Börsenprofessor Max Otte “Das Ganze hat einen gewissen Endspielcharakter!”

Max Otte hat den Crash 2008 vorhergesagt. Seit Monaten warnt der Professor, Buchautor und Fondsmanager vor der nächsten, viel schärferen Krise. Im Gespräch erläutert er, warum – und was Anleger 2015 tun können.

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Max Otte im Interview Quelle: Presse

Herr Otte, 2014 war ein bewegtes Börsenjahr. Wie fällt ihre Bilanz zum Jahresende aus?
Max Otte: Insgesamt war das Börsenjahr okay, ich würde sagen, die Bilanz ist verhalten positiv. Was unsere eigenen Fonds angeht, die ja wachstumsorientiert ausgerichtet sind, ist die Bilanz verhalten negativ.

Wo lief es gut, wo eher schlecht?
Wir waren sportlich unterwegs, haben auch in Südeuropa und im Rohstoffbereich investiert - und in diesen Sektoren leider eins drauf bekommen. Aber Qualität hat sich behauptet: Nestlé, Fuchs Petrolub oder Novartis waren schon gut bewertet, haben sich im Absturz aber auch gut behauptet. Im Moment strebt alles zur Qualität. Die ist nun nicht mehr billig, aber es gibt auch noch keine Blase.

Zur Person

Ist der Dax nach der jüngsten Rekordjagd nicht schon zu hoch bewertet?
Im Dax haben wir neue Höchststände gesehen. Dass die 10.000 Punkte erreichbar sind, habe ich schon im Frühjahr 2013 vorhergesagt – da stand der Dax bei 7600 Punkten, inzwischen haben wir diese Hürde schon zweimal genommen. Wenn die Situation politisch stabil bleibt, kann der Dax im kommenden Jahr auch noch auf 11.000 bis 12.000 Punkte steigen. Die 30 Unternehmen im Dax haben seit dem Jahr 2000 im Durchschnitt ein Umsatz- und Gewinnwachstum von 5,5 Prozent pro Jahr erreicht. Daran gemessen ist der Dax mit 9500 Punkten fair bewertet. Insofern mache ich mir wegen der Bewertung noch keine Sorgen. Viele Aktienmärkte sind sogar geradezu billig. Der Sturm auf Aktien wird anhalten.

Auch wenn die ersten Zinserhöhungen der Notenbanken seit Ausbruch der Finanzkrise bevorstehen, bleiben Aktien alternativlos?
Wir haben nun mal die schleichende Entwertung beim Geldvermögen. Wir haben zwar einen Mischfonds, konzentrieren uns aber nach wie vor auf Aktien. Wir würden uns mit Anleihen beschäftigen, wenn es dort vernünftige Chance-Risiko-Verhältnisse gäbe. Aber davon sind wir weit entfernt. Die Verwerfungen im Markt drücken die Renditen von Anleihen derzeit auf ein grotesk niedriges Niveau. Das ist den Aufwand nicht wert. Im Moment konzentrieren wir uns auf reines Stockpicking und ein bisschen Cash.

Welche Rendite die Dax-Aktien liefern
Dividendenrendite sinktFast 9800 Punkte Mitte Januar: Über die vergangenen zwölf Monate ist der Dax zu neuer Höchstform aufgelaufen. Doch kaum eines der großen deutschen Unternehmen wird die Dividende je Aktie im gleichen Maß anheben, wie die Kurse angezogen sind. Nach Berechnungen der Commerzbank (Stichtag 20.1.2014) ist die Dividendenrendite, das Verhältnis von der Ausschüttung je Aktie zum Kurs, im Dax flächendeckend gesunken. Und mit K+S, Eon oder RWE liegen gerade solche Unternehmen vorn, deren Kurse sich weniger berauschend entwickelt haben. Die Dividende dagegen schwankt nicht so stark, sie kann gleich bleiben oder nur leicht zurückgehen. Quelle: dpa
Platz 1: Munich ReAktionäre des größten weltweiten Rückversicherers können sich freuen: Voraussichtlich wird kein anderer Dax-Konzern 2014 relativ zum Aktienkurs mehr ausschütten. Zum 20.1. errechnet die Commerzbank eine Dividendenrendite von 4,59 Prozent. Damit kommen Anteilseigner jedoch schlechter weg als noch vor einem Jahr. Damals betrug das Verhältnis von Dividende zu Kurs mehr als fünf Prozent. Grund: Munich Re könnte laut Studie mit 7,25 Euro nur 25 Cent mehr ausschütten als noch 2013. Das wäre ein geringer Anstieg angesichts satter Kursgewinne (+12 Prozent) im vergangenen Jahr. Quelle: dpa
Platz 2: EonDividendenrenditen von mehr als sieben Prozent wie im vergangenen Jahr kann auch der Energieversorger Eon seinen Aktionären nicht mehr liefern. Atomausstieg und Erneuerbares Energiegesetz (EEG) hat dem Versorger zugesetzt. Nach einem Gewinneinbruch von mehr als 50 Prozent, schaffte der Aktienkurs auf Jahressicht lediglich ein Plus von 1,76 Prozent. Laut Commerzbank könnte Eon daher die Dividende von 1,10 Euro auf 60 Cent kürzen. Dennoch bietet das Unternehmen Aktionären im Dax-Vergleich mit 4,39 Prozent Rendite noch den zweitgrößten Ertrag im Verhältnis zum Aktienkurs. Quelle: dpa
Platz 3: K+SWegen politischer Querelen zwischen Russland und Weißrussland hat der Aktienkurs des Düngemittel-Herstellers im vergangenen Jahr eine rasante Talfahrt durchgemacht. Als die beiden Großkonzerne Uralkali (Russland) und Belaruskali (Weißrussland) ihr Kartell beendeten und damit einen Preisverfall auf dem Markt für Düngemittel auslösten, riss es auch die K+S-Aktie nach unten. In den vergangenen zwölf Monaten büßten K+S-Papiere rund 33 Prozent ein. Die Dividende allerdings könnte weniger stark nachgeben: die Commerzbank rechnet mit Kürzungen von 40 Cent je Aktie – oder 28 Prozent. Dann würde die Dividendenrendite insgesamt nicht fallen, sondern im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht anziehen, von vier auf 4,07 Prozent. Quelle: dpa
Platz 4: Deutsche TelekomAktionäre der Deutschen Telekom können über 3,98 Prozent Dividendenrendite freuen, schätzt die Commerzbank. Das wäre das viertbeste Verhältnis zwischen Ausschüttung je Aktie und Kurs. Die meisten dürfte das dennoch enttäuschen: im Vorjahr konnten Anteilseigner noch 8,14 Prozent Dividendenrendite einstreichen. Grund für den starken Rückgang: Während die Telekom ihre Dividende je Aktie laut Commerzbank für 2014 von 70 auf 50 Cent sogar senken könnte, war der Aktienkurs binnen eines Jahres um 42,6 Prozent gestiegen. Quelle: dpa
Platz 5: AllianzAuch die Allianz hat mit geschätzten 3,95 Prozent eine niedrigere Dividendenrendite vorzuweisen als im vergangenen Jahr (4,29 Prozent). Trifft die Einschätzung zu, würde das Verhältnis zwischen Dividende und Aktienkurs etwa auf dem Stand von 2007 liegen. Der Aktienkurs des Versicherers ist um rund 19,5 Prozent gestiegen. Bei der absoluten Dividende erwarten die Analysten der Commerzbank einen Anstieg von 4,5 Euro auf 5,25 Euro je Aktie. Quelle: dpa
Platz 6: RWEMit RWE findet sich ein weiterer Versorger unter den Dax-Konzernen mit der höchsten Dividendenrendite. Sie soll für das Jahr 2013 bei 3,71 Prozent liegen und ist damit rund 2,7 Prozent niedriger als im Vorjahr. Wie Eon und EnBW hatte auch RWE mit der Energiewende und den daraus entstehenden Verlusten zu kämpfen. Die Commerzbank erwartet, dass der Versorger seinen Anlegern einen Euro pro Aktie statt zwei Euro wie im vergangenen Jahr zahlt. Der Kurs der RWE-Aktie hat im vergangenen Jahr rund 4,1 Prozent verloren. Quelle: dpa

Sie haben auch große Positionen an Energiewerten und Minenaktien in Ihrem Portfolio. Ist das nicht sehr gewagt?
Wir haben zehn Prozent Goldminen in unseren Fonds, seit eineinhalb Jahren. Bei Goldminen gibt es inzwischen null Prozent Bullen. Für einen Value-Investor ist das eine gute Sache, weil sich das irgendwann ändern muss. Aber man muss die Geduld haben, das ein bis zwei Jahre auszusitzen. Nach eineinhalb Jahren könnte jetzt langsam mal was passieren. Wir springen nicht auf Züge auf, sondern setzen auf das, was gerade schwach ist. Da muss man dann durch.

Andererseits hält der Russland-Ukraine-Konflikt die Börse weiter in Atem.
Über den Wirtschaftskrieg der USA gegen Russland, vor allem seit dem Frühsommer, bin ich sehr erschrocken und enttäuscht. Das Streben der USA nach Dominanz in der Region erzeugt eine sehr instabile Situation.

Sagen Sie das mit Blick auf den Ölpreis, der durch die OPEC und das amerikanische Fracking-Öl gerade künstlich niedrig gehalten wird, um Russland in die Knie zu zwingen?
Die ganze Welt ist doch mittlerweile kartellisiert. Goldman Sachs und Blackrock allein haben in der Finanzwelt einen Rieseneinfluss, auch bei Flugzeugbauern gibt es ein Duopol. Selbst in der Informationstechnik sind es auch nur die Giganten mit Microsoft, Google, Apple und IBM. Wir haben doch keine freien Märkte. In vielen Märkten steht letzten Endes Amerika dahinter. Beim Öl haben wird die Fracking-Förderung in den USA intensiviert, was wiederum Saudi-Arabien und die OPEC anspornt. Solche Preiskämpfe und der Wirtschaftskrieg gegen Russland sind einige der Gefahren. So etwas kann auch zum Absturz führen.

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