China Wie Chinas scheinbares Wachstum Investoren täuscht

Anleger weltweit sorgen sich kaum noch um Chinas Wirtschaft, die offenbar guten Zahlen sorgen für naiven Optimismus. Das könnte sich rächen: Das Land hat ein gewaltiges Schuldenproblem.

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Geisterstadt nach Bauboom. Quelle: dpa Picture-Alliance

Chinas Wachstumsschwäche war der Hauptgrund für die beiden heftigen Aktiencrashs im vergangenen August und in den ersten sechs Wochen dieses Jahres. Anleger fürchten, dass die Probleme im Reich der Mitte das globale Wachstum bremsen. Aber offenbar ist die Angst im Februar gewichen: Der Standard & Poor’s 500 Index stieg um 13 Prozent.

Mut machten den Händlern etwas bessere Quartalszahlen, die eine Stabilisierung der Wirtschaft erkennen lassen. Die Industrieproduktion erholte sich im ersten Quartal leicht, und die Behörden in Peking melden einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 6,7 Prozent. Im März wuchsen die chinesischen Devisenreserven zum ersten Mal seit Monaten wieder, der Yuan festigte sich, und die Kapitalflucht scheint abzuebben.

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Geschönte Zahlen und hohe Schulden

Doch westliche Anleger sollten nicht übereilt auf die Wende zum Guten setzen. Erstens weiß man nur zu gut, dass die chinesische Regierung die BIP-Werte regelmäßig schönt. Zweitens ächzt China unter enormen Schulden. Im ersten Quartal geriet die Regierung in Peking offenbar in Panik und pumpte neue Kredite von fast einer Billion Dollar in die Wirtschaft. Eine enorme Summe, selbst für ein Land mit einem BIP von zehn Billionen Dollar. Die Kreditspritze war die größte Geldmengenausweitung, die in China je in einem Quartal verzeichnet wurde, größer noch als 2008 oder 2009.

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Trotz der geplanten Restrukturierung, die China weg von einer industriell geprägten hin zu einer Konsumgesellschaft führen soll, scheint man sich auf ein altes Modell verlegt zu haben: Schulden als Wachstumsmotor. Dementsprechend ist die Verschuldung, die 2008 bei rund 150 Prozent des BIPs stand, auf weit über 300 Prozent gewachsen. Die Berechnung – mit einem höheren Ergebnis als in anderen Schätzungen – stammt von Victor Shih, Professor an der University of California in San Diego und Experte für das chinesische Finanzsystem.

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Demnach trüge China eine viel höhere Schuldenlast als andere Schwellenländer. Das Land zahlt damit den Preis für die Fehlinvestitionen der vergangenen Jahre. Es wurden Geisterstädte hochgezogen, deren Wohnungen leer stehen, Geld in Prestigeprojekte wie Autobahnen, Brücken und Messezentren gepumpt und unnötige Industriekapazitäten aufgebaut. Diese Projekte haben vorübergehend das BIP getrieben, können nun aber nicht die zur Finanzierung ihrer Schulden nötigen Geldströme erwirtschaften.

Neue Schulden und kein Ende

Die so entstandenen faulen Kredite werden immer wieder erneuert, um sie zu verstecken. Zahlungsausfälle werden durch Geldspritzen staatlicher Gesellschaften kaschiert. Die wohl klarsten Worte dazu fand Hedgefondslegende George Soros vor einigen Wochen in einer Rede vor der Asia Society in New York. Er sprach von einer möglichen harten Landung in naher Zukunft. Soros sieht eine „gespenstische Ähnlichkeit mit den Ereignissen der Finanzkrise in den USA 2007 und 2008: Das von den Banken kommende Geld wird großteils eingesetzt, um faule Kredite und verlustbringende Unternehmen am Leben zu erhalten.“

Die Länder mit den größten Goldreserven
Platz 10: Indien Quelle: REUTERS
Platz 9: Die Niederlande Quelle: REUTERS
Platz 8: Japan Quelle: REUTERS
Platz 6: Schweiz Quelle: AP
Platz 7: Russland Quelle: dpa-tmn
Platz 5: China Quelle: dapd
Platz 4: Frankreich Quelle: dapd

Die künstlich herbeigeführte Belebung im ersten Quartal hat zudem bei vielen Investoren zu einer Fehlinterpretation geführt. Sie glauben, dass das lange Darniederliegen der Rohstoffpreise nun durch die vermeintlich wieder aufkeimende chinesische Nachfrage beendet sei. Der Handel in Eisenerz-Terminkontrakten schwoll zum Vorjahr etwa um über 400 Prozent an. Oft war das tägliche Handelsvolumen größer als die gesamte Menge an Eisenerz, die China im Jahr importiert. Der Stahlrohstoff hat sich seit Jahresstart um rund 40 Prozent verteuert.

Der regen Handelstätigkeit steht jedoch kein entsprechender Nachfrageboom in der Realwirtschaft gegenüber. Vielmehr erwarten die Experten von JCapital, einem auf China spezialisierten Forschungsinstitut, auf Basis ihrer Recherchen vor Ort eine um vier bis sechs Prozent geringere Stahl- und Kupfernachfrage. Auch die Frachtkähne von Australien nach China fahren weiter halb leer – bestenfalls, wie aktuelle Satellitenbilder zeigen.

Manche Investoren sind der Meinung, die meisten Entwicklungen innerhalb Chinas blieben global wirkungslos, chinesische Wertpapiere spielten kaum eine Rolle. Auch die Probleme Japans seit 25 Jahren hätten kaum Auswirkungen im Rest der Welt. Wie naiv das ist, zeigt das Beispiel Apple. Apples Umsatz fiel zum ersten Mal seit 13 Jahren, was vor allem am schrumpfenden Absatz in China lag.

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