Blockchain-Start-up von Gerhard Schmid „Die großen Tech-Konzerne sind keine Konkurrenz für uns“

Blockchain-Start-up: Gerhard Schmid im Interview

Cleverer Geschäftsmann, Underdog, Börsenstar: In den 1990er Jahren forderte Gerhard Schmid mit Mobilcom erfolgreich die großen Telekom-Konzerne heraus. Jetzt will er mit Blockchain-Apps wieder große Geschäfte machen.

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Lange war es still um Gerhard Schmid. 1991 hatte er den Mobilfunk-Service-Provider Mobilcom gegründet und 1997 als eines der ersten Unternehmen an den Neuen Markt - das Technologie-Börsensegment der Frankfurter Börse - gebracht. Aber 2002 endete die Erfolgsstory: Schmid verlor den Chefposten, seine Aktienanteile und später sogar sein Vermögen, 2003 meldete er Privatinsolvenz an. Viele Jahre lang stand er als Kläger und Angeklagter mit den Mobilcom-Käufern und Insolvenzverwaltern vor Gericht, erst 2015 wurde das letzte Verfahren abgeschlossen. Nun kehrt er als Unternehmer zurück: Seit 2016 ist er selbstständiger Berater für Start-ups und Gründer der Firma BaaS.Business, die sich mit Dienstleistungen um das Thema Blockchain einen Namen machen möchte. Im Interview erklärt Schmid, wie er sich das vorstellt und worauf es ankommt.

Herr Schmid, die Blockchain erfährt einen regelrechten Hype. Dabei handelt es sich um nicht viel mehr als eine Datenbanktechnologie. Was macht die Blockchain so besonders?
Die Blockchain ist kein Zauberwerk. Aber ihre Vorteile gegenüber herkömmlichen Datenbanken sind ja mittlerweile bekannt: Gespeicherte Daten können nachträglich nicht manipuliert werden, und es gibt keine zentrale Stelle, die das System steuert. Die Datenbank ist also fälschungssicher. Das Modewort Blockchain darf aber nicht die einzige Grundlage für ein Geschäftsmodell sein. Wir verkaufen Unternehmen auf unserer Plattform deshalb keine Blockchain, sondern wollen zeigen, wie sie ihre Geschäftsprozesse transparenter, effizienter und sicherer abwickeln können. Wie das technisch funktioniert, ist für den Kunden doch völlig unwichtig.

Aber Sie vermarkten Ihre neue Firma BaaS.Business bewusst als „Blockchain for Real Business“.
Die Lösung ist eben mit der Blockchain am einfachsten möglich – wer Lieferketten noch auf Papierbögen nachvollzieht, kann diesen Prozess mit der Blockchain schnell ersetzen. Und sie ermöglicht auch einen gemeinsamen Zugriff auf eine Datenbank.

Technologieunternehmen wie IBM, SAP oder Microsoft bieten bereits Blockchain-Lösungen für Lieferketten an. Wie wollen Sie mit diesen Weltkonzernen konkurrieren?
Bis auf ein paar Pressemeldungen habe ich von IBM noch keine echte Blockchain-Anwendung zu sehen bekommen. Großkonzerne sträuben sich einfach vor zu schneller Veränderung. Deshalb sind sie keine Konkurrenz für uns. Meiner Meinung nach ermächtigen diese Großkonzerne ihre Kunden über die Blockchain nicht, sondern binden sie mit maßgeschneiderten Lösungen an sich. Das hat mit flexiblen Blockchain-Dienstleistungen, wie wir sie planen, nichts zu tun.

Was machen Sie anders?
Wir sind ein Plattform-Anbieter, vergleichbar mit einem App-Store von Apple oder Google. Drittanbieter können ihre Blockchain-Anwendungen auf unserer Plattform einstellen. Das müssen Software-Spezialisten sein, die sich in bestimmten Branchen auskennen. Denn alle dApps auf unserer Plattform - also dezentrale Apps, die über die Blockchain laufen - sollen sich an kleine und mittlere Unternehmen richten. Diese können dann die fälschungssicheren Lösungen nutzen, ohne selbst ein Entwicklerteam anstellen zu müssen.

Also bleibt die große Blockchain-Revolution erstmal aus?
Bei einer neuen Technologie muss man kleine Schritte machen. Nicht die Revolution suchen, sondern einen Prozessabschnitt nach dem anderen verbessern. Das versuchen wir mit den spezialisierten Angeboten, die auf unserer Plattform erscheinen sollen. So wie ich das sehe, versucht IBM mit seinen Blockchain-Lösungen das komplette Gegenteil: eine Eierlegende-Wollmilch zu kreieren. Aber kein Unternehmen kann 100 Branchen und ihre Geschäftsprozesse verstehen.

Wenn Spezialisten die Apps anbieten, was ist die Aufgabe ihres Unternehmens?
Wir schaffen eine Infrastruktur, also das Netzwerk und das Betriebssystem auf dem Softwareanbieter ihre fälschungssicheren Lösungen anbieten. Darüber hinaus kümmern wir uns um das Onboarding der Kunden, überprüfen ihre Identität und rechnen die Leistungen mit den Kunden ab. Wir sind aber selbst kein Blockchain-Entwickler. Ich sehe unsere Leistung darin, dass wir den Softwareanbietern dabei helfen, ihr Blockchain-Geschäft möglichst schnell zu skalieren: einmal die App entwickeln, und dann mehrfach verkaufen. Wir starten zwar in Deutschland, die Plattform wird aber international funktionieren.

Wann werden wir die ersten Apps sehen?
Ende März wollen wir die ersten Verträge mit App-Anbietern auf unserer Plattform schließen. Wir rechnen damit, dass sie anschließend zwei Monate Entwicklungszeit brauchen, so dass wir im Frühsommer mit den ersten Apps starten können. Bis Ende 2019 sollen zehn dApps auf der Plattform stehen, im nächsten Jahr planen wir mit 50 dApps.

Was für Anwendungen werden das sein?
Die Überwachung eines Ablaufs von Prozessen wird der erste Anwendungsfall sein, den wir mit der Blockchain verbessern können. Jeder Schritt einer Lieferkette lässt sich nachverfolgen – ob von Containern im Welthandel oder Medikamentenlieferungen auf lokaler Ebene. Alles kann zuverlässiger als bislang in der Blockchain dokumentiert werden. Patientenakten könnten mittelfristig ein weiterer Anwendungsfall in Deutschland sein. Seit 20 Jahren ist sie in Deutschland im Gespräch. Aber sie scheitert immer wieder. Weil sie als eierlegende Wollmilchsau geplant wurde. Wenn aber kleine Versicherer oder Krankenkassen mit der Blockchain den Anfang machen, wird sich das Thema auch in Deutschland umsetzen lassen, davon bin ich fest überzeugt.

„Wir wollen keine Taschengeld-Investoren“

Welche Blockchain nutzen Sie für die Plattform?
Unsere Plattform basiert auf der Ethereum-Blockchain. Unter anderem, weil es für diese Technologie die meisten Entwickler am Markt gibt. Die EOS-Blockchain wäre eine Alternative gewesen, aber wir finden, dass sie sich noch in einem zu frühen Stadium befindet, um darauf eine Dienstleistung aufzubauen.

Womit verdienen Sie Geld?
Für die Nutzung der Plattform fallen Gebühren an. In welche Höhe, das steht noch nicht fest, aber es wird so sein, dass der Anbieter der Apps 85 Prozent der Nutzungsgebühren erhält, und wir für unsere Plattform mit 15 Prozent beteiligt werden. Das läuft ähnlich wie auf den großen App-Marktplätzen von Google und Apple. Hinzu kommen bei uns Gebühren für die Transaktionen in der Blockchain.

Um das Geschäft auf die Beine zu stellen, sammeln Sie mit der Baas.Business AG Geld über einen eigenen Security-Token ein. Warum die Finanzierung über eine Kryptomünze?
Diesen Token werden wir als Zahlungsmittel auf unserer Plattform einsetzen, insbesondere für unsere Geschäfte mit den Software-Anbietern. Die Unternehmen, die einen Blockchain-Dienst buchen, können ganz normal in Euro zahlen. Wir wollen aber auch, dass unsere Tokens an Börsen handelbar sind. Deshalb haben wir uns bewusst für einen Security-Token entschieden, also ein Wertpapier – und nicht bloß einen digitalen Gutschein. Unser Token ist ein Zinspapier, für das Investoren neun Prozent pro Jahr erhalten. Die Platzierung wird voraussichtlich im April starten.

Warum schließen Sie Privatanleger aus? Ihre Anteilseigner müssen mindestens 100.000 Euro aufbringen, um sich an der BaaS.Business AG beteiligen zu können.
Wir suchen derzeit in einer Privatplatzierung nach Großinvestoren für unsere Plattform. Wir wollen keine Taschengeld-Investoren. Es macht sehr viel Arbeit, 30.000 Privatanleger zu betreuen. Das wäre für unser Geschäft im Moment nicht der richtige Weg. Privatanleger können dann einsteigen, wenn unser Token an einer Kryptobörse notiert.

Ab einer Mindeststückelung von 100.000 Euro müssen Sie auch keinen Wertpapierprospekt veröffentlichen. Vermeiden Sie damit nicht die Auseinandersetzung, ob Kryptomünzen in Deutschland als Wertpapiere gelten?
In Deutschland gibt es eindeutige Bestimmungen, was ein Finanzinstrument ist – und was eben nicht. Entscheidet die deutsche Finanzaufsicht Bafin aufgrund der Unterlagen, die wir ihr zur Verfügung gestellt haben, dass wir kein Finanzinstrument ausgeben – wunderbar. Dann haben wir die Bestätigung, dass wir auch künftig bei weiteren Finanzierungsrunden ohne Prospekt digitale Anteile ausgeben können. Wertet sie unsere Anteile als Finanzinstrument, werden wir uns an die Prospektpflichten und alle anderen Vorschriften halten.

Andere Blockchain-Start-ups in Deutschland fordern vom Gesetzgeber dringend eine regulatorische Einordnung von Krypto-Anlagen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Wir benötigen in Deutschland keine spezifische Krypto-Regulierung auf dem Finanzmarkt. Diese Idee halte ich für völligen Blödsinn. Wir werden auch hierzulande Blockchain-Innovationen sehen, solange dahinter ein cleveres Geschäftsmodell steht.
Wer dagegen die bestehenden Regeln umgehen will, gehört einfach nicht auf den Finanzmarkt. Wenn ein Start-up es zum Beispiel für zu teuer hält, einen Wertpapierprospekt zu erstellen, also im Grunde nicht in der Lage ist, eine Finanzierung zu finanzieren – dann spricht das doch Bände darüber, dass auch das Geschäftsmodell nicht nachhaltig sein wird. Die Blockchain-Gründer sollten sich lieber auf ihr operatives Geschäft konzentrieren, statt eine unnötige Diskussion über Regulierung zu befeuern.

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