Craftbrauerei BrewDog Roulette für Anleger

Die Craftbrauer-Rebellen von BrewDog wollen mit dem Geld ihrer Anleger ins Kasino: Wer Aktien beim Roulette auf Rot oder Schwarz setzt, soll die Anteile verdoppeln – oder alles verlieren. Jetzt wurde das Angebot gestoppt.

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BrewDog Co-Gründer James Watt macht seine Brauerei mit unkonventionellen Entscheidungen berühmt. Quelle: PR

Das Ausmaß seiner Ansage hätte kaum größer sein können: „Mit einer verrückten Wette werden wir die Finanzwelt auf den Kopf stellen“, sagt Martin Dickie, Co-Gründer von BrewDog.

Die schottische Craftbrauerei gehört zu den bekanntesten Nachwuchsbrauern in Europa. Seit der Gründung 2006 hat Dickie mit seinem Gründerkollegen James Watt bereits die Bierwelt auf den Kopf gestellt.

Ihre Expansion, bis hin zu einer eigenen Brauerei in Schottland, finanzieren sie vor allem mit Unterstützung ihrer Fans: Die beteiligen die sich mit Anteilen an BrewDog, die das Unternehmen im Rahmen von mehreren Privatplatzierungen ausgab.

Im Sprech von BrewDog sind das nicht bloß Aktien, es sind „Aktien für Punks“. Derzeit gibt es nach Angaben von BrewDog rund 46.000 dieser „Punks“ weltweit. In Großbritannien können sich die Anleger auch über Anleihen am Unternehmen beteiligen. So sammelt BrewDog regelmäßig Millionen ein.

Das funktioniert nur, weil Dickie und Watt sich und ihre Aktionäre als Rebellen auf dem Biermarkt etabliert haben. Watt hat seine Unternehmensstrategie in einem Buch veröffentlicht. Business for Punks heißt das. Mit ihren Produkten polarisieren sie und setzen sich werbeträchtig in Szene.

Beispiel gefällig? 2010  brauten sie das stärkste Bier der Welt mit einem Alkoholgehalt von 55 Volumenprozenten. Die 12 exklusiven Flaschen „verpackten“ sie in ausgestopften Eichhörnchen. Bierliebhaber rissen sich darum und zahlten zwischen 500 und 700 Pfund für eine Flasche.

Und jetzt wollen Dickie und Watt im Rahmen ihrer neuesten Aktienplatzierung eben das Finanzsystem auf den Kopf stellen. In einem Video stellen sie ihre Pläne vor.

Um auf dem US-Markt Fuß zu fassen, wollen sie über ihre US-Tochter nun auch dort Aktien an ihre Craftbeer-Jünger ausgeben. Bis Mitte Januar 2017 können Anleger noch neue Aktien zu je 47,50 Dollar über die Crowdfunding-Plattform Bankroll zeichnen, wenn sie mindestens zwei Aktien abnehmen.

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Und die Revolution, von der Gründer Dickie und Watt im Video sprechen? Eine Wette: Anleger wählen Aktien aus, die im Kasino gesetzt werden sollen – beim Roulettespiel entweder auf Rot oder Schwarz.

Dickie und Watt wollten das Geld der Anleger eigentlich im Frühjahr 2017 mit in ein Kasino nehmen und dort verzocken. Wer richtig tippt, verdoppelt seine Anteile am Unternehmen. Wer auf die falsche Farbe setzt, verliert die Anteile. Auch dann, wenn die Null fällt. Lediglich Rabatte in den BrewDog-Bars und weitere Kundenvorteile, die mit den Aktien verbunden sind, wären Anlegern geblieben.

Die Glücksrunde sollte live für alle Anleger im Internet übertragen werden. Aber nun sieht es danach aus, dass diese Wette niemals zustande kommt. Denn während Watt und Dickie planten, das Finanzsystem auf den Kopf zu stellen, wird ihr Plan nun von eben jenem System zerpflückt.

Keine Zockerei mit Aktien

Kaum, dass sie am 30. November ihren Plan der Wett-Aktien offenbarten, mussten sie nur wenige Tage später bereits alle Informationen dazu von der Website nehmen. „Die verantwortlichen Kräfte scheinen vom Glücksspiel nicht so begeistert zu sein wie wir“, schreiben sie dort in einem kurzen Kommentar. Mehr Informationen erhalten Anleger seitdem nicht.

„Das größte Problem dieses Angebots dürfte sein, dass es nicht den Glücksspielgesetzen der einzelnen US-Bundesstaaten entspricht“, sagt John Basnage, Partner der Kanzlei Hogan Lovells in London, der auf Kapitalmarktrecht spezialisiert ist. Denn Glücksspiel ist nicht in allen Staaten legal. 

In Ohio und Delaware, der Geschäftsadresse und dem Firmensitz von BrewDog in den USA, ist Glücksspiel zwar erlaubt. Da die Aktienplatzierung aber an Anleger in allen US-Staaten gerichtet ist (und auch an Anleger außerhalb der USA),  denkt Basnage, dass es zu umständlich war,  alle Glücksspielgesetze in Betracht zu ziehen und das Angebot darauf anzupassen.

Entsprechende Rechtsberatung in jedem einzelnen US-Staat wäre teuer und zeitaufwändig gewesen: Die Kosten hätten schnell eine Million Dollar erreichen können und der Zeitaufwand für die Prüfung der Wett-Aktion hätte den Start der Wett-Aktion womöglich verzögert.

Weder die US-Finanzaufsicht SEC noch BrewDog selbst wollten sich auf Nachfrage äußern, warum ihr Roulette-Projekt zurückgezogen werden mussten. Basnage hält es für wahrscheinlich, dass Behörden eines Bundesstaates intervenierten, in dem Glücksspiel nicht erlaubt ist. Auch die SEC könnte Bedenken geäußert haben.

Maximal 50 Millionen Dollar wollte BrewDog mit der Platzierung einnehmen, um seine Aktivitäten in den USA aufzubauen. Und die Finanzierungsrunde in den USA hat BrewDog bitter nötig.

 

Zwar wuchsen die Bierumsätze des Unternehmens auf dem Heimatmarkt in Großbritannien mit 68 Prozent im Jahr 2015 auf umgerechnet 61 Millionen Euro deutlich. Der Wachstumstrend über die letzten fünf Jahre zeigt aber bereits nach unten.  Und auf dem weltweit wichtigsten Craftbeer-Markt in den USA machte BrewDog bislang nur Umsätze, die mit 765.000 Pfund vernachlässigbar waren.

Im August genehmigte die SEC das Prospekt für die Privatplatzierung. Doch darin schrieb BrewDog nichts darüber, dass sie diese Aktien anschließend im Kasino setzen wollte. „Ich halte es für wahrscheinlich, dass aus Sicht der SEC ein solches Angebot im Wertpapierprospekt offenbart werden sollte“, sagt Basnage.

„Nicht nur die Auswirkungen für Anleger sollten dort auftauchen, sondern auch die rechtliche Risiken und Unsicherheiten. Dieses Angebot ist eine völlige Neuheit, ungewöhnlich und innovativ“, sagt Basnage. „Allerdings ist es kaum zu erkennen, welcher Nutzen sich für das Unternehmen daraus ergeben sollte – bis auf den Werbeeffekt, den eine solche Idee auslöst.“  

Noch können Anleger die neuen BrewDog-Aktien in den USA zeichnen, die Zeichnungsphase endet Mitte Januar 2017. „Es ist nicht abzusehen,  wie die Wette oder ihre Untersagung die Platzierung beeinflusst“, sagt Basnage. „Theoretisch könnte die SEC die Platzierung noch stoppen, die sie im August bereits genehmigt hatte."

Jeder Anleger sollte für das Roulette-Spiel für seine Aktien bestimmen können, ob sie auf Rot oder Schwarz gesetzt werden sollten. Basnage findet es problematisch, dass hierbei nicht eine Stimme je Aktie gezählt hätte, sondern lediglich eine Stimme pro Person.

Doch allein das aus dem Vertragstext für die Wette herauszulesen, den BrewDog seinen Anlegern vorsetzt, ist eine Herausforderung. „Es sieht so aus, als hätte man versucht mit dem Vertragstext alle Eventualitäten abzudecken. Die Klauseln sind nicht einfach zu lesen, sehr weit gefasst und sie lassen BrewDog umfassende Interpretationsfreiheit.“

Teurer Spaß für Anleger

Ob es sich für Anleger überhaupt lohnt, in die Craftbrauer zu investieren? Bierfans werden vor allem mit Vergünstigungen in Bars und Onlineshops des Unternehmens gelockt. Wer zwei oder drei Aktien hält, bekommt zehn Prozent Rabatt auf seine Einkäufe. Bei sechs oder mehr Aktien gibt es gar 20 Prozent Rabatt.

Doch die Aktien sind teuer: Bezogen auf den Gewinn 2015 und die ausstehenden 6,2 Millionen Aktien machte die britische Holding BrewDog Plc knapp 43 Pence Gewinn je Aktie. Grob überschlagen entspricht das einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 110. Eine Bewertung, die auch der US-Internetriese Amazon locker erreicht.

Mit dem Unterschied, dass es bei BrewDog derzeit nicht danach aussieht, dass das Unternehmen die zukünftigen Gewinnerwartungen der Anleger erfüllen kann. Während Amazon seit zehn Jahren stetige Geldströme aus seinem operativen Geschäft erlöst, und positiven freien Cashflow erwirtschaftet, den das Unternehmen für Dividenden oder Aktienrückkäufe ausgeben könnte, ist das bei BrewDog bislang nicht der Fall.

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Das Umsatzwachstum der schottischen Craftbrauer ist beeindruckend und das Unternehmen  investiert kräftig in neue Produktionsanlagen, Bars und Vertrieb. In den letzten Jahren konnte BrewDog die Investitionen aber nicht durch seine Geldströme aus dem operativen Geschäft stemmen.

Der freie Cashflow lag seit 2010 immer unter der Nullgrenze - für Aktionäre bleiben keine Gelder übrig. So schreibt BrewDog auch, dass es derzeit nicht davon ausgeht, in der absehbaren Zukunft eine Dividende auszuschütten. Die Gewinnspanne von BrewDog liegt mit sechs Prozent mittlerweile unter der der Jahre 2013 und 2014.

Andere Craftbier-Brauereien sind dagegen schon wahre Gewinnmaschinen, wie etwa die dänische Brauerei Mikkeller, die trotz Expansion 2015 eine Gewinnspanne von 49 Prozent erzielen konnte und sie in den letzten Jahren sogar ausbaute. 

Wie teuer Anleger die Aktien der US-Tochter von BrewDog bezahlen müssen, wenn sie dort investieren, lässt sich derzeit nicht verlässlich einschätzen. BrewDog USA Inc wurde erst im Frühjahr 2015 gegründet und konnte noch keine relevanten Gewinne und Umsätze offenlegen. Investitionen für das US-Start-up von 1,8 Millionen Dollar 2015 übernahm die britische BrewDog-Gruppe.

Die einzige Möglichkeit für die Anleger, ihre Aktien wieder zu verkaufen besteht momentan darin, an bestimmten Daten für einen begrenzten Zeitraum die Handelsplattform des Unternehmens zu nutzen. Langfristig liebäugelt BrewDog mit einem Börsengang.

Dass die Wett-Aktien nun gestoppt wurden, könnte im schlimmsten Fall die Expansion von BrewDog in den USA gefährden, wenn die Aktienplatzierung zurückgezogen werden muss.

Und der Markt dort ist heiß umkämpft. Viele der Craftbrauer haben sich in den vergangenen Jahren bereits etabliert. 2015 wuchs das Volumen des produzierten Craftbeers zwar immer noch um 9 Prozent im Vergleich zu 2014.

Die bislang größten Produktionszuwächse verzeichneten Craftbrauer aber schon zwischen 2012 und 2014. Auch die Zahl der neueröffneten Brau-Pubs fiel 2015 bereits deutlich hinter das Niveau von 2014 zurück.

Selbst wenn die Roulette-Aktion nur ein Marketinggag sein sollte, die mächtigen Aussagen der beiden Gründer aus ihrem Video bleiben mit einem fahlen Beigeschmack zurück. Oder ist es auch punkig, sein Wort den Anlegern gegenüber nicht zu halten?  „Zulange hat Wall Street euer Geld verzockt, jetzt setzen wir euch in den Fahrersitz: Wir geben euch die Gelegenheit, eine Zocker-Aktie zu kaufen. Setzt auf Rot oder Schwarz. Und mit einem Dreh stehen möglicherweise Millionen Dollar auf dem Spiel. Verdoppelt das Risiko, verdoppelt die Gewinnchance. Hier geht es nicht darum, etwas zu riskieren, hier geht es darum ein Statement abzugeben.“

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