie 2008?

Die Regulierung nach der Finanzkrise hat vor allem in den USA gegriffen, in Europa sind die Banken immer noch unterkapitalisiert und zu riskant investiert. Hinzu kommen Rechtsstreitigkeiten und komplexe Finanzprodukte. Bankbilanzen sind für Anleger kaum noch nachvollziehbar. Wir raten daher nicht zur Schnäppchenjagd bei Bankaktien und -anleihen.

Und kann die Bankenmisere die Märkte weiter drücken?

Ja, aber Qualitätsaktien werden dadurch noch interessanter. „Die Aktienmärkte“ gibt es weniger denn je. Einzelne Aktien werden sich im Rest des Jahres sehr unterschiedlich entwickeln. Das Geschäft eines schuldenfreien, wachsenden Unternehmens wie Google hat mit dem einer Großbank nichts zu tun. Beides sind Aktien, aber die Kurse laufen an vielen Tagen entgegengesetzt.

Es gibt ein Systemrisiko. Banken können andere Branchen und Staaten mit sich reißen, wie wir in der Finanzkrise gelernt haben...

Theoretisch ja. Praktisch würden die Zentralbanken systemrelevante Banken erneut retten. Es würden noch mehr Schulden gemacht, und noch mehr frisches Geld würde gedruckt. Langfristig wird es Inflation geben.

Was sollten Anleger tun?

Gold und Aktien stabiler Konzerne nachkaufen. Das Endspiel um den Euro hat begonnen: Die Flüchtlingskrise zeigt die mangelnde Homogenität der Euro-Zone, die aber Voraussetzung für eine gemeinsame Währung ist. Aber nicht nur der Euro hat langfristig ein Problem, auch die anderen Währungen. Der Abwertungswettlauf kennt nur einen Sieger: Wir haben Gold zugekauft und unsere Quote von 8,0 auf 10,5 Prozent erhöht. Es wird weiter keine normalen Zinsen geben. Allein mit der Dividende guter Aktien wie Nestlé, Apple oder Procter & Gamble wird man langfristig jede Zinsanlage schlagen. Dazu kommen Chancen auf steigende Kurse. Der größte Fehler wäre, jetzt noch panisch gute Aktien zu verkaufen.

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