Börsen-Fallstricke und Tipps "Energiekonzerne gehören nicht an die Börse"

Der frühere Hauptversammlungs-Schreck und jetzige Fondsmanager Markus Elsässer über Sicherheit bei der Aktienanlage, solide Unternehmen und die Zukunft der Energieunternehmen als nationale Dienstleister.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Energiewende hat den großen Energiekonzernen in Deutschland das einst üppige Geschäft verdorben. Das ist den Aktien von E.on oder RWE deutlich anzusehen Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Elsässer, Ihre wilden Zeiten als Firmenjäger sind vorbei, als sie beim Rüstungskonzern Rheinmetall die Gründerfamilie zittern ließen. Was hat Sie damals zu dem Engagement gebracht?

Ich habe meine erste Aktie gekauft, als ich 15 Jahre alt war. Dann habe ich lange operativ in Industrieunternehmen gearbeitet. Mit den verschiedenen Erfahrungen beobachtet man die Aktienmärkte und sieht, wenn etwas nicht stimmt. Ist eine Aktie zu lange unterbewertet, hat also an der Börse nicht den Wert, den sie verdient, dann ist das für die Aktionäre ärgerlich. Sie brauchen mitunter das Geld aus der Beteiligung und wollen auch mal Kursgewinne sehen. Das war aber bei vielen der Großaktionäre damals nicht gefragt. Die Gefahr, dass der niedrige Aktienkurs zu einer Übernahme führt, bestand nicht in dem Maße wie heute. Deshalb haben sich viele Aktien, hinter denen Eigentümerfamilien standen, schwach entwickelt. Kursgewinne waren für sie nicht unbedingt wichtig, denn sie wollten ja nicht verkaufen. Dann hätte die Vermögenssteuer zugegriffen. Deshalb hielt die Unterbewertung sich bei vielen Titeln sehr lange.

Foto von Markus Elsässer

Und was kam bei Ihrem Einsatz raus?

Zwischen 2001 bis 2007 hat sich die Rheinmetall-Aktie sehr gut entwickelt.

Heute müssen die Hochfrequenzhändler viel Prügel einstecken. War früher an der Börse doch nicht alles besser?

Es war vieles intransparenter durch den stärkeren Einfluss der Politiker und Familienclans. Auch Aktionärsschützer haben damals nicht immer im Sinn der Kleinaktionäre gearbeitet.

Zur Person

Anleger haben großen Respekt vor Aktien, weil sie oft enttäuscht wurden. Können sie ihnen die Angst nehmen?

Der Anleger ist verunsichert, weil es Unternehmen gibt, deren Aktienkurs in der Krise keinen Halt bietet. Und wenn sie dann noch die Erfahrung gemacht haben, dass ihr Fondsmanager im Jahr 2008 feige war und die Aktien im Crash verkauft hat, dann wollen sie keine Aktienkrise mehr erleben. Mein Ziel ist es, die lupenreinen Unternehmen zu finden, denen man vertrauen kann. Schauen sie sich doch die Entwicklung solide wirtschaftender Unternehmen an. In deren Zahlen etwa zur Dividende spiegelt sich die Dynamik der Wirtschaft wider. Sie sind effizient, investieren permanent, sind weltweit aktiv. Nestlé hat etwa die Dividende und das Eigenkapital verdreifacht seit der Finanzkrise 2008. Beim Brillen-Filialisten Fielmann stieg die Dividende von 32 Cent im Jahr 2003 auf heute 1,45 Euro. Da ist nichts getürkt oder wird etwa auf Kredit ausgeschüttet, die erwirtschaften das. Das bringt Anlegern auf Dauer Einnahmen, da ist es egal, ob der Aktienkurs zwischenzeitlich mal fällt.

Sie haben mit manchen Aktien im Fondsdepot auch Durststrecken erlebt. Etwa Beiersdorf hat sich im Kurs einige Jahre kaum nach oben bewegt, dann ging es rasant aufwärts. Was hilft Ihnen durch diese mageren Zeiten.

Geduld, ein weltweit gestreutes Depot aus rund 30 Aktien, die ich intensiv verfolge und zuverlässige Anleger, die nicht panisch Geld abziehen aus dem Fonds. Als Anleger muss ich die guten Unternehmen eben auch über viele Jahre begleiten können, wenn das Geschäftsmodell intakt ist und die Unternehmen auch nach einer Krise noch eine Existenzberechtigung haben.

Wann werden Sie nervös?

Ich brauche gute Nerven, wenn die Märkte sehr stark steigen, denn dann steigen auch Aktien, die ich mal ganz salopp als Schrott bezeichnen würde. In dem Marktumfeld liegen die soliden und vielleicht langweiligen Substanzwerte oft hinten und damit ist auch die Fondsperformance nicht überragend.

Fonds wie englische Parks

Was ist aktuell mit der Lage in Europa? Etwa die anstehende Präsidentenwahl in Griechenland wirbelt die Aktienmärkte durcheinander. Macht Ihnen das keine Sorgen?

Ich beobachte das politische Geschehen, aber auf meine Auswahl der Unternehmen hat das wenig Einfluss und Griechenland ist für die meisten Unternehmen ebenfalls nicht so wichtig. Wichtiger sind Reformen in Frankreich und Italien. Da ich allerdings weltweit anlege und der Fonds zu etwa 40 Prozent aus US-Aktien besteht, blicke ich nicht nur auf Europa.

Wie haben Ihre Anleger 2008 reagiert, als Ihr Fonds ME Special Values in dem Jahr 15 Prozent verloren hat?

Es gab genau einen Anruf von einem Anleger. Die Kurse haben sich relativ schnell wieder erholt, weil ich nicht feige war und kopflos die verlustreichen Titel verkauft habe. Alle rund 30 Unternehmen blieben im Fonds, weil ich sie für krisenresistent gehalten habe und das hat sich ausgezahlt. Ich investiere nicht in Banken, mir sind etwa Autozulieferer zu kompliziert, weil ich deren Abhängigkeiten nicht einschätzen kann. Medien- und Telekomunternehmen meide ich auch.

 

Fondstipp: ME Fonds Special Values

Sie vergleichen ihr Fondsdepot gerne mit einem englischen Park, der aus Bodendeckern, schnellwachsenden Blühpflanzen und stabilen Bäumen besteht, die jedem Sturm trotzen. Aber die Nestlé, Roche und Coca-Cola sind schon sehr teuer.

Ich zähle sie zu den Qualitätsunternehmen, die an der Börse noch immer attraktiv bewertet sind. Erst recht im Vergleich zu Anleihen. Die Renditen bleiben durch die ultralockere Notenbankpolitik in den Industriestaaten womöglich Jahrzehnte begrenzt. Zinspapiere werden kaum ausreichen, um künftig die Inflationsraten auszugleichen. Sparbuch, Bargeld sind die Positionen, die man unter dem Begriff „schleichende Enteignung“ zusammenfassen kann.

Mancher denkt sich aber, lieber schleichende Verluste als den schnellen an der Börse.

Schauen Sie sich die Kursverluste in diesem Jahr an, das war im Oktober und November teilweise dramatisch. Aber im Rückblick boten sich dadurch gute Einstiegskurse. Es werden wieder Einschläge kommen, wie in den vergangenen Tagen etwa durch Griechenland oder mögliche Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed. Aber wenn ich meine Unternehmen im Fonds sorgfältig analysiert habe, habe ich vor den Marktverlusten keine Angst. Wichtig ist für Aktionäre, dass sie unterscheiden, ob ein langfristiger Trend noch intakt bleibt nachdem es ordentlich gerumpelt hat oder ob es tatsächlich eine Trendumkehr ist, die die Kurse langfristig abbröckeln lässt.

Wonach suchen Sie am Aktienmarkt?

Vertrauensvolles Management, Wachstum, solide Bilanzen, starke Ertragskraft, wenig Schulden, hoher Cashflow, trotzdem ausreichende Forschung- und Entwicklungsausgaben. All das ermöglicht Unternehmen eine große Unabhängigkeit, damit sie sich angstfrei in jedem Geschäftsumfeld bewegen können.

Sie hatten K+S bis zum Sommer im Depot. Die Aktie ist von knapp 90 Euro auf heute 23 Euro abgestürzt. Das spricht nicht unbedingt für die Qualität?

K+S habe ich als Substanzwert lange im Depot gehabt. Leider findet die Qualität der Firma an der Börse nicht die Anerkennung. Die Rohstoffkrise sowie die politischen Wirren in Osteuropa ließen es dann doch nicht länger zu, dort investiert zu bleiben.

Beliebt, aber nicht überteuert.

Welche Aktien mögen Sie?

Mir sind bekannte Marken aus dem Konsumsektor aber auch traditionelle Industriebetriebe wie etwa das 150 Jahre alte Unternehmen Kaba Holding aus der Schweiz lieber. Die stellen Schließsysteme her, sind weltweit in dem Markt die Nummer zwei und profitieren etwa vom Trend der Verstädterung in Schwellenländern. Ähnlich ist es bei dem Sanitärhersteller Geberit. Die haben so viel Know-How über Jahrzehnte aufgebaut. Die Manager laufen nicht in Armani-Anzügen herum, sie sind im Herzen Handwerker, die mit Ruhe weltweit Arbeiter und Installateure schulen. Ich hätte Geberit-Aktien verkauft, wenn sie 2013 tatsächlich bei Grohe eingestiegen wären. Grohe ist ein anderes Geschäft, viel stärker auf Design focussiert.

Mischfonds mit hohem Aktienanteil Deutschland

Setzen nicht zu viele Anleger schon auf die gleichen Investmentthemen wie dividendenstarke bekannte Markenhersteller und landen eben auch bei diesen Werten?

Sie sind beliebt, aber ich halte sie nicht für überteuert. Ich gehe keine Ehe mit denen ein, wenn ich Zweifel bekomme, steige ich aus. Das wäre etwa bei Nestlé der Fall, wenn sie den Fokus der Geschäftspolitik verändern würden und anfingen, sich außerhalb der angestammten Branchen zu bewegen. Bei Lindt&Sprüngli ist die absolute Premium-Markenstrategie entscheidend sowie die permanente Innovationskraft. Die Nachfolge des überaus erfolgreichen 68-jährigen Präsidenten Ernst Tanner wird genau zu beobachten sein.

Kann der Erfolgsdruck, unter dem die Manager in der zweiten und dritten Reihe bei vielen Markenherstellern stehen, nicht zur Manipulation von Zahlen verleiten?

Hinter dem Vertrieb steht immer auch ein Controlling, das bei diesen Unternehmen ebenfalls sehr wirkungsvoll arbeitet. Ich gehe davon aus, dass sie Datenlieferungen aus den entferntesten Winkeln der Welt und die verantwortlichen Personen ordentlich prüfen.

Gefällt es Ihnen als Investor, wenn sich Riesenkonzerne wie E.On aufspalten?

Prinzipiell ist eine solche Entflechtung eine gute Sache, weil sie mehr Transparenz bieten kann. Aber E.On oder RWE waren für mich nie eine Geldanlage. Sie haben Jahrzehnte auf dem Rücken der Stromkunden Geld versenkt. Da herrschte lange eher eine Funktionärskultur. Es würde sich lohnen, die Pensionsrückstellungen und Vorstandsverträge der früheren leitenden Mitarbeiter einmal anzusehen. Es gab Auslandsabenteuer mit teuren Übernahmen, obwohl die Mitarbeiter und Vorstände der Unternehmen damals kaum Auslandserfahrung hatten. Vergleichen sie das mal mit den schwäbischen Unternehmern. Das ist doch eine ganz andere Klasse. Im Grunde genommen gehören die Energieversorger nicht mehr an die Börse. Der eigentliche Auftrag ist die Infrastruktur für eine Industrienation zu schaffen. Mit der heute schwierigen Energiepolitik kann es nicht mehr die Aufgabe sein, möglichst viel Geld für Aktionäre zu verdienen. Sie müssen eine nationale Dienstleistung erbringen und Deutschland im internationalen Wettbewerb der Industrienationen unterstützen.

Mischen sich große Geldverwalter inzwischen aktiv genug ein, wenn etwas bei den Aktiengesellschaften im Argen liegt?

Viel zu wenig. Es ist erschreckend, dass die großen Fondsgesellschaften auf Hauptversammlungen oft nicht anwesend sind. Auch bei eklatanten Missständen wie zum Beispiel der Stellung der freien Audi-Aktionäre gegenüber dem VW-Konzern wird wenig für den Schutz der Aktionäre getan.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%