Bundesgerichtshof Schwere Gerichts-Schlappe für Accessio-Kunden

Die Münchner DAB Bank muss voraussichtlich nicht für Anlageverluste von Accessio-Kunden (früher: Driver & Bengsch) haften. Anleger bleiben damit wohl auf Millionenverlusten sitzen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Münchner DAB Bank muss voraussichtlich nicht für Anlageverluste von Accessio-Kunden haften. Quelle: Presse

Frühere Kunden des insolventen Finanzdienstleisters Accessio (früher: Driver & Bengsch) haben vor dem Bundesgerichtshof eine schwere Schlappe erlitten.

Die Richter des elften Zivilsenats signalisierten, dass die früher eng mit Accessio kooperierende DAB Bank aus München nicht für Schäden von Anlegern haften müsse. Die mündliche Verhandlung fand zu zwölf laufenden Verfahren statt (unter anderem XI ZR 176/15, XI ZR 167/15, XI ZR 177/15). Die in Kürze erwarteten Urteile werden damit wohl der letzte, für Anleger negative Schlussakt in einem jahrelangen Rechtsstreit sein.

Anlegeranwälte bezeichneten den absehbaren Ausgang des Verfahrens als überraschend. Er sei "ärgerlich und inkonsequent", sagt Paul Naacke, Fachanwalt für Kapitalmarktrecht bei Weidhas Veting Naacke in Berlin. Die Entscheidung stehe in direktem Widerspruch zu einer früheren BGH-Entscheidung, sagt Thorsten Krause, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei KAP Rechtsanwälte aus München. Die DAB-Bank stand direkt im Anschluss an die Verhandlung nicht für eine detaillierte Stellungnahme zur Verfügung. Sie hatte aber bereits früher erklärt, dass die DAB „keine Kenntnis von der von Anlegeranwälten behaupteten systematischen Falschberatung der Anleger durch die Accessio hat und hatte“.

Frühere Kunden des insolventen Finanzdienstleisters Accessio haben vor dem Bundesgerichtshof eine schwere Schlappe erlitten. Quelle: dpa

Schon die Vorinstanzen hatten in dem Rechtsstreit unterschiedlich geurteilt. Einzig der fünfte Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München unter Richter Guido Kotschy hatte sich nach intensiven Zeugenvernehmungen und Verhandlungen  für eine Haftung der DAB Bank entschieden:  Die Direktbank müsse für die seit Spätsommer 2007 von Accessio-Kunden erlittenen Anlageverluste aufkommen. Diese Urteile dürfte der Bundesgerichtshof nun jedoch kippen.

Zwei andere Zivilsenate am selben Oberlandesgericht hatten Anlegerklagen schon vorher abgewiesen. Für Richter Kotschy wäre es damit ebenfalls eine Niederlage – die zweite in kurzer Zeit. Er hatte nach dem aufsehenerregenden Prozess um die Pleite des Kirch-Konzerns vor dem Oberlandesgericht München einen Prozess gegen Deutsche-Bank-Manager ins Rollen gebracht. Doch das Landgericht München sprach diese am Montag vom Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs frei.

Anleger fühlten sich von Accessio betrogen. Das Wertpapierhandelshaus hatte früher 40.000 Kunden mit rund einer halbe Milliarde Anlagesumme. Sie waren meist mit hohen Tagesgeldzinsen gelockt worden, bekamen dann jedoch riskante Anleihen und Genussscheine von gut einem Dutzend kleinerer Unternehmen vermittelt. Viele der Unternehmen, auch Accessio selbst, rutschten später in die Insolvenz. Die WirtschaftsWoche hatte früh über das dubiose Netzwerk der Accessio berichtet.

Ein herber Schlag

Die DAB Bank war Kooperationspartner von Accessio und führte Konten und Depots der Kunden. Weil Accessio-Kunden beim insolventen Finanzdienstleister selbst keine Chance mehr auf Schadensersatz hatten, wandten sie sich mit ihren Klagen gegen die DAB Bank. Schon 2013 hatte sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall befasst. Er entschied, dass die DAB nur dann für die bei Accessio entstandenen Verluste haften müsse, wenn Accessio-Kunden nachweisen können, dass sie falsch beraten worden sind, es eine systematische Falschberatung gegeben habe und die DAB davon wusste oder hätte wissen müssen und nicht gewarnt hat (XI ZR 431/11).

Diese Bedingungen sah das OLG München noch erfüllt. Ein von der Finanzaufsicht BaFin beauftragter Prüfbericht belege systematische Fehlberatung. Dieser hatte bei untersuchten 1111 Kundendepots in allen Fällen Fehler aufgezeigt. So passten Wertpapiere nicht zum Kundenprofil. Die Ergebnisse seien dem Accessio-Aufsichtsrat seit Sommer 2007 bekannt gewesen. Da ein DAB-Manager dort Mitglied war, müsse die DAB sich dieses Wissen zurechnen lassen - obwohl ein Aufsichtsrat grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.

Genau dieser Punkt stieß den BGH-Richtern auf. "Die BGH-Richter haben nun in den Vordergrund gestellt, dass die DAB-Bank sich nicht Kenntnisse eines ihrer Manager, der im Accessio-Aufsichtsrat saß, zurechnen lassen muss", sagt Anwalt Naacke. "Dies soll an den aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten von Aufsichtsräten liegen." Zudem wiesen die BGH-Richter darauf hin, dass es keine Belege für eine Kenntnis des DAB-Bank-Managers von individueller Fehlberatung im Einzelfall gebe.

Diese Aspekte waren zwar auch schon bei der früheren BGH-Entscheidung bekannt, hatten damals aber keine größere Rolle gespielt. Die neue Sichtweise sei für geschädigte Anleger „ein herber Schlag ins Gesicht, denn die vom BGH nun angesetzte Kenntnis der DAB Bank von einer individuellen Fehlberatung des einzelnen Kunden wird praktisch unmöglich nachweisbar sein“, sagt Anwalt Krause.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%