
Mit den Verpackungskünsten der Finanzbranche wurde die Welt der börsengehandelten Indexfonds, die nach ihrer englischen Bezeichnung Exchange Traded Funds als ETF abgekürzt werden, bunter und komplizierter. Ist das gestiegene ETF-Angebot für die Anleger ein Segen? Oder bedrohen sie traditionelle Vermögensverwalter und das Finanzsystem? Wir haben zwei Experten zum Streitgespräch geladen.
Zu den Personen
Heike Fürpaß-Peter leitet den Privatanleger-Vertrieb von ETFs bei der Société-Générale-Tochter Lyxor (52 Milliarden Euro verwaltetes Vermögen) in Deutschland. Die Kosten von ETFs sind gering, die Anbieter müssen sich bescheiden. Die Wirtschaftswissenschaftlerin arbeitete zuvor bei Merrill Lynch und Nomura.
Mathematiker Georg Graf von Wallwitz verteidigt Fondsmanager gegen den Vorwurf, zu teuer zu sein und sich auszuruhen. Der promovierte Philosoph war unter anderem bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS, bevor er die Vermögensverwaltung Eyb Wallwitz (650 Millionen Euro verwaltetes Vermögen) mitgründete.
WirtschaftsWoche: Frau Fürpaß-Peter, US-Prädidentschaftskandidatin Hillary Clinton setzt bei ihrer Vermögensanlage auf ETF, Warren Buffett rät zu günstigen Indexfonds auf den Aktienindex S&P 500. Sie haben nicht nur populäre Befürworter, jetzt kommen die ETF auch bei den hippen Fintechs zum Einsatz. Mehr Zuspruch und positives Image könnten Sie sich kaum wünschen.
Fürpaß: Die Unterstützung freut uns natürlich. Die ETF sprechen aber als transparente, liquide und günstige Anlageprodukte für sich. Sie sind für viele Anleger interessant und das einzige Fondsprodukt, bei dem Groß- und Privatanleger zu den gleichen Kosten investieren können. Aber gerade aus deutscher Sicht, ist es wichtig, dass Sparer überhaupt in Wertpapieren anlegen. Die Frage, welches Produkt man wählt, ob einen ETF oder einen aktiv gemanagten Fonds, steht dann am Ende. Zunächst einmal sollte sich jeder Investor über seine Risikoneigung und seinen Investmenthorizont klar werden.
von Wallwitz: Ein ETF wird oft als Allheilmittel dargestellt, das ich kaufe und dann wird alles gut. Aber so ist es nicht. Der US-Investor Buffett hat ein Vermögen von 50 Milliarden Dollar. Wenn er einen Aktien-Indexfonds kauft und der mit dem Markt 50 Prozent fällt, wird es auch mit 25 Milliarden noch für eine warme Mahlzeit reichen. Wer 50.000 Euro gespart hat und die Hälfte verliert ist in einer anderen Situation. Buffett setzt ETFs auch nicht für sich selbst ein, sondern rät seinen Erben dazu, denen er nicht so ein gutes Händchen beim Anlegen zutraut. Sie sollen dann aber auch nicht in die neueste ETF-Kreation des Marktes investieren, sondern eher in einen breitgemischten Index wie den S&P 500. Clinton darf vermutlich gar nicht in einzelne Aktien investieren, weil es sie in Interessenkonflikte bringen könnte. Es gibt Anleger, für die ein ETF auf einen breiten Markt das richtige Mittel sein kann, aber es zählt immer die individuelle Situation.
Aktiv gesteuerte Fonds, bei denen ein Manager Aktien oder Anleihen auswählt, geraten zunehmend wegen schwacher Leistungen und hoher Kosten unter Druck und Donald Trump als Investor ist nicht gerade ein Aushängeschild. Droht ein Untergang?
Fürpaß: Nein, das glaube ich nicht. Es sagt niemand, es muss alles ETF sein oder nur aktiv gemanagt. Wir sehen uns als Baustein in einem Portfolio. Es ist eher ein symbiotisches Miteinander. Wichtig ist, dass Anleger ihr Geld überhaupt einsetzen und nicht auf dem Sparbuch vergammeln lassen. Am gefährlichsten ist es, nichts zu tun. Dann kommt die Entscheidung aktiv oder passiv für das Einzelinstrument ganz am Ende. Aber die Erfolgsquote der Fondsmanager ist wirklich nicht gut, wenn über lange Zeiträume nur 20 Prozent es schaffen, überhaupt den Index zu schlagen.
von Wallwitz: Ohne Fondsmanager gäbe es auch für die ETF keine effizienten Märkte mehr. Die Maler des Impressionismus bekamen einen Schock, als die Fotografie aufkam, die billiger, schneller, genauer war und sie dachten, sie würden überflüssig. Aber so wie es noch Maler gibt, gibt es auch das Bedürfnis danach, dass sich jemand Gedanken macht bei der Portfoliokonstruktion, also warum man sich bei einer Firma engagiert oder auch nicht. Wie die Fotografie viele schlechte Maler überflüssig gemacht hat, so werden auch viele Vermögensverwalter verschwinden. Um die, die keinen Nutzen gebracht haben, ist es auch nicht schade. Wenn ein Anleger einen guten nicht von einem schlechten Fondsmanager unterscheiden kann – und das ist nicht einfach – dann ist er mit einem ETF mitunter besser dran.