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Chefstratege im Interview „Die Anleger verlieren Chancen aus den Augen“

Das Chaos an den Märkten verschreckt Anleger. Sie flüchten in vermeintlich sichere Anlagen. Ein Fehler, meint Paul Sweeting. Im Interview erklärt der Chefstratege von JP Morgan AM, warum Anleger viele Chancen verpassen.

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Paul Sweeting, Europa-Chef bei JP Morgan Asset Management. Quelle: Pressefoto

An den Märkten geht es gerade turbulent zu. Wie reagieren die Anleger darauf?

Die Aktienmärkte machen seit einiger Zeit eine Achterbahnfahrt mit. Anleger haben da nicht die Renditen erzielt, die sie wollten. Sie haben den Appetit auf Risiko verloren. Leider treibt sie das oft dazu, ihr Geld in eine Immobilie zu stecken. Doch nur weil ich Steine und Mörtel vor mir sehe, ist das noch kein gutes Investment.

Was machen Anleger gerade falsch?

Durch die Krise haben Anleger das Vertrauen in einige Anlageinstrumente verloren – dabei verlieren sie aber auch die Chancen aus den Augen. Produkte zur Altersvorsorge zum Beispiel meiden sie, weil die Märkte zu unruhig sind. Dabei kommt die steuerliche Begünstigung der Altersvorsorge einer saftigen Sofortrendite gleich, die mit den Finanzmärkten nichts zu tun hat. Doch solche Chancen verpassen viele Anleger gerade.

Wenn die Börsen auf breiter Front einbrechen, wo ist dann für die Anleger noch was zu holen? 

Derzeit sehen Anleihen in Schwellenländern besonders attraktiv aus: Bei hohen möglichen Renditen ist die Bonität einiger Länder dort verhältnismäßig gut. Viele Chancen bieten auch Investitionen in Infrastruktur – durch Aktien wie durch Anleihen. Über diesen Sektor kann man am meisten von der Wirtschaftskraft der Schwellenländer profitieren, anstatt in Unternehmen zu investieren, die ihren Profit ganz woanders machen. Schwellenländer sind nicht ewig an der Schwelle – irgendwann sind das große Global Player.

Sind die Märkte in Europa denn so wacklig, dass sogar Schwellenländer mehr Sicherheit bieten?

Natürlich sind Investitionen in Schwellenländer nicht ohne Gefahren. Möglich ist zum Beispiel, dass sich Schwellenmärkte mit ihren eigenen Problemen untereinander anstecken. Doch wer mit langem Atem anlegt, kann solche Verluste wieder ausgleichen. Dann kann es auch Vorteile haben, sein Risiko zu konzentrieren.


Die Menschen spüren den Schock viel stärker

Steht es wirklich so schlecht um die Finanzmärkte, oder kommt einem die aktuelle Krise immer als die schlimmste vor?

Es stand schon schlimmer an den Märkten, aber erst seit dem 21. Jahrhundert sind uns die Bewegungen an den Börsen so bewusst. Durch das Internet sind Finanznachrichten leichter zugänglich, und Leute haben die Möglichkeit, ihr Geld selbst direkt zu investieren. Dadurch spüren sie einen Schock an den Märkten viel stärker.

Welche Gefahren bringt diese neue Dynamik mit sich?

Die Geschwindigkeit, mit der sich Märkte voneinander anstecken lassen, ist größer geworden. Schuld an den schnellen und drastischen Abstürzen am Markt hat aber auch der noch relativ neue Hochgeschwindigkeitshandel mit Computern.

Treibt das die Anleger zu irrationalem Handeln?

Ein rationaler Markt geht gegen die menschliche Natur. Das ist schon so, seit Menschen ihre Häuser veräußerten, um Tulpenzwiebeln zu kaufen. Geschichte wiederholt sich – nur die Mechanismen sind jedes Mal anders.

Zur Person

Paul Sweeting ist seit Mai 2011 Europa-Chef der JP Morgan Asset Management Strategy Group. Er ist verantwortlich für Analagestrategie, Analyse und Risikomanagement, insbesondere gegenüber den institutionellen Kunden. Zuvor war Sweeting für die Münchener Rück und Fidelity Investments.

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