Bundesschatzbriefe Sieg der Banken

Im Kampf um das Privatkundengeschäft der Finanzagentur hat die Bankenlobby gewonnen. Vermutlich wird der Bund sein Geschäft mit Privatkunden einstellen. Für Anleger ist das ein Verlust.

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Schildkröte in Not: Die Werbefigur Günther Schild sollte Anleger von Bundeswertpapiere überzeugen. Die Werbekampagne stammte von der Agentur

So kann man sich selbst ein Geschäft kaputt machen: Erst wird es auf Sparflamme gekocht, es gibt keine Werbung mehr und keine neuen Produkte, weil die Banken-Lobby protestiert hat und man ihr bloß keine Konkurrenz machen will. Am Ende wird das Geschäft dann eingestellt, mangels Masse, weil die Kosten zu hoch sind.

Die Rede ist vom Privatkundengeschäft der Finanzagentur, der Bundesbehörde im Frankfurter Mertonviertel, die die Schulden des Bundes managt und dafür Wertpapiere ausgibt, von der 30-jährigen Bundesanleihe bis hin zur Tagesanleihe des Bundes. Private können bei ihr ein Schuldbuchkonto führen und Papiere spesenfrei ordern.

Wo die Deutschen ihr Vermögen anhäufen
Immer reicherDas Vermögen der Deutschen wächst und wächst. Seit Jahrzehnten steigert sich das Geldvermögen der Privathaushalte fast stetig - zuletzt gab es zu Beginn der Finanzkrise 2008 eine Delle in der Kurve. Nach der Wiedervereinigung lag das Geldvermögen noch bei 1,751 Billionen Euro, fünf Jahre später hatte es schon einen Wert von vier Billionen Euro. 2011 stieg das Vermögen um rund 57 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr an. Die positive Konjunktur und die stabile Lage am Arbeitsmarkt hätten das verfügbare Einkommen gesteigert und damit die Vermögensbildung begünstigt, erklärten die Währungshüter. Gebremst wurde die Entwicklung durch Kursverluste an den Kapitalmärkten Quelle: ap
Bargeld und SichteinlagenDen größte Teil des Vermögens der deutschen Privathaushalte liegt noch immer auf dem Konto und in Bargeld vor. Fast zwei Billionen Euro in Geldnoten und Sichteinlagen befindet sich im Besitz der Deutschen. Rund 608 Milliarden Euro davon waren im vergangenen Jahr in Spareinlagen angelegt, berichtet die deutsche Bundesbank. Quelle: gms
TermingelderZugelegt im Bereich der Sichteinlagen haben erstmals seit Beginn der Finanzkrise im Herbst 2008 das Volumen bei Termineinlagen. Mit 280,5 Milliarden Euro haben Deutsche in diesem Jahr 18 Milliarden Euro mehr in den kurz- und mittelfristigen Anlagen bei Banken und Geldinstituten angelegt. Hintergründe sind laut Bundesbank die wieder größere Zinsspanne im Vergleich zu den täglich fälligen Einlagen und die schwindende Rendite bei festverzinslichen Wertpapieren. Quelle: ap
VersicherungenAuch die Versicherer vom wachsenden Vermögen. Neben den Banken sind sie die größten Verwalter: Mit fast 1,4 Billionen Euro Ansprüchen der Versicherten ist ein Großteil des Geldes bei ihnen angelegt. Im Vergleich zum Vorjahr wuchs 2011 das Vermögen, das insbesondere in langfristigen Produkten wie Lebensversicherungen angelegt ist um 45 Milliarden Euro. Quelle: dpa
AktienAn der Börse hingegen sind die Deutschen vorsichtiger geworden. 2010 lagen noch 243,5 Milliarden Euro des Vermögen der deutschen Privathaushalte in Aktien, ein Jahr später sind es nur noch 221,4 Milliarden Euro - rund 22 Milliarden Euro weniger. Quelle: dapd
ZertifikateZertifikate locken auch wegen des höheren Risikos mit mehr Erträgen im Vergleich zu Aktien. Bei den Deutschen siegte jedoch die Vorsicht: Auch das Vermögen in Zertifikaten ging deutlich zurück. Während 2010 noch rund 435 Milliarden Euro des Vermögens der deutschen Privathaushalte in Investmentzertifikate angelegt war, sind es 2011 nur noch knapp 395 Milliarden Euro (minus 40 Milliarden). Das lässt sich zum Teil auch durch die teils hohen Kursverluste erklären. Quelle: dpa
Festverzinsliche Wertpapiere247 Milliarden Euro befinden sich in festverzinslichen Wertpapieren wie Schuldbriefe oder Anleihen. Ein Jahr zuvor waren das mit 259,6 Milliarden Euro noch ein wenig mehr. Quelle: dpa

Günther Schild warb für entspannende Geldanlagen

Doch damit soll es, berichtet das "Handelsblatt", Ende des Jahres vorbei sein. Für Privatanleger und Steuerzahler ist dies ärgerlich. Denn eigentlich gewinnen durch diese Geschäfte beide, Anleger und der Fiskus. Wenn der Bund viele Wertpapiere an Privatanleger verkauft, wird er weniger abhängig von Großinvestoren und kann sich günstiger verschulden. Sparer leihen einem der weltweit sichersten Schuldner ihr Geld und kassieren spesenfrei Zinsen.

So stellte sich der Bundestag die Zukunft des Privatkundengeschäfts der Finanzagentur vor, die die Schulden des Bundes managt. 2006 verabschiedete der ein Gesetz, mit dessen Hilfe mehr Privatkunden gewonnen werden sollten, "zur Diversifizierung der Kreditaufnahme" und um "dem Bürger zugleich eine sichere Geldanlage beim Bund anzubieten".  

Im Juli 2008, rechtzeitig zur Eskalation der Finanzkrise, kam der Bund mit seiner Tagesanleihe auf den Markt. Die Finanzagentur warb mit der behäbigen Schildkröte Günther Schild für die "entspannendste Geldanlage Deutschlands". Die Agentur wollte die Zahl der Kunden auf eine Million verdoppeln, bereitete einen Sparplan vor, über den Anleger regelmäßig in einen Korb von Bundeswertpapieren investieren sollten. Auch an inflationsgesicherten Schatzbriefen wurde in der Agentur im Frankfurter Mertonviertel gebastelt, zuletzt auch an fondsähnlichen Produkten. Die wären sicherlich günstiger als viele von der Fondsbranche gegen saftige Gebühren verkauften Renten- und Geldmarktfonds.

Sparkassen laufen Sturm

Entwicklung der Staatanleihen in der Schuldenkrise
Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe seit Januar 2010 Quelle: Bloomberg
Bundesanleihen USA Quelle: Bloomberg
Staatsanleihen Griechenland Quelle: Bloomberg
Bundesanleihen Portugal Quelle: Bloomberg
Bundesanleihen Irland Quelle: Bloomberg
Bundesanleihen Italien Quelle: Bloomberg
Bundesanleihen Spanien Quelle: Bloomberg

Doch statt einer Million Konten wurde es zuletzt nur noch 300.000. Denn die Schuldenmanager des Bundes hatten ihre Rechnung ohne Banken und Sparkassen gemacht. Deren Verbände liefen Sturm gegen die Privatanleger-Pläne. 2008 wetterte ausgerechnet der damalige Bankenpräsident Klaus Peter Müller, dessen Commerzbank wenig später vom Staat gerettet werden musste, gegen "beachtliches Fehlverhalten und einen Verstoß gegen die soziale Marktwirtschaft".

Vielen Investoren geht Sicherheit vor Rendite

Bei FDP und CDU/CSU fanden die Banken dennoch Gehör. Nach der Bundestagswahl fand sich auf Seite 21 des Koalitionsvertrag eine kleine Passage: "Die Finanzagentur Deutschland soll unter Berücksichtigung der haushalterischen Belange des Bundes so wenig wie möglich mit Kreditinstituten in Wettbewerb treten."

Zugegeben:  Zurzeit sind die Zinsen, die der Bund bietet, extrem dürftig: 0,18 Prozent etwa bringt die Tagesanleihe, bei einigen Papieren zahlen Investoren sogar drauf, real, nach Abzug der Inflationsrate, ist dies bei allen der Fall. Doch vielen Investoren, auch den ganz Großen, geht Sicherheit vor Rendite ­ und wenn sie schon auf Zinsen verzichten, wollen sie ihr Geld bei der Instanz parken, die im Fall einer großen Krise sicher als letzte pleitegehen würde.

Privatanleger werden Bundespapiere weiter ordern  ­ nur werden sie nicht mehr an der Quelle kaufen und dafür künftig bei der Bank Spesen bezahlen. Schlimmer noch: Vor so mancher Order werden sie sich erst mal gegen ihren Bankberater durchsetzen müssen, der darauf drängt, anstelle der ach so unattraktiven Bundespapiere doch lieber das "garantiert sichere" und "viel attraktivere rentierende" Zertifikat zu bestellen -  an dem die Bank natürlich mehr verdient.

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