Börsenprofessor Max Otte “Das Ganze hat einen gewissen Endspielcharakter!”

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„Merkel macht das Spiel mit und agiert amerikahörig“

Nur ein Absturz oder die nächste schwere Krise?
Ich habe schon mehrfach gesagt, dass ich das nun für eine reale Gefahr halte. Das Risiko kriegerischer Auseinandersetzungen ist so hoch wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr – vielleicht abgesehen von der Kuba-Krise. Wenn jetzt Krieg ausbricht oder sich der Wirtschaftskrieg verschärft, bekommen wir eine Weltwirtschaftskrise. Die hatten wir 2008 nicht. Heute glaubt Amerika, den sogenannten unilateralen Moment mit aggressiver Politik in eigene Expansions- und Machtvorteile umwandeln zu können. Darüber wird in den Eliten der USA offen philosophiert.

Glauben Sie, Russland wird nachgeben?
Ich hatte mal die Gelegenheit, Putin kennenzulernen. Der wird nicht einknicken. Aber Amerika will diese Auseinandersetzung, um Russland in die Knie zu zwingen. Das macht die Situation so gefährlich. Die USA sehen die Chance zur Expansion und Putin wehrt sich – nicht gerade überraschend. Die Krim kann er aber nicht mehr hergeben, in den Enklaven der Ostukraine hätte er gerne Autonomie. Dann hätte man wenigstens einen kleinen freien Streifen zwischen dem Westen und Russland. Das will aber der Westen nicht. Merkel macht das Spiel mit und agiert amerikahörig. Amerika setzt darauf, dass Russland irgendwann einknickt. Die potenziellen Schäden bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung in Europa sind zumindest einigen Strategen in Amerika relativ egal. Kein Wunder, dass drei Altkanzler der Bundesrepublik eine andere Russlandpolitik gefordert haben.

Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

Sie erwarten also, dass dieser Konflikt die Börse noch lange beschäftigen wird?
Es ist eine sehr dynamische und damit instabile Situation. Die Frage ist ja, wie weit kann das gehen? Russland hat eine relativ geringe Staatsverschuldung. Die können das schon noch ein oder zwei Jahre durchhalten. Aber was dann passiert – wer weiß. Ich sehe jedenfalls nicht, dass der Westen in irgendeiner Form Signale der Entspannung sendet. Die Gefahr, dass das entgleist, ist relativ hoch. Aber letzten Endes setze ich mit meinem Fonds doch auf die Vernunft, etwa weil ich die billigen Zykliker gekauft habe.

Alles andere könnte in einer neuen Krise untergehen?
Die ganze Sache hat schon einen gewissen Endspielcharakter. Neben der Russlandfrage, erweist sich ja auch die Politik der Notenbanken  mehr und mehr als Sackgasse. Die zunehmenden staatssozialistischen Maßnahmen ziehen nicht mehr, der Westen ist also auch am Ende. Nach dem Finale kommt es sicher zur Neuordnung des Währungssystems, vielleicht kommt ein Schuldenschnitt oder etwas in der Art. Trotzdem halte ich weiter Aktien, weil sie Sachvermögen - "real Assets" - sind und auch Währungskrisen überstehen. Trifft der schlimmste Fall ein, müssen wir uns über ganz andere Dinge Gedanken machen. Dann müssen wir nicht mehr über die Börse nachdenken.

"Mario Draghi wird Italiens Präsident"
„Der britische Immobilienmarkt wird zusammenbrechen“Bei ihren unwahrscheinlichen, aber nicht zu unterschätzenden Szenarien, geht die Saxo Bank unter anderem davon aus, dass der britische Immobilienmarkt zusammenbrechen wird. Die bevorstehende Zinserhöhung der Bank of England wird die Nachfrage einbrechen lassen und die Preise um 25 Prozent drücken.Quelle: Saxo Bank, Outrageous PredictionsBei den „Outrageous Predictions“ handelt es sich laut Saxo Bank um zehn Szenarien, die zwar unwahrscheinlich sind, bei Unterschätzung der mit ihnen einhergehenden Risiken jedoch enorme Folgen für die globalen Märkte hätten. Quelle: dpa
„China wertet den Yuan um 20 Prozent ab“China macht einen auf Japan und wertet beim Kampf gegen die Deflation die Währung massiv ab. Damit reiht sich die chinesische Zentralbank in den Abwertungswettlauf ein, um die eigene Wirtschaft zu stützen. Quelle: REUTERS
„Mario Draghi legt sein Amt nieder und wird Italiens Präsident“Ein unwahrscheinliches, aber mögliches Szenario: EZB-Chef Mario Draghi überlässt den Kampf für die Inflation und die Wirtschaft Europas einem anderen. Stattdessen kandidiert er als Präsident in Italien und erhält dafür eine Empfehlung des aktuellen Präsidenten Napolitano, der sich damit für die niedrigen Zinsen bei den Staatsanleihen bedankt. Quelle: REUTERS
„Europa wird keinen Sommer erleben“Der der bereits aktive isländische Vulkan Bardarbunga wird ausbrechen und giftiges Schwefeldioxid freisetzen. Der Himmel über Europa wird sich verdunkeln und das Klima wird sich verändern. Ängste vor Ernteausfällen werden die Getreidepreise in die Höhe treiben. Quelle: dpa
„Der Kakaopreis wird auf 5.000 Dollar pro Tonne steigen“Die asiatische Mittelschicht wird immer größer und verlangt immer mehr nach Schokolade – und auch der Westen greift immer häufiger zu Kakaoprodukten. Damit wird die Nachfrage nach Kakao das Angebot weit übertreffen und den Preis auf 5.000 Dollar pro Tonne treiben. Quelle: dpa-dpaweb
„Großbritannien steht vor dem Austritt aus der EU“Bei der Wahl im Mai 2015 wird die UKIP überraschend 25 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und eine Koalition mit der Konservativen Partei eingehen. Schließlich wird die UKIP dann ein Referendum zum Austritt aus der EU ausrufen. Quelle: REUTERS
„Hochzinsanleihen schießen durch die Decke“Bei hochverzinslichen Anleihen werden Anleger vor geringer Liquidität und starken Preisrückgängen stehen. Wenn alle durch den engen Flaschenhals flüchten und verkaufen, wird die europäische Wirtschaft wieder erschüttert. Der Markit iTraxx Europe Crossover-Index verdoppelt sich 2015 auf 700 Basispunkte. Quelle: dpa

Wie bereiten Sie sich auf eine neue Krise vor?
Deshalb setze ich auf Sachvermögen, den Schwankungen zum Trotz vor allem auf Aktien und etwas Gold. Anlagen in Geldforderungen sind hingegen deutlich zu verringern, zumal es dort auch keinen Renditen gibt.

Selbst die gestiegenen Renditen der US-Staatsanleihen sind für Sie uninteressant?
Ich will den Teufel nicht an die Wand malen. Aber mit Geldvermögen fühle ich mich im Moment unwohl, obwohl es natürlich weniger schwankt. Wenn die Zinsen noch etwas steigen, würden wir uns US-Staatsanleihen nochmal ansehen. Aber was soll ich mit einer amerikanischen Staatsanleihe mit drei Prozent Verzinsung, wenn ich bei Aktien vier bis fünf Prozent Dividendenrendite bekomme? Wenn sie sich die Verschuldungssituation der Staaten anschauen, die ihre Rückzahlungen strecken oder auch mal ausfallen lassen, sieht man, dass der Westen mit der Politik des billigen Geldes an Grenzen stößt. Dann ist eine Dividendenausschüttung auch nicht unsicherer als der Schuldendienst der Staaten.

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