Bis zu 130 Prozent Rendite Profis kaufen Argentinien-Anleihen – sind die wahnsinnig?

In Argentinien gibt es wie in ganz Südamerika Proteste, das Land schlittert von einer Krise in die nächste. Lässt sich hier noch sicher anlegen? Quelle: REUTERS

Argentinien steht kurz vor der Pleite, trotzdem kaufen Profi-Anleger Anleihen des südamerikanischen Landes ein. Auf der Suche nach dem richtigen Bond.

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Das Angebot ist verlockend: 130 Prozent Rendite für ein Jahr bietet ein Argentinien-Papier, und das auch noch in Schweizer Franken. Oder 18 Prozent jährlich für die nächsten knapp 100 Jahre – wenn das kurz vor der Pleite stehende Land seine Schulden bedienen kann.

Das ist dann auch der Haken: Den Traumrenditen der Argentinien-Anleihen stehen gigantische Risiken gegenüber. Trotzdem kaufen Profis. Jochen Felsenheimer etwa, Portfoliomanager und Chef des Derivatespezialisten Xaia in München. Beim letzten WirtschaftsWoche-Roundtable fragte ich ihn nach Anleihen, mit denen sich noch was verdienen lässt – sicheren und spekulativen. Felsenheimer antwortete: „Mit sicheren Sachen kenne ich mich nicht so gut aus. Chancen bietet Argentinien.“

Auf einer Konferenz der Fondsgesellschaft Lupus Alpha, ebenfalls Anfang November, trat Mohammed El Erian auf, einst der strategische Kopf der von Bond-Legende Bill Gross gegründeten Fondsgesellschaft Pimco, heute Berater der Allianz. Kein Mensch auf der Welt versteht mehr von Anleihen als El Erian. Und auch er hat Argentinien gekauft: „Als Argentinien ihre 100-jährige Anleihe zu 7,125% begeben hat, da habe ich gelacht. Vor ein paar Wochen habe ich aber die Anleihe bei rund 30 [Cent je $1 Nennwert] gekauft“, so El-Erian laut Branchendienst Citywire.

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Auf 100 Jahre gerechnet wären das bei diesem Bond um die 19 Prozent Rendite – ein Traum, wenn Argentinien brav zahlt, wovon wohl niemand auf der Welt ausgeht. Argentinien geht eigentlich alle zehn bis 20 Jahre pleite, der letzte Staatsbankrott war 2001 – der nächste ist überfällig. Und wird allgemein erwartet.

Vor 2001 waren übrigens Argentinien-Anleihen für hunderte Millionen an deutsche Kleinanleger verkloppt worden – viele Depots haben sich bis heute davon nicht erholt. Aber Kursgewinne und ein paar Jahre sieben Prozent Kupon könnten auch bei einer Hundertjährigen drin sein, denke ich, zumal die sieben Prozent von 100 bei einem aktuellen Kurs von 40 ja schon 18 Prozent Rendite wären.

Die hundertjährige Anleihe hat die Kennnummer A190E8, im September stand sie schon mal bei um die 35 Prozent, das müsste sie sein, die El Erian meint. An der Börse Stuttgart bekomme ich sie zu Preisen um die 40 Prozent. El Erian hat um die 30 bezahlt, nun gut, der hatte die Idee und war schneller. Aber das Teil könnte ja weiter laufen.

Also öffne ich mein Comdirect-Depot, kurzer Check: Ich muss nicht 100.000 Dollar einsetzen, wie heute bei vielen Anleihen, es geht ab 1000 Dollar los. Die Enttäuschung folgt sofort: Als ich ordern will, poppt ein Schriftzug auf: „Kein Basisinformationsblatt verfügbar“, ich darf sie nicht kaufen. Zweiter Versuch bei Consors: Das selbe. Den Bond und die 19 Prozent Rendite bis 2117 kann ich mir abschminken. Wieder mal ein Bond, der aufgrund absolut widersinniger Regularien nicht für Privatanleger handelbar ist. Durchaus kein Einzelfall, wie ich schon vor einiger Zeit geschrieben habe.

Anruf bei Felsenheimer: Was für Argentinien-Deals macht er? „Wir kaufen die Anleihen und sichern sie mit CDS ab,“ sagt er. CDS sind Kreditausfallversicherungen. Der Anleger zahlt ein paar Prozent Prämie und bekommt dafür, wenn ein Emittent pleitegeht, seinen Schaden ersetzt. Anleihen einfach kaufen und halten ist den Xaia-Managern zu simpel – und viel zu riskant. Sie versuchen immer, von Bewertungsunterschieden zu profitieren, von kleinen Kursdifferenzen zwischen verschiedenen Papieren, die falsch gepreist sind, deren Risiken sich aber ausgleichen. Im Moment läuft etwa die Wette, dass Xaia Buenos Aires-Anleihen kauft und die mit Argentinien-CDS absichert.

Das nachzumachen, ist kaum möglich. Erstens sind di25277184e Prämien auf Argentinien gigantisch (Fünfjahres-CDS kosten 46 Prozent). Zweitens kommen Privatanleger in den CDS-Markt nicht rein. Und drittens werde ich kaum ausrechnen können, ob jetzt Buenos Aires-Bonds zu billig und Argentinien-CDS zu teuer sind – oder umgekehrt.

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Mit welcher Anleihe macht Felsenheimer denn diese Deals? Es ist ein Buenos Aires-Bond mit 9,95 Prozent Kupon, Laufzeit bis Juni 2021. Nichts außergewöhnliches auf den ersten Blick. Aber Felsenheimer hat die Anleihebedingungen gelesen: 50 Prozent soll die Provinz Buenos Aires demnach im Juni 2020 zurückzahlen. Das könnte hinhauen: „Argentinien braucht länger bis zur Pleite, es fällt nicht vorher aus,“ sagt Felsenheimer.

Klingt plausibel. Die Regierung muss sich etablieren, es wird verhandelt, abgestimmt, verzögert, bis zur Staatspleite kann es noch dauern, trotz spendabler neuer Linksregierung. Und wenn sich Felsenheimer täuschen sollte, ist er ja durch den CDS abgesichert.

Die Anleihe notiert aktuell ebenfalls bei 40 Prozent. Sie wird auch in Deutschland gehandelt, Mindeststückelung sind allerdings 150.000 Euro – wer hier mitzocken will, müsste 60.000 Euro (40 Prozent) in die Hand nehmen. Geht die Wette auf, bekäme ich im Juni 50 Prozent von 150.000, also 75.000 Euro zurück – und eine Chance auf mehr. Klingt verlockend, ist aber schon ein ganz schön hoher Einsatz. Und eine immer noch riskante Wette, denn, anders als Xaia, kann ich mich nicht absichern. Hebt die argentinische Regierung bis Juni 2020 die Hand, droht der Totalverlust.

Was kann mir Felsenheimer noch sagen? „Regel Nummer eins: Keine Anleihen kaufen, die nach argentinischem Recht aufgelegt wurden.“ Solche mit Gerichtsstand in London oder New York bieten höhere Chancen, doch noch an sein Geld zu kommen. Das war auch bei Griechenland-Anleihen so. Manche internationalen Papiere wurden bedient, während die nationalen ausfielen. Hedgefonds kamen teilweise zu 20 Prozent an Griechenland-Bonds und konnten ihren Einsatz fast verfünffachen. Argentinische Anleihen in Dollar oder Euro sind fast alle nach ausländischem Recht aufgelegt. Das passt also.

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