Bitcoin, Ether und Co. Nach dem Übernahme-Aus droht FTX die Insolvenz: Wie sicher sind Kryptobörsen?

Der Streit zwischen FTX-Mitgründer Sam Bankman-Fried und Binance hat zu heftigen Verwerfungen am Kryptomarkt geführt. Quelle: Getty Images (2)

Die geplatzte Übernahme der Kryptobörse FTX durch Binance belastet den Markt. Für Anleger drängt sich die Frage auf: Ist ihr Geld selbst bei den großen Börsen nicht mehr sicher?

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Sam Bankman-Fried inszenierte sich lange als Retter in der Fintech-Welt. Der 30-Jährige mit wuscheligen Haaren und schlabbrigen T-Shirts stützte noch im Mai die strauchelnde Aktie des US-Brokers Robinhood mit einem 648-Millionen-Dollar schweren Investment und sprang bei kriselnden Kryptoprojekten wie BlockFi oder Celsius ein. Doch nun steckt auch das Unternehmen des Krypto-Heilsbringers Bankman-Fried in Schwierigkeiten: FTX, die drittgrößte Kryptobörse der Welt, leidet nämlich unter Liquiditätsengpässen.

Nun ist nach langem Hin und Her die erst am Dienstag angekündigte Übernahme durch Binance gescheitert. Das teilte der Krypto-Marktführer am Mittwochabend über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Nachdem Einsichten in die Bücher von FTX nehme die Börse Abstand von einer möglichen Übernahme. Offenbar gebe es eine Milliardenlücke zwischen Verbindlichkeiten und Vermögenswerten, berichtet der Nachrichtendienst Bloomberg unter Berufung auf Insider.

Für den gesamten Sektor erwächst das zum Problem, die Kurse von Bitcoin und Co. gaben abermals nach: Der Kryptomarkt ist eng verwoben. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass Kursbeben bei Bitcoin und Co. nicht selten einen Dominoeffekt auslösen. Das hat Folgen für Anleger. Ihnen drohen nicht nur Kursverluste – sondern auch Verluste, wenn ihre Kryptobörse insolvent geht.

Die Sorge ist begründet: Kryptohandelsplätze verdienen über Gebühren am Handel mit Kryptowährungen. Seit Jahresbeginn, als die Notenbanken wegen der hohen Inflation die Zinswende einleiteten, ging das Handelsvolumen am Kryptomarkt deutlich zurück – und damit auch die Einnahmen der Handelsplätze.

Anlegergeld im Insolvenzfall nicht geschützt

Coinbase beispielsweise vermeldete vergangene Woche einen Nettoverlust in Höhe von 545 Millionen Dollar fürs dritte Quartal. Und auch die Massenentlassungen der vergangenen Monate bei Coinbase und anderswo sind für Kryptoanleger nicht gerade vertrauenerweckend.

Verbraucherschützer, die ohnehin zu einer gewissen Skepsis gegenüber Bitcoin und Co. neigen, raten Anlegern stets, nur an lizenzierten Handelsplätzen mit Kryptowährungen zu handeln. Gerade am Markt für Digitalwährungen operieren viele Akteure, die keine Genehmigung einer Finanzaufsicht haben. Doch auch bei lizenzierten Anbietern wie Coinbase ist das Anlegergeld im Insolvenzfall nicht geschützt.

Denn: Wer bei einer Kryptobörse eine Wallet – eine Art digitale Geldbörse – eröffnet, gibt den Schlüssel („Private Key“) zu seinen Kryptowerten an den Verwahrer. Der Handel über solche Plattformen hat den Vorteil, dass er simpel und anwenderfreundlich ist.

Für diese Bequemlichkeit zahlen Kunden allerdings einen hohen Preis: Ihre Krypto-Assets sind eben bei der Börse oder dem jeweiligen Vertragspartner hinterlegt und können im Falle einer Insolvenz als Firmenvermögen betrachtet werden. Beim Bankrott des Anbieters könnten Anleger also ihre Einlage verlieren. Negativbeispiele sind Bitgrail, Cryptsy oder Mt. Gox.

Das gilt nicht nur für Kryptobörsen, sondern auch für Neobroker. Auch hier können Anleger mit Bitcoin und anderen Cyberdevisen handeln. Neobroker wie Trade Republic oder Scalable verwahren die Vermögenswerte nicht im eigenen Haus, sondern auf separaten Konten von Geschäftsbanken.

Hier sind Kundenvermögen bis zu einer Höhe von 100.000 Euro durch die gesetzliche Einlagensicherung geschützt. Die meisten Banken sind überdies Mitglied in der freiwilligen Einlagensicherung, sodass Kunden mit deutlich höheren Einlagen im Ernstfall komplett entschädigt werden. Aber: „Für Geschäfte mit Cryptowerten besteht keine gesetzliche Entschädigungseinrichtung“, heißt es zum Beispiel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Berliner Fintechs Trade Republic.

Selbst bei großen Finanzanbietern drohen Anleger im Insolvenzfall also leer auszugehen. Beim Handel mit Digitalwährungen gehen Anleger daher nicht nur wegen der starken Kursschwankungen größere Risiken ein, sondern auch aus regulatorischen Gründen.

Cathie Wood schlägt bei Coinbase zu

Die einzige Möglichkeit, sich vor dem Bankrott eines Anbieters zu schützen: eine private Wallet. Hier haben Anleger die alleinige und volle Kontrolle über ihre Coins – getreu dem Motto der Krypto-Jünger „Not your keys, not your coins.“ Die Bedienung ist zwar deutlich komplexer als der Handel über zentrale Kryptobörsen oder Neobroker. Und für den Fall, dass Anleger ihre Zugangsdaten zur Wallet verlieren, können sie sich nicht einfach hilfesuchend an eine Servicestelle wenden.

Aber: Private Wallets gelten als sicherer, weil sie unabhängig von externen Anbietern sind. Das kann ein Vorteil sein: Als die schwierige Finanzlage bei FTX am Dienstag zu Panikverkäufen am Kryptomarkt führte, kam es zwischenzeitlich zu Verbindungsproblemen bei Coinbase. Nutzer mussten die Turbulenzen zunächst aussitzen.

Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt

Zumindest eine lässt sich von der dürftigen Marktlage gerade nicht abschrecken: die US-Starinvestorin Cathie Wood. Wie der Finanzdatendienst Bloomberg berichtet, hat sie ihre Coinbase-Beteiligung bei drei ARK-Fonds um 420.000 Aktien aufgestockt. Bislang waren die Aktien des Kryptounternehmens kein Performancebooster. Im laufenden Jahr hat Coinbase an der Börse mit fast 80 Prozent deutlich stärker nachgegeben als der Bitcoin.

Ob Wood nun einen guten Einstiegszeitpunkt genutzt hat, ist fraglich. Die Zinswende bremst nennenswerte Kursphantasien bei spekulativen Assets wie Kryptowährungen – und Unternehmen, die den Handel damit zu ihrem Geschäftsmodell erklärt haben. Und mit den FTX-Zahlungsschwierigkeiten haben die Probleme in der Kryptowelt eine neue Dimension erreicht.

Mit dem jüngsten Krypto-Beben hat auch FTX-Mitgründer Bankman-Fried viel Geld verloren. Innerhalb eines Tages ist sein Vermögen um gut 15 Milliarden Dollar geschrumpft.

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst am 9. November. Wir haben ihn laufend aktualisiert.

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