Crowdinvesting Gemeinsam investieren für mehr Rendite

Anstatt ihr Geld Fondsmanagern anzuvertrauen, versuchen Anleger im Netz gemeinsam an der Börse zu investieren. Das kann die Rendite erhöhen, wenn die Voraussetzungen stimmen. Wann sich Schwarmintelligenz lohnt.

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Draufblick auf eine Menschenmasse, die gemeinsam einen ansteigenden Kurschart verkörpert. Quelle: Getty Images

Die Preise an der Börse spiegeln das Vertrauen wider, das Anleger in den zukünftigen Erfolg eines Unternehmens haben. Wie sie dieses Vertrauen begründen, ist ihre Sache: Sie können auf starkes Wachstum in einem Zukunftsmarkt vertrauen, vom Management eines Konzerns überzeugt sein oder darauf bauen, dass bestimmte Produkte auch in Jahrzehnten unverzichtbar sein werden.

Alle Gründe sprechen für stete Erträge der Unternehmen, die den Aktionären Dividenden und Kursgewinne garantieren sollen. Und weil jeder Anleger sein Vertrauen in einen Konzern begründen kann, bevor er investiert, versuchen jetzt auch Finanzplattformen im Internet, von den Einschätzungen der Masse zu profitieren.

Sie bieten Fonds und Netzwerke an, bei denen jeder Anleger mitentscheidet, welches Unternehmen sich als Investment lohnt. Der Fonds fungiert sozusagen als Stimmungsindikator einer Masse, der Crowd. Er bildet ab, an welche Aktie die Crowd für attraktiv hält. Bei der Entscheidung darf auch gerne das Bauchgefühl helfen.

Solche Portale gibt es aus den USA, etwa mit Openfolio, Nvest und Motif. Aber auch in Deutschland treten Gründer an, um die Finanzbranche zu revolutionieren. Dabei funktioniert die Analyse von Aktien und Unternehmensgewinnen auch bei den Profis mit Hilfe von Schwarmintelligenz. Die weltgrößte Fondegesellschaft Blackrock etwa nutzt das System Aladdin, das auf kollektiver Intelliganz basiert, um weltweit Analysen von Finanzprofis zum Wert einer Aktie aus- und zusammenführen zu können und bietet die Plattform seinen Kunden an.

Anlage über Algorithmen

Corvin Schmoller möchte mit der kollektiven Intelligenz seiner Nutzer die private Vermögensverwaltung umkrempeln. Er leitet das Portal Intelligent Recommendations. Dort können sich Nutzer registrieren und unverbindlich ihre Anlagetipps abgeben. "Wir messen fortlaufend zu verschiedenen Zeitpunkten, in welcher Risikoklasse, welchem Anlagebereich und welchem Anlagehorizont welche Aktien und andere Anlagen von den Nutzern favorisiert werden", sagt Schmoller. "Die kollektiven Anlagefavoriten sind in den Musterdepots abgebildet und fließen gleichgewichtet in unsere Produkte ein."

Rund 6400 Nutzer haben bislang Empfehlungen beigetragen. Aktuell unter den Top-Aktienempfehlungen: Apple, BASF und Nestlé. Wer bei Gründer Corvin Schmoller ab 9,99 Euro für ein Premiumkonto zahlt, bekommt die Empfehlungen auch für verschieden riskante Anlagestrategien.

Schmoller hat aus dieser Crowd-Empfehlung auch einen Fonds entwickelt, den Intelligent Recommendations Global Growth Fund. Anstatt auf Markteinschätzungen von teuren Analysten und Fondsmanagern zu setzen, gibt hier die Meinung aller Anleger die Anlagestrategie vor. Aufgelegt hat den Fonds die Gesellschaft Axxion, mit 1,3 Millionen Euro ist das Volumen noch überschaubar. Seit Auflage im Oktober 2013 hat der Fonds um 6,32 Prozent zugelegt. Die Verwaltungsgebühr liegt bei bis zu 1,4 Prozent pro Jahr.

Nach dem gleichen Prinzip funktioniert auch der Mitmachfonds Multi Structure Investtor. Anleger müssen sich registrieren, können dann auswählen, welche von 250 Aktien sie als Kauf- oder Verkaufsposition einschätzen. Aus der Zustimmungsquote der Nutzervorgaben kristallisiert sich dann heraus, ob Aktien in den Fonds aufgenommen werden müssen, oder Positionen verkauft werden sollten. Aktuell gehören die Allianz, Deutsche Börse, Medtronic und Google zu den Top-Werten.

Die Nutzer können ihre Einschätzungen täglich ändern. Auch der Mitmachfonds wurde von Axxion im Juni 2010 aufgelegt, seitdem legte der Fonds um 21 Prozent zu. Jährlich fällt eine Managementgebühr von einem Prozent an. Mit 2,2 Millionen Euro Volumen ist der Fonds etwas größer als Schmollers Global Growth Fonds.

Aber wie schneiden diese Modelle im Vergleich ab, bringen sie wirklich mehr Ertrag als ein professionell gemanagter Fonds oder ein passiver Indexfonds, der vor allem durch niedrige Gebühren für Anleger attraktiv ist?

Fünf Prozent Überrendite möglich

Nikolas Bürkler von der Hochschule Luzern hat im Juli gemeinsam mit dem Schweizer Telekommunikationsunternehmen Swisscom in einer Studie die Performance von Crowd-Modellen untersucht und mit großen Aktienindizes verglichen. Sein Ergebnis: Investitionsentscheidungen der Masse können funktionieren.

Dazu müssen aber einige Voraussetzungen erfüllt sein: Schwarmintelligenz zeichne sich dadurch aus, dass sie auf unabhängige, dezentrale Entscheidungen baut, die von Anlegern mit unterschiedlichen Ansichten und unterschiedlichem Wissenstand ausgesprochen werden.

Wenn diese Bedingungen nicht gegeben seien, verliere das Kollektiv die Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen, schreibt Bürkler.

Vergleich der Crowdinvest-Plattformen

Er verglich in seiner Studie die beiden Plattformen Crowdinvest.ch und Intelligent Recommendations. Beide bauen auf die Anlageentscheidungen der Nutzer. Crowdinvest stellt ein Portfolio von 30 Werten für den Schweizer Aktienmarkt zusammen. Anders als Intelligent Recommendations hat Crowdinvest aber noch keinen Fonds aufgelegt. Der soll nach Abschluss der Testphase des Empfehlungssystems aufgelegt werden.

Und dieser Fonds könnte sich lohnen. In der Studie schnitten die Empfehlungen der Crowdinvest-Nutzer etwas besser ab, als der Schweizer Vergleichsindex Swiss Leader Index. Ab Oktober 2013 erzielte die Crowdinvest-Masse rund 13 Prozent Zuwachs, während der Vergleichsindex bei elf Prozent Plus lag. Statistisch signifikant seien die Ergebnisse aber aufgrund mangelnder Vergleichsdaten aber noch nicht. Allerdings beobachtete Bürkler, dass Crowdinvest sowohl in fallenden als auch in steigenden Marktphasen leicht im Vorteil lag.

Auch für die Empfehlungen der Nutzer von Corvin Schmollers Musterdepot Intelligent Recommendations zeigen sich leichte Renditevorteile gegenüber dem Vergleichsindex. Da das System auf Aktien weltweit ausgelegt ist, nahm Bürkler für die Analyse den MSCI World Index, der die Entwicklung von weltweit rund 1600 Aktien abbildet.

Seit Auflage des Global Growth Fund im Oktober 2013, der anhand der Nutzerempfehlungen investiert, war das Crowdportfolio gegenüber dem MSCI World zunächst bis Anfang 2015 leicht unterlegen. Seitdem konnte die Masse den Index aber schlagen und lag im März mit circa 18 Prozent im Plus, während der MSCI World seit Oktober 2013 nur 11 Prozent zulegen konnte. Anhand der Tagesrenditen des Crowdfonds ließe sich sogar eine Überrendite von fünf Prozent pro Jahr gegenüber dem MSCI World hochrechnen, schreibt Forscher Bürkler.

Herdenverhalten drückt Rendite, Unabhängigkeit erhöht sie

Für den Mitmachfonds konnte er solche positiven Ergebnisse allerdings nicht nachweisen. Im Vergleich zum MSCI World Index lag dieser bei seiner Performance seit 2010 etwa 25 Prozentpunkte hinter den 160 Prozent Plus des MSCI World. Dieser Crowd-Fonds neige zu einem Herdenverhalten seiner Netzwerk-Nutzer, resümiert Bürkler.

Auch der Economist analysierte schon 2011 für einen Artikel, wie erfolgreich Anlageentscheidungen der Masse sind. Die Autoren verfolgten allerdings einen klassischen Ansatz, und ließen von Fondsexperten bei Morningstar auswerten, in welche Fonds Anleger ihr Geld steckten – lediglich in solche Fonds, die über das vorausgegangene Jahr schon gut abgeschnitten hatten? Ja, war die Antwort der Analyse. Anleger folgten dem Trend und erzielten damit in 60 Prozent der Fälle weniger Rendite mit diesen Fonds als in den Vorjahren. Sie konnten einen Herdentrieb erkennen, den auch Bürkler beim Mitmachfonds erkannte - und der in beiden Fällen die Rendite drückte.

Die Gefahr besteht also, dass auch Nutzer auf den Plattformen im Internet lediglich die Unternehmen empfehlen, die schon einen erheblichen Kursgewinn erzielen konnten. Aber, so die Autoren beim Economist: „Die Weisheit der Masse nützt vor allem in solchen Fällen etwas, wenn die Empfehlungen unabhängig ausgesprochen werden können, ohne dadurch beeinflusst zu werden, was andere denken.“

Das könnte für Crowd-Fonds sprechen, solange die Investoren dort wirklich ihrem Bauchgefühl folgen und sich nicht von Analysen leiten lassen oder auf bisherige Kursgewinne schauen. Dann könnten sie mit ihren Fonds vor Kosten auch bessere Ergebnisse erzielen als mit reinen Indexfonds. Das gesamte Vermögen über die Portale zu verwalten scheint aber in keinem Fall ratsam.

Ausschlaggebend für eine Investition in einen Crowd-Fonds dürfte viel mehr sein, dass Anleger das Gefühl bekommen, unmittelbar an der Investitionsstrategie teilzuhaben und so ihren eigenen Fonds zu managen.

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