Cat-Bonds-Markt Hurrikan Irma trifft Anleger - und Hypothekenbanken

Wenn Irma über Florida fegt, zittern Anleiheinvestoren mit. Sturmrisiken in dem Bundesstaat sind stark über Katastrophen-Anleihen abgesichert. Nehmen die Schäden überhand, fallen Rückzahlungen mitunter komplett aus.

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Von Hurrikan Irma beschädigte Tankstelle in Florida. Quelle: REUTERS

Die Hurrikan-Saison in den USA ist für Stefan Müller immer aufreibend. Der Schweizer Fondsexperte kann mitunter den „Ausfall“ einer Anleihe, in die er investiert hat, live am Fernseher mitverfolgen. Und wenn das Sturmtief „Irma“ über der Karibik wütet und in Richtung Florida zieht, dann bewegt es sich in Müllers „Hauptrisikozone“. Müller investiert für einen speziellen Rentenfonds in so genannte Katastrophen-Bonds, kurz Cat-Bonds genannt. Cat-Bonds sind am Anleihenmarkt beliebt, weil sie Anlegern je nach Risikokategorie hohe teilweise zweistellige Zinskupons bieten und so eine Flucht aus dem Niedrigzinsumfeld ermöglichen.

Doch verheerende Stürme mit ganz harmlosen Namen wie Irma machen die Investoren nervös, wenn sie die Küsten Mexikos, der Bermudas und vor allem Floridas entlangbrausen. Die Züricher Solidum Partners, für die Müller arbeitet, hat sich unter anderem auf diese Cat-Bonds spezialisiert (Solidum Cat Bond Fund, LI0049587293). In dem Fonds stecken Anleihen, die Versicherer, Rückversicherer oder Staaten ausgeben, um sich gegen hohe Schäden durch tropische Hurrikans, Erdbeben, Überschwemmungen oder Feuersbrünste abzusichern. Anleger, die diese Papiere kaufen, treten damit an die Stelle von Rückversicherern und haften für die Schäden aus versicherten Naturkatastrophen.

Bleiben die innerhalb der Laufzeit der Anleihen aus, kann sich der Anleger über einen guten Ertrag freuen. Durchschnittlich warf der von Müller gelenkte Solidum Cat Bond Fund 3,5 Prozent Rendite ab, bei nur etwas mehr als einem Jahre Restlaufzeit der Anleihen.

Katastrophen-Bond-Fonds

Nehmen die Schäden überhand, fallen Zinszahlungen und im Extremfall die Rückzahlung der Anleihen mitunter auch komplett aus („default“). Dieses Risiko wird mit Zinsen vergütet, die deutlich über denen normaler Unternehmensanleihen liegen. Während Anleger im Pleitefall normaler Bonds auch aus der Insolvenzmasse noch Rückzahlungen bekommen können, ist das Geld bei Cat-Bonds im Default-Fall komplett verloren, weil ja der Zweck des Cat Bonds – Versicherungsdeckung bereitzustellen – erreicht wurde.

Florida ist jetzt so brisant, denn in dem Bundesstaat gelten Privathaushalte und Unternehmen als gut versichert. Ein vom Rückversicherer Swiss Re zusammengestellter Cat-Bonds-Index enthält zu rund 65 Prozent Anleihen, die allein Sturmrisiken an der US-Ostküste absichern sollen.  Der Indexkurs ist in einer Woche um 16 Prozent gesunken. Experten wie Müller müssen jetzt beurteilen, ob der Abschlag übertrieben hoch ist oder durchaus berechtigt. Am meisten gezittert hat Müller vergangene Woche Donnerstag und Freitag, als es noch durchaus plausibel war, dass Irma Miami, Fort Lauderdale und Palm Beach, die für die Industrie sehr teuren Orte, voll treffen könnte.

Für Rückversicherer seien Schäden in Miami und New York besonders teuer, weil hier die Versicherungswerte und -dichte hoch seien. Die Flut in Houston durch Harvey hingegen sei für den Cat-Bonds-Markt kein großes Problem, weil Flutschäden häufig von Privathaushalten gar nicht versichert werden könnten, bei den Unternehmen allerdings steige der versicherte Schaden momentan noch, so Müller.

Bis Montag hat Irma einen – wie der Experte es einschätzt –„deutlich weniger schadenintensiven Pfad an der Westküste von Florida genommen“, und so ist auch Müller raus aus dem Krisenmodus.

Dass der Kapitalmarkt nicht in Panik gerät, liegt daran, dass der Cat-Bonds-Markt insgesamt bislang nur ein Volumen von weltweit 30 Milliarden Dollar erreicht hat und deshalb nicht die Wucht besitzt, andere Märkte mit in die Tiefe zu reißen.

Zudem hätten Investoren über fast zwölf Jahre auch bei Florida-Bonds gut verdient. Im Jahr 2005 gab es den letzten Cat-Bonds-Event in Florida mit dem Hurrikan Wilma, der 62 Menschen das Leben kostete und Schäden in Höhe von rund 30 Milliarden Dollar verursachte.

War das Risiko jetzt stark gestiegen, nachdem es so lange ruhig war in Florida? Nein, meint Müller, ein Hurrikan habe kein Gedächtnis, es seien viele meteorologische Einflüsse, die zu einem solchen Sturmtief führen können, aber nicht zwangsläufig führen müssen. Irma hat sich nicht als der Monstersturm über Florida entwickelt, als der er letzte Woche angekündigt wurde.

Müller aber warnt auch vor weiteren Folgen, nicht nur für seine Cat-Bonds: „Ein Extremereignis – Hurrikan Irma gehört nicht in diese Kategorie - könnte auch ein Problem für manche lokale Hypothekenbank werden, wenn Hausbesitzer nach dem Sturm einfach die Schlüssel ihrer Häuser bei der Bank abgeben und die Kredite nicht zurückzahlen.“ Auch habe sich etwa nach der Flut in New Orleans gezeigt, dass manche Bewohner nicht zurückkommen und die Stadt sich entvölkert. Dann gingen Steuereinnahmen zurück und der Staat könnte durch hohe Infrastrukturausgaben Finanzierungsprobleme bekommen. So kommt die Katastrophe dann mitunter doch wieder am normalen Kapitalmarkt an.

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