Die Tanker-Chroniken (II) Gesucht: 35 Millionen Dollar für einen gebrauchten Öltanker

Öl im Crash kaufen und teuer wieder verkaufen - dazu braucht man ein Öltanker. Quelle: imago images

Im ersten Teil suchte unser Autor einen Tanker, um profitabel Öl zu bunkern. Mit mäßigem Erfolg. Jetzt macht er sich Gedanken um die Finanzierung. Woher das Kapital kommen könnte, woran ein Deal noch scheitern könnte – und was die WirtschaftsWoche-Leser von dem Businessmodell halten.

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Öl ist megabillig. Wer jetzt verkauft und erst in drei oder sechs Monaten liefern muss, kann seinen Einsatz verdoppeln, mindestens. Nur muss er das Öl irgendwie lagern. Think big – ein Supertanker muss her. Aber woher nehmen? Das hat mich zu Beginn der Woche beschäftigt.

Darüber nachgedacht haben schon viele, sagen sie auf Facebook. Tausende scheinen interessiert. Einer will einen Tanker zusammenschweißen, ein anderer seinen alten Kutter umrüsten, alternativ sollen Schwimmbäder („darf bei Corona sowieso keiner mehr rein“ ) mit Öl gefüllt werden, viele bieten ihre Öltanks an.

Ein Leser schreibt eine Mail:
„Bleiben Sie doch an dem Thema dran. Das ist eine gute Idee.
a) Für die Finanzierung könnten Sie eine Aktiengesellschaft gründen. Also: ich würde mich beteiligen.
b) Ein Partner mit Kontakten in die Ölindustrie würde helfen um den Tanker zu kaufen/zu mieten. Eventuell wären die Leute von der Deutschen Rohstoff AG die Richtigen.“

Das mit der AG ist überlegenswert. Börsengänge gibt es aktuell null – ich hätte das ganze Parkett und die Aufmerksamkeit von Millionen Investoren für mich allein.

Ein ehemaliger Kollege hat die gleiche Idee: „Schade, dass Du nicht erfolgreich warst! Ich hätte beim Börsengang Deines jungen Start-Ups sofort investiert“, schreibt er auf Twitter.

Aber auch die Kapitalismuskritiker sind schon da: „Im Grunde wird diese Krise, dank der Börsen, genau die unsagbar reicher machen, die jetzt sowieso investieren können und den, um das im Schachjargon auszudrücken, Bauern, der jetzt noch weniger investieren kann, ärmer...“

Das ist wahr, und traurig, einerseits. Aber „unsagbar reicher“ klingt nun mal nicht schlecht, andererseits. Und man könnte mit den Millionen doch auch viel Gutes tun, so wie Bill Gates, der vermutlich den Corona-Impfstoff finden wird.

„Falls es mal wieder um die Vermögenssteuer geht: die Leute, die solche Geschäfte machen, erzählen euch dann, dass sie ja hart für ihr Geld arbeiten und das total unfair wäre, denen Geld wegzunehmen. Kurz n´ Frachter gemietet, 32 Millionen Euro plus gemacht, total hart gearbeitet, da können wir 40-Stunden-Arbeiter gar nicht mitreden…“, schreibt ein anderer auf Facebook.
„Kurz n´ Frachter gemietet“ – wenn es denn so einfach wäre. „Öl ist günstig, weil es nicht abgenommen und GELAGERT werden muss“, schreibt ein kluger Mensch auf Facebook. Und fragt: „Was ist dann wohl gleichzeitig nicht günstig und nicht einfach zu bekommen?“. Richtig: Lagerkapazitäten. Tanker.

Das ist die Herausforderung. (Menge mal Ölpreis zur Lieferung in einem Jahr) minus (Menge mal Ölpreis zur Lieferung jetzt ) minus Tankerkosten – das ist mein Profit. Aber der will erst mal organisiert sein.

Auf der Suche nach den Millionen

Die Kapitalismuskritiker könnte man auskontern, wenn man das Ganze als demokratisches Crowdsourcing-Projekt für Kleinsparer aufzieht. „Facebook-Gruppe gründen, jeder legt 'nen Hunderter hin und dann is' 'nen Tanker drin“, schlägt einer auf Facebook vor. Das hat was. Wie hat Mark Zuckerberg letztes Jahr geworben? „Für jeden gibt es eine Facebook-Gruppe“. Also nicht nur „Hamburger Hundehalter“, „Schwangere Echte Mamas“ oder „Vegane Bodybuilder“, sondern auch „Deutsche Tankerbesitzer“, „Reiche Reeder“ oder „Onassis Erben“. Bei 100 Euro pro Mitglied müsste das allerdings eine ziemlich große Gruppe werden.

Irgendwie liegt mir die AG näher. Wie hatte der Leser geschrieben: „Ein Partner mit Kontakten in die Ölindustrie würde helfen, um den Tanker zu kaufen/zu mieten. Eventuell wären die Leute von der Deutschen Rohstoff AG die Richtigen.“

Also denn: Anruf bei der Deutschen Rohstoff AG in Mannheim. Die bohren in Amerika nach Öl, das müssen sie ja auch irgendwie abtransportieren. Sie haben einen Börsengang gemacht und diverse Anleihen an der Börse platziert, die Aktie ist kein Pennystock, eine echte Leistung bei diesem Ölpreis. Die sollten sich super auskennen. Leider geht auch hier erst mal keiner ans Telefon. Doch am nächsten Tag werde ich zurückgerufen, von CEO Thomas Gutschlag. Er sagt, der Ölpreisabsturz unter Null sei eine Ausnahmesituation, sehr technisch, der Future sei eben ausgelaufen und es habe zu viele Leute gegeben, die das Öl nicht haben wollten. Das gleiche, sagt er, könnte im Mai noch mal passieren, weil die Lager so voll sind. Die Deutsche Rohstoff aber lagert kein Öl, sondern drosselt ihre Förderung in den USA, zuletzt auf ein Sechstel bis Siebtel der normalen Menge. „Wir können die Produktion auch komplett stilllegen, dann speichern wir unser Öl eben im Boden.“ Aber warum nicht pumpen und einen Tanker kaufen? „Das ist nicht unser Geschäft, da haben wir keine Ahnung von,“ sagt der CEO.

„Ein Tanker ist kein Spielzeug“

Lukrativ, ja, das könnte das Tankergeschäft schon sein: „Sehr rentabel“. Er checkt die Zahlen: „Sie kaufen den Juni-Kontrakt für 16 Dollar und verkaufen im Dezember für 28 Dollar je Barrel.“ Bei zwei Millionen Barrel pro Tanker bleiben da 24 Millionen hängen – „schon interessant“, sagt der Deutsche-Rohstoff-Chef. „Trotzdem nichts für uns. Ein Tanker ist kein Spielzeug, da gibt es ganz viele Regeln zu beachten – und es gibt einige im Markt, für die ist das ganz normales Geschäft.“

Würde er mir, wenn ich einen Tanker hätte, sein Öl günstig verkaufen? „Wir fördern in Colorado, das Öl müsste man erst an die Küste bringen.“ Ich wünsche ihm alles Gute für sein aktuell schwieriges Geschäft und verabschiede mich – die Hoffnung des Lesers, die Deutsche Rohstoff könne mitmachen, schien doch verfrüht.

Okay, dann schaue ich wieder nach China.

Winnie Wong von Shanghai Super Above Industry konnte mir nur einen noch zu bauenden Tanker anbieten. Aber auf der Businessplattform des chinesischen Ebays Alibaba haben sie es offenbar nicht so mit dem Datenschutz – mein Interesse scheint öffentlich zu sein, ich bekomme weitere Angebote. Ein gewisser Paul Lui von Zhouyangmarine („Schiffe neu und Second Hand“) aus Qing Dao schreibt mir per Mail: „Good day. Hope you and family safe and healthy. How do you like this…“ und schickt Foto und technische Daten. Sieht gut aus, das Schiff:

Quelle: Zhouyangmarine

„Hoffentlich bleibt er auf seinem dreckigen Tanker sitzen“

Das angebotene Schiff hat doppelte Wände und doppelten Boden. Das ist wichtig, damit bei einer Havarie das Öl nicht ausläuft. Eine Ölpest könnte weder ich noch demnächst meine junge Aktiengesellschaft gebrauchen. Ökologisch wäre das Projekt Öltanker ohnehin nicht unumstritten, wie dieser doch arg unfreundliche Facebook-Post zeigt: „Ich wünsch ihm so sehr, dass er dann auf seinem dreckigen Tanker sitzen bleibt, und am Ende noch horrende Summen für die fachgerechte Entsorgung der umweltschädlichen Substanzen zahlen muss... Spekulationen auf den Tod der Atmosphäre müssen ja wohl nicht sein.“

Ich finde das nicht fair. Was denkt sich der Mann, was mit dem überzähligen Öl sonst geschehen soll, wenn es nicht in Tankern zwischengelagert werden kann? Sollen die Amis es einfach in den Mississippi kippen, oder was?

Zurück zu Paul Lui. Sein Schiff ist 63 Meter lang, 15 Meter breit, 882 Quadratmeter Deckfläche, belastbar mit 15 Tonnen(!) pro Quadratmeter (ich könnte also Barrel an Deck stapeln) . Der Tanker kann angeblich 1300 Tonnen transportieren, inklusive Treibstoff, Vorräten, Besatzung und so weiter.

Ich schlage nach: 1 Barrel entspricht 0,137 Tonnen, großzügig gerechnet gingen dann 9000 Barrel in und auf das Schiff, das schon zu Wasser gelassen wurde und in einem Monat fertig sein soll. Selbst bei 100 Dollar Profit pro Barrel wären das keine Million Dollar – zu wenig für den ganzen Aufwand. Der Pott ist ein besseres Binnenschiff, ordentlich motorisiert, aber nichts für meine Zwecke – ich brauche ja nur einen Supertanker, möglichst groß, der möglichst lange im Golf von Mexico vor sich hindümpeln soll – bis die Preise wieder oben sind. Trotzdem merke ich mir die Firma vor, sie hat auch noch größere Pötte im Angebot – zu bewundern hier.

von Frank Doll, Anton Riedl, Heike Schwerdtfeger

Wahrscheinlich hat Herr Lui die nicht angeboten, weil er denkt, ich könne mir die nicht leisten. Stimmt ja auch – noch.

„Alle iranischen Schiffe abschießen“

Doch ich will das Geschäft machen, auch wenn sich der Markt etwas erholt hat. Das Öl aus den aktuell auszuliefernden Kontrakten ist offenbar jetzt in den Bäuchen diverser Tanker gelandet, den Negativpreis haben sich andere gesichert: Big Player wie Shell und BP, Ölhändler wie Vitol und Trafigura aus der Schweiz oder Investmentbanken, alle Glücklichen, die jetzt schon Schiffe haben.
Dutzende Tanker mit etwa 20 Millionen Barrel sollen jetzt schon vor der US-Küste schwimmen, bis obenhin voll mit Öl und auf bessere Zeiten wartend. US-Präsident Donald Trump hat schon etwas nachgeholfen, er liftete den Ölpreis ein Stück, als er der US-Marine befahl, „alle iranischen Kriegsschiffe abzuschießen und zu zerstören, wenn sie US-Schiffe auf See belästigen“. Krieg im Iran, da könnte Öl knapper werden. Gut für den Preis – und für Ölaktien. („Rosneft sehen gut aus“, hatte ich am Montag geschrieben. Seitdem hat die russische Ölaktie knapp 15 Prozent gemacht.)

Aber klar, das Chaos am Ölmarkt kann jederzeit wieder ausbrechen. Die US-Rohölvorräte stiegen letzte Woche um 15 Millionen Barrel. Das ist saumäßig viel, angesichts der Tatsache, dass niemand weiß, wo das in den kommenden Wochen in Amerika gepumpte Öl noch gelagert werden soll. „Der Ölpreis könnte auch noch auf minus 100 Dollar pro Barrel fallen,“ schreibt Ipek Ozkardeskaya von der Swissquote Bank in ihrem Marktbericht, der vor allem Kleinanleger zu Wetten mit Derivaten animieren soll.

100 Dollar! Ein Supertanker fasst zwei Millionen Barrel, das heißt, ich bekäme 200 Millionen obendrauf, plus den Preis, zu dem ich das Öl für später verkaufe.
Ein Lottogewinn ist nichts dagegen. Und todsicher, denn wenn ich den Tanker habe, kann ich das Öl schon jetzt zu dem späteren Liefertermin verkaufen, zu einem garantierten Festpreis.
Das mag nicht jeder glauben. Dass ich im Juli 20 Dollar pro Fass bekomme, sei „genauso sicher wie die garantierten Zinsen bei alten Lebensversicherungen...“, schreibt ein Leser. Aber er irrt. Der Preis ist verbindlich. So kostet das Barrel Öl, das am 22. Juni geliefert werden muss, 15,41 Dollar. Der Juli-Kontrakt liegt schon bei 22,19 Dollar, der für April 2021 sogar schon bei 32,08 Dollar.

Übersichtseite mit WTI-Rohöl-Terminkontrakten des Wirtschaftsinformationsdienstes Bloomberg: Je später der Liefertermin, desto höher der Ölpreis, Experten sprechen von Contango. Quelle: WirtschaftsWoche

Falls ich im Juni nicht, wie von Frau Ozkardeskaya angedeutet, für minus 100 Dollar kaufen kann, so doch bestimmt zu 15 Dollar per 22. Juni. Das für 15 gekaufte Öl könnte ich jetzt zu 32 Dollar per Lieferung im April 2021 verkaufen, also 17 Dollar teurer, Zwei Millionen Barrel sind 34 Millionen Dollar Einnahmen, davon müsste ich rund 300 Tage den Tanker bezahlen. Aktuell kostet einer 160.000 Dollar am Tag – macht 48 Millionen Dollar. Da zahle ich drauf.

Bestimmt gibt es bei 300 Tagen Mengenrabatt, und trotzdem: Chartern ist zu teuer. Womöglich kann man aber gut verdienen an denen, die diese hohen Frachtraten einstreichen: Die Reedereien. Eine besonders vielversprechende Reeder-Aktie könnte Frontline sein, von Reederkönig John Fredriksen. Frontline hat 24 Supertanker mit zusammen 48 Millionen Barrel Volumen.

Der 35-Millionen-Dollar-Treffer

Für meinen großen Öl-Deal aber muss es wohl ein eigener Tanker sein. Deshalb jetzt ein letzter Blick auf Alibaba Business: Und, tatsächlich, dort sind vier neue Angebote aufgelaufen. Shenzen Freight Forwarders bietet mir an, meine Importe zu verschiffen: „Wir launchen einen exklusiven Transportkanal für Masken, Desinfektionsmittel und Beatmungsgeräte“, schreibt mir Herr Rock Feng – ein interessantes Business, aber das überlasse ich Jens Spahn.

Tina Li von YCD Logistics bietet Frachtdienste jeder Art an – sehr freundlich, aber das klingt eher nach Amazon als nach Supertanker. Ein Andy Wang ist wirklich im Ölgeschäft – mit ätherischen Ölen. Er bietet mir das Sixpack für vier Dollar an, bei Abnahme von 1000 Packungen – interessant, denn bei Amazon oder Doc Morris wird das Zeug für das Zehnfache verkauft. Aber das ist nicht das Ölgeschäft, in das ich rein will.

Ich will schon Schluss machen für heute, da sehe ich die Nachricht von Fujian Fuyu Marine: „Tanker“ steht in der Betreffzeile. Sie haben einen im Angebot, für 35 Millionen Dollar. Ich frage nach Details, Fotos, Daten. Wo liegt das Schiff? Wann ist es verfügbar?

Warte die Antwort ab. Fällt sie aus wie erhofft, wird neu gerechnet. Und dann endlich Kapital eingesammelt.

Mehr zum Thema: Den ersten Teil dieser Geschichte lesen Sie hier. Zum dritten Teil gelangen Sie hier.

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