Crash-Absicherung Anleger ködern mit der Angst vorm Untergang

Finanzdienstleister arbeiten mitunter wie Populisten: Ängste schüren und simple Lösungen wie Edelmetalle und Sachwertanlagen versprechen. Doch Gold oder ein Eigenheim helfen nur bedingt, solide Absicherung geht anders.

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Crashängste: Finanzdienstleister versprechen simple Lösungen. Quelle: Illustration: Mark Conlan

Die Rettung ist 15 Kilo schwer und glänzt. Der bullige Finanzmakler, der gerade ausführlich über Terror, Kriegsgefahr und Politik der Notenbanken gesprochen hat, reckt den Silberbarren in die Höhe, überreicht ihn einem Gast in der ersten Reihe. Während das gute Stück durch die Reihen der rund 50 Zuhörer in einem Saal des Mannheimer Congress Centers wandert, fragt er bedeutungsschwer: „Und, was wäre Ihnen lieber? Bargeld oder der Barren?“

Der Auftritt auf einer Anlegermesse ist typisch für die Marketingstrategien vieler Finanzdienstleister vom wenig regulierten Grauen Kapitalmarkt, die Immobilien, Wald oder Edelmetalle verkaufen und dabei lediglich überschaubare Anlegerschutzauflagen beachten müssen. Euro-Verfall, Währungscrash, Ende des Papiergelds – auf Webseiten, in Broschüren und auf Werbe-Events überbieten sie sich in Schreckensszenarien.

Wenn Finanzexperten und -dienstleister mit düsteren Prognosen arbeiten und zugleich simple Lösungen propagieren, erinnert das jedoch frappierend an Populisten in der Politik.

Wie Europas Währungen ohne Euro auf- oder abwerten müssten
Das SzenarioDer US-Finanzriese Bank of America Merrill Lynch (BoA) wollte es genauer wissen: Analyst Athanasios Vamvakidis hat den Euro-Währungsraum unter der Maßgabe genauer unter die Lupe genommen, dass die Euro-Zone auseinanderbricht und der Euro abgeschafft wird. Hintergrund sind neben den hohen Staatsschulden einzelner Peripheriestaaten vor allem das absehbare Ende der massiven Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB), das sogenannte OMT-Programm, und in der Folge wieder steigende Zinsen. Nur die Geldpolitik der EZB hat 2012 eine Eskalation der Staatsschuldenkrise verhindert, in dem die Kreditkosten für die Peripheriestaaten auf ein historisches Tief gedrückt wurden. Was also passiert, wenn das OMT-Programm endet? Quelle: dpa
Schatten-WechselkurseDie BoA-Experten erwarten, dass die EZB das OMT-Programm im kommenden Jahr reduziert und schrittweise auslaufen lässt. Dadurch würden auch die Finanzierungskosten der Staaten wieder ansteigen, obwohl es länger dauern dürfte, die Leitzinsen wieder anzuheben. Insgesamt rechnet die BoA dann mit höheren Schuldenquoten in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland als 2012 auf den Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise. Ohne einschneidende Reformen steigt somit das Risiko, dass die Euro-Zone auseinanderbricht. Dies vor Augen hat BoA-Analyst Vamvakidis Schattenwechselkurse für die nationalen Nachfolgewährungen gegenüber dem heutigen Euro berechnet. Diese legen Währungsunterschiede zwischen den Euro-Staaten offen, die derzeit durch die Gemeinschaftswährung verborgen sind. Quelle: dpa
GriechenlandGriechenland bleibt das Sorgenkind der Euro-Zone. Trotz spürbarer Fortschritte liegt die Überbewertung Griechenlands zusammen mit der Spaniens an der Spitze. Die griechische Drachme müsste deshalb nach heutigem Stand um 7,5 Prozent abwerten. Immerhin: Vor der Krise lag der Abwertungsbedarf eher bei 30 Prozent, insofern war die Verbesserung deutlich. Nur ein Land der Euro-Zone ist aktuell so stark überbewertet wie Griechenland. Quelle: dpa
SpanienMüsste Spanien zur Peseta zurückkehren, wäre laut BoA eine Abwertung der spanischen Währung um 7,5 Prozent erforderlich. Gegenüber dem Abwertungsbedarf vor der Krise von rund 14 Prozent ist das schon eine Stabilisierung. Allerdings haben sich Spaniens Staatsschulden seit 2008 nahezu verdreifacht. Dank der Geldpolitik der EZB hat sich die Zinsbelastung des Staates jedoch nur um 80 Prozent erhöht. Quelle: Fotolia
FrankreichBräche der Euro heute auseinander, müsste der Franc um fünf Prozent abwerten – und damit deutlich mehr als zu Vorkrisenzeiten. Damals lag die Überbewertung bei nur zwei Prozent. Insgesamt, so Studienautor Vamvakidis, sei die Überbewertung jedoch zu gering, um die Forderungen der Rechtspopulistin Marine Le Pen nach einem Frexit und einer anschließenden Abwertung des Franc zu rechtfertigen. Quelle: dpa
ItalienItalien bleibt etwas überbewertet, so dass die italienische Lire nur um drei Prozent abwerten müsste, um einen angemessenen Wechselkurs zu erreichen. Vor der Krise betrug die Überbewertung noch 7,5 Prozent. Seit 2012 ist die Zinsbelastung des Staates deutlich gesunken. Quelle: dpa
PortugalAuch in Portugal hat sich die wirtschaftliche Lage deutlich gebessert, so dass der Escudo nach heutigen Maßstäben nur noch leicht, nämlich um ein Prozent abwerten müsste, um im Gleichgewicht mit den übrigen Euro-Staaten zu notieren. Quelle: dpa

Dabei gibt es eine weitere Gemeinsamkeit: Die Lösungsvorschläge halten einer Überprüfung kaum stand. Anleger, die sich so vor einem Crash schützen wollen, gehen oft neue Risiken ein.

Unermüdliche Mahnungen vor dem Verfall

Nachdem unter den Schwarzsehern im Finanzbereich lange der legendäre Schweizer Investor Marc Faber („Dr. Doom“) herausragte, hat sich infolge der Euro-Krise 2009/10 eine schillernde Szene von Mahnern, Berufspessimisten und Crashpropheten entwickelt.

So warnt Thorsten Polleit, Chefökonom des Goldhändlers Degussa, unermüdlich vor dem Euro-Verfall und empfiehlt Edelmetalle. Der als „Mr. Dax“ bekannte Börsenbuchautor Dirk Müller schreibt Bücher mit Titeln wie „Showdown: Der Kampf um Europa und unser Geld“ und „Crashkurs: Weltwirtschaftskrise oder Jahrhundertchance?“. Dem BWL-Professor und Fondsmanager Max Otte hat sein schon 2006 erschienenes Buch „Der Crash kommt“ einen gehörigen Anteil seiner Bekanntheit eingebracht.

Warnungen und Geschäftsinteressen sind dabei oft eng verwoben. Mitunter kommen noch politische Forderungen hinzu. So wie bei „Silberjunge“ Thorsten Schulte, der das „SilberBulletin“ herausgibt und vorhersagt, dass „der Euro zur italienischen Lira verkommt“.

Besonderen Anklang finden solche Botschaften am rechten Rand des politischen Spektrums. Schulte bedient diese Zielgruppe auch als politischer Autor; so hat er auf dem Onlineportal des rechten Kopp-Verlags Artikel wie „Was Berlin uns über die Flüchtlinge aus Syrien verschweigt“ oder „Merkel muss weg! Warum ich nach 26 Jahren aus der CDU austrat“ publiziert.

Aber auch seine Finanzbotschaften dürften dort den Nerv treffen. „In der neurechten Szene gibt es eine regelrechte Lust am Untergang“, sagt Christoph Giesa, Co-Autor des Buches „Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte“. Vielfach stecke dahinter die Überzeugung, dass allein ein Crash einen Systemwechsel ermöglicht – weg von Euro, EZB und EU. Giesa spricht in diesem Zusammenhang von „politisch motivierten Anlagestrategien“, an denen viele unbeirrt festhalten – auch wenn Euro-Crash und Goldpreisexplosion schon eine Weile auf sich warten lassen.

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