Crowdinvesting Süßer die Zinsen nie schienen

Beobachter warnen vor einer Pleitewelle beim Crowdinvesting, zeitgleich lockt ein neues Investment mit acht Prozent Zinsen für ein Schokoladenunternehmen. Solche vollmundigen Zahlen sollten Anleger zweifeln lassen.

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Anleger könne ihre Rendite auch in Pralinenform bekommen. Quelle: PR

Es klingt zu lecker, um wahr zu sein. Die Crowdinvesting-Plattform Companisto lockt seit Dienstag Anleger mit einem schokoladigen und noch dazu renditeträchtigen Investment. Die "Crowd", also der Schwarm, finanziert dabei die Berliner Schokoladenmanufaktur Sawade mit Hilfe eines sogenannten Venture Loans, was sich grob mit Wagniskredit übersetzen lässt. Die Zinsen dafür liegen gemessen an der aktuellen Niedrigzinsphase in absurden Höhen: acht Prozent pro Jahr bekommen Anleger für ihr Investment mit einer Laufzeit von vier Jahren. Wer sich für die Variante mit Zins in Form von Schokolade entscheidet, bekommt sogar zwölf Prozent.

Bei derart hohen Versprechungen sollte bei gewissenhaften Investoren mehr als eine Alarmglocke schrillen. Ein Investment mit so hohen Zinsen muss hochriskant sein. Gleichzeitig lockt Companisto allerdings mit dem "enormen Potenzial" des Schoko-Investments. Doch wie groß sind die Chancen tatsächlich? Und warum wird beim Crowdinvesting jetzt mit Hilfe eines Venture Loans investiert?

Insgesamt hat sich das Crowdinvesting-Segment in Deutschland zuletzt nicht so rosig entwickelt, die ersten Unternehmenspleiten sind nach und nach eingetreten. Das Magazin "Capital" warnt in seiner aktuellen Ausgabe gar, es bahne sich eine Pleitewelle an. Allein im zweiten Quartal 2015 hätten Investoren rund 3,5 Millionen Euro verloren, insgesamt seien im Segment schon über sieben Millionen Euro Verlust mit den Internet-Schwarmfinanzierungen entstanden.

Immer neue Anlageformen

Kein Wunder, dass immer wieder der Ruf nach der Aufsicht erschallt. Durch das neue Kleinanleger-Schutzgesetz sind auch Schwarmfinanzierungs-Plattformen wie Companisto oder Seedmatch nicht mehr gänzlich unreguliert. Beispielsweise müssen Anleger mittlerweile eine Selbstauskunft einreichen, wenn sie mehr als 1000 Euro auf der Plattform investieren wollen. Das Einmal-Investment darf nicht höher als das zweifache des monatlichen Nettoeinkommens sein.

Zwar fiel die Crowd-Regulierung am Ende harmloser aus als ursprünglich angenommen. Dennoch haben sich bei den Startup-Finanzierern immer neue Anlageformen durchgesetzt. Die am Anfang dominierenden stillen Beteiligungen wurden von partiarischen Darlehen - einem speziellen Darlehen mit Umsatzbeteiligung - abgelöst. Letztere haben für Unternehmen den Vorteil, dass sie auch mehr als 100.000 Euro von den Schwarmfinanzierern einsammeln können. Für den Anleger ist es mit einem hohen Risiko verbunden, da das partiarische Darlehen nachrangig bedient wird.

Deutschlands Schoko-Riesen
Schlager Süsstafel Quelle: dpa
Berggold "Sturm der Liebe" Quelle: Screenshot
Halloren-Kugeln Quelle: dpa
Rübezahl Schokoladen Quelle: Presse
Trumpf: Edle Tropfen Quelle: Screenshot
Moser Roth
Stollwerck-Gruppe: Die Markensammler Quelle: dapd

Nun also Venture Loan. Laut Companisto richtet sich diese neue Finanzierungsform an etablierte und mittelständige Unternehmen. "Das Venture Loan erweitert das Investment-Angebot von Companisto und bietet den Investoren ein attraktives Modell, um so ihr Portfolio zu diversifizieren", sagt Tamo Zwinge, Geschäftsführer von Companisto. Ursprünglich wurden Venture Loans insbesondere im Silicon Valley als Zwischenfinanzierungen im Startup-Bereich benutzt. Auch beim Venture Loan rangiert der Kapitalgeber am Ende der Kette und wird erst nach anderen Gläubigern bedient.

Anleger müssen sich darüber im klaren sein, dass der hohe Zins nicht anderes als einen Risikoaufschlag darstellt - je höher der Zins, desto höher das Risiko. In Zeiten, in denen es für Sparer mit normalen Anlagen schwer ist, überhaupt eine Rendite jenseits der drei Prozent zu erreichen, sind acht Prozent zwar verlockend, aber eben auch verwirrend.

Garantierter Erfolg sieht anders aus

Denn umgekehrt muss die Rechnung ja genauso gelten. Auch für Unternehmen war es lange nicht mehr so günstig, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren. Weiterhin ist es für mittelständische Unternehmen einfach, einen Bankkredit zu erhalten. Das hat eine entsprechende Umfrage unter Unternehmen in Baden-Württemberg ergeben. Dort gaben 43 Prozent der Unternehmen an, es sei für sie leicht oder sehr leicht, einen Kredit von ihrer Bank zu bekommen.

Teure Finanzierung

Die Berliner Schokoladenmanufaktur Sawade greift dagegen nicht auf einen Bankkredit zurück, sondern zahlt statt dessen satte acht Prozent an ihre Finanzierer. Warum? Von Companisto heißt es, auch Sawade hätte auf einen Bankkredit zurückgreifen können. "Wir haben uns bewusst für Crowdinvesting entschieden. Zusammen mit der Crowd wollen wir die Marke Sawade zu neuer Größe führen und uns auch neue Zielgruppen erschließen", sagt Benno Hübel, Inhaber und Geschäftsführer der Manufaktur.

Das Unternehmen setzt also auf die Crowd, um bekannter zu werden und auf diese Weise Aufmerksamkeit zu generieren. Für den Anlageerfolg ist das auch nötig, denn bisher ist das Geschäft von Sawade noch ausbaufähig. 2013 übernahm Hübel das Unternehmen aus der Insolvenz - in die war das 1880 gegründete Unternehmen offenbar aufgrund von Managementfehlern gerutscht. Seit dem wurde vor allem die Marke und das Design von Sawade wieder aufgebaut.

Wer sich als Anleger auf die reinen Zahlen verlässt, muss beim Investment allerdings Mut beweisen. Wie bei Startups nicht unüblich machte auch Sawade zuletzt Verluste, über 224.000 Euro haben sich im vergangenen Geschäftsjahr angesammelt. Ansonsten wird die Passivseite der Bilanz von Verbindlichkeiten dominiert, gut 450.000 Euro davon sind kurzfristig zu bedienen. Dabei helfen könnten die Einnahmen aus dem Crowdinvesting - mindestens 100.000 Euro will Sawade damit einnehmen.

Immerhin konnte der Umsatz unter den neuen Besitzern bereits um 30 Prozent gesteigert werden, erste Exporte nach China oder Japan wurden realisiert. Das ist wichtig, denn der Süßwarenmarkt in Deutschland entwickelt sich seit vielen Jahren relativ konstant und wird zudem von einigen großen Herstellern wie Lindt beherrscht. In Ländern wie China dagegen wächst mit zunehmender Industrialisierung auch der Hunger auf Süßes. Bedient werden sollen die schokoladigen Zinsen halbjährlich.

Insgesamt zeigt das Beispiel, dass der versuchte Schutz der Kleinanleger vor windigen Anlagen das Crowdinvesting für Anleger nicht unbedingt sicherer gemacht hat. Wer aktuell acht bis zwölf Prozent Zins auf eine Anlage ausgibt, verkauft dem Anleger ein extrem hohes Risiko. Daran ändern auch schokoladige Versprechungen nichts. Anleger dürfen sich von derart hohen Renditen in keinem Fall blenden lassen. Investieren macht nur Sinn, wenn jemand viel verfügbares Kapital hat, und gerne "Spielgeld" in die Hand nimmt, um damit junge Unternehmen zu unterstützen. Ein Totalverlust ist jederzeit möglich und sollte für Anleger verkraftbar sein.

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