Bitcoin und Co. Wie die Kryptobranche den nächsten Evolutionssprung schaffen will

Der Bitcoin, das ist mehr als ein Zockerobjekt – sagt die Kryptobranche. Neue Produkte sollen den wahren Nutzen von Kryptowährungen offenbaren. Was steckt dahinter?

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Peter Grosskopf ist in der Fintech-Welt zuhause. Der Gründer mit Bart und Beanie-Mütze hat die Solarisbank mit aufgebaut und die Börse Stuttgart Digital Exchange geleitet. Im vergangenen Jahr initiierte er mit Unstoppable Finance ein neues Start-up, das sich auf das dezentrale Finanzwesen (DeFi) spezialisiert hat. Mit einer App will der Gründer den neuesten Hype in der Kryptowelt massentauglich machen und Geldgeschäfte ohne Mittelsmänner wie Banken ermöglichen.

Auf dieser Mission war diese Woche die Finance-Forward-Konferenz für Grosskopf natürlich ein Pflichttermin. Sie ist Teil des OMR-Festivals, das mit rund 70.000 Besuchern inzwischen zum Woodstock der Digitalpioniere avanciert ist – und den Veranstaltern ordentlich Geld in die Kasse spült. Für ein Ticket legen Besucher bis zu 800 Euro hin.

Reichweite war Grosskopf also gewiss, als er am Dienstag auf einer Bühne in den Hamburger Messehallen über die Zukunft der Kryptowelt sprach. Die Gunst der Stunde nutzte er für eine Ankündigung in eigener Sache: Unstoppable Finance will eine Vollbank gründen. „Das Bankensystem läuft heute noch weitgehend auf alten Gleisen. Geld fließt selten in Echtzeit“, sagte Grosskopf.

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Eine Lösung für dieses Problem sieht er in der Gründung einer Bank. Dafür will das Fintech einen eigenen Stablecoin emittieren – eine Digitalwährung, die eins zu eins an den Euro gekoppelt ist und nicht im Wert schwankt. Fürs kommende Jahr peilt Unstoppable Finance die Vollbanklizenz an. Im vergangenen Jahr hatte die Krypto-Firma ihre Wallet, also eine digitale Brieftasche, namens Ultimate in vielen Ländern bereits an den Start. In Deutschland fehlt bis dato das Go der Aufseher. Unstopple Finance hofft, „sehr zeitnah eine Lösung präsentieren zu können“.

Kryptosektor: Mehr als Kursprosa?

Auf der Finance-Forward-Konferenz hatte sich die Szene viel zu erzählen. Seitdem die Branche hier im letzten Jahr zusammengekommen war, ist viel passiert: Die Zinswende hat die Investitionslust der Investoren ausgebremst, in der Kryptowelt reihte sich an ein Crash an den nächsten und letztlich ging mit FTX die drittgrößte Plattform für den Handel mit Bitcoin und Co. pleite. Deren Gründer muss sich jetzt vor Gericht wegen Betrugs verantworten.

Auf der Konferenz kamen durchaus auch Krypto-Kritiker zu Wort, etwa der New Yorker Starökonom Nouriel Roubini. Der Bitcoin, meint er, habe keinen inneren Wert, und sowieso seien die meisten Coins nutzlos oder basierten auf Betrug. Die Kryptounternehmen dagegen scheinen die Schocks aus dem Horrorjahr 2022 allmählich zu verdauen – und wollen nun zeigen, dass Kritiker wie „Dr. Doom“ Roubini irren. Sie hoffen auf den nächsten Evolutionssprung im Krypto-Universum.

Daniel Seifert hat gewisse Vorstellungen, wie das gelingen soll. Als Europachef der Kryptobörse Coinbase ist er eine Schlüsselfigur in der neuen Finanzwelt. „Der Kryptosektor wird in der Öffentlichkeit vor allem als Investitionsmöglichkeit gesehen“, sagt er. Als Chance, sehr schnell sehr reich zu werden – oder auch sehr schnell sehr viel Geld zu verlieren. Nach dem tiefen Fall im vergangenen Jahr feiert der Bitcoin derzeit sein Comeback. Seit Anfang Januar ist der Kurs um gut 66 Prozent gestiegen. Doch wenn es nach Seifert geht, bietet die Kryptowelt viel mehr als Kursprosa.




Mit Digitalwährungen lasse sich zum Beispiel Geld in viel kürzerer Zeit und deutlich günstiger überweisen als mit klassischen Zahlungsabwicklern. Davon würden vor allem Menschen profitieren, die Geld ins Ausland überweisen. Auch sogenannte Smart Contracts böten einen Mehrwert: Das sind automatisch ausführbare Verträge auf der Blockchain. Die Blockchain ist das digitale Datenprotokoll, auf dem sämtliche Transaktionen gespeichert werden – und funktioniert ohne Intermediäre wie Banken.

Die Blockchain ist die Technologie hinter Kryptowährungen wie Bitcoin und Co. Schon heute nutzen Banken Smart Contracts, um Prozesse zu beschleunigen. Und rein theoretisch könnten auch verbrauchernahe Vorgänge mit diesen digitalen Verträgen durchgeführt werden, zum Beispiel Grundbucheinträge. Denn der Eintrag in die Blockchain verbrieft Eigentumsrechte – fälschungssicher und für jeden einsehbar.

Laut Coinbase-Europachef Seifert sind die realen Anwendungsfälle für Kryptoprodukte bereits da. Nun sieht er Krypotunternehmen in der Pflicht, mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. „Wir als Branche müssen nun noch stärker daran arbeiten, zu zeigen, wo der Nutzen der Blockchain-Technologie liegt“, sagt er.

Das sieht man derzeit nicht überall so. In den USA gehen die Finanzregulatoren nach dem Crash von FTX immer stärker gegen Kryptounternehmen vor. Die US-Börsenaufsicht SEC wirft Coinbase beispielsweise in einer Klage vor, unregistrierte Wertpapiere zum Handel anzubieten. Die Kryptobörse bestreitet das.

Auch sogenannte Staking-Dienste von Kryptobörsen sind den Regulatoren ein Dorn im Auge. Beim Staking geben Kryptoanleger ihre Coins für die Erzeugung weiterer Digitalmünzen frei und bekommen dafür im Gegenzug weitere Münzen. Sollte die SEC ihren Kampf intensivieren, wäre das für die Branche ein herber Schlag. Über Provisionen verdienen sie nämlich am Staking.

Wird Europa der neue Krypto-Hotspot?

Der schlechtere Krypto-Klima in den USA bleibt nicht ohne Folgen. „Schon jetzt zeigt sich, dass Europa für die globale Kryptoszene immer wichtiger wird“, beobachtet Seifert. 30 Prozent aller Entwickler, die das Kryptoökosystem ausbauen, haben sich inzwischen hier angesiedelt – etwa genauso viele wie in den USA. Der einstige Top-Standort der Kryptoindustrie verliert allmählich seine Dominanz.

Auch, weil es in Europa nun die erste flächendeckende Kryptoregulierung der Welt gibt, meint der Coinbase-Europachef. Vor wenigen Wochen hat sich das Europäische Parlament auf die Richtlinie „Markets in Crypto Assets“ (MiCA) geeinigt, die den Unternehmen strenge Regeln auferlegt. Das biete dem Markt Planungssicherheit und fördere die Ansiedelung von Unternehmen, meint Seifert.

Doch nicht alle sind so optimistisch. Zwar begrüßt auch der Gründer der österreichischen Kryptobörse Bitpanda, Eric Demuth, die neue Regulierung in ihren Grundzügen. Doch er sieht die Gefahr einer Ungleichbehandlung. „Die Durchsetzung konzentriert sich nach wie vor unverhältnismäßig stark auf die lokalen Akteure, die die größten Anstrengungen unternehmen, um reguliert zu werden. Das macht keinen Sinn“, sagt er. Noch gibt es viele, auch große, Kryptounternehmen, die ohne offizielle Genehmigung in Europa Geschäfte treiben, MiCA hin oder her.

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In der Kryptowelt wird man also weiterhin großen Redebedarf haben – über Produkte und vor allem: über sich selbst.

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