Risikoklasse des Anlegers
Anlegeranwälte schauen sich anfangs an, in welche Risikoklasse sich der Anleger hat einstufen lassen und wie er bislang sein Geld bei der Bank angelegt hat. „Hat der Anleger bislang noch nie riskante Anlagen gekauft und der Berater hat ihm dann griechische Staatsanleihen empfohlen, sehe ich keine anlegergerechte Beratung“, sagt Anlegeranwalt Peter Hahn, Partner der Hamburger Kanzlei Hahn Rechtsanwälte. Folge: Die Chance des Anlegers steigt, dass eine Schadenersatz-Forderung Erfolg haben könnte. Das gilt vor allem, wenn der Anleger bei der Bank als sicherheitsorientierter, also konservativer Anleger, eingestuft war. Wer also schon viele Zertifikate und Aktien im Depot hatte, für den dürfte es schwieriger werden nachzuweisen, dass er ein sicherheitsorientierter Rentenanleger ist.
Anlegeranwälte rüsten sich jetzt, um von Banken Schadenersatz zu erstreiten. Die Hamburger Kanzlei Gröpper Köpke vertritt mittlerweile weit über 700 Griechenland-Geschädigte. Die meisten, heißt es auf der Internetseite, seien von der Bank nicht über die Risiken aufgeklärt worden. Unter den Mandanten seien „überproportional viele Commerzbank-Kunden“. Dieser Eindruck bestätigt sich auch bei der Kieler Kanzlei Helge Petersen, die schon rund 25 Mandanten in dieser Sache betreut – ebenfalls überwiegend Kunden der Commerzbank. Der Bank liegen bislang nach eigenen Angaben drei Klagen von Kunden vor.
Die Commerzbank sagt sie könne nur zu zwei Fällen Stellung nehmen, da sie die restlichen noch nicht nachvollziehen könne. In dem Fall eines Beratungsgespräches aus April 2011 habe „der Kunde von sich aus konkret nach ausländischen Staatsanleihen“ gefragt und hätte auch Erfahrung mit solchen Anlagen gehabt. In einem Beratungsgespräch im März 2012 habe ein Anleger bereits Anleihen aus Griechenland besessen. „Das Segmentvotum zu diesem Zeitpunkt war ‚Halten‘. Dieses Votum hat der Berater dem Kunden mitgeteilt und korrekt im Beratungsprotokoll vermerkt“, teilte die Bank mit. Es sei „ausdrücklich darauf hingewiesen“ worden, „dass ein nachträglicher zwangsweiser Umtausch von Griechenland-Anleihen zu Kursverlusten führen“ könne.
Zeitpunkt der Empfehlung
Ob Anleger eine Chance auf Schadenersatz haben, dürfte vor allem davon abhängen, wann die Bonds empfohlen wurden. Die Nachrichtenlage könnte dabei rückblickend entscheidend sein. Was war zum Zeitpunkt der Empfehlung öffentlich bekannt? Beispiel: Schon im März 2010 wurde über eine Staatspleite Griechenlands spekuliert. Die Euro-Länder sagten Athen vorsorglich ein Hilfspaket unter Beteiligung des Internationalen Währungsfonds zu. Mai 2010: Griechenland drohte die Insolvenz. Das Land sollte Notkredite von 110 Milliarden Euro bekommen. Eine wichtige Frage könnte sein: Durften sich Berater zu diesem Zeitpunkt darauf verlassen, dass Griechenland unter allen Umständen gerettet wird und das Geld der Anleger sicher sei? Der Berater sei verpflichtet, Anleger über eine solche Situation aufzuklären, sagen die Rechtsanwälte. Und Argentinien lässt grüßen! Damals zog der Internationale Währungsfonds die Reißleine und das Land schlitterte doch noch in den Bankrott.