Den Blick von der Tagespolitik lösen Es gibt keine Zäsur in der US-Wirtschaft!

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Vorurteil 4: Die US-Wirtschaft wird vor allem von den niedrigen Zinsen getrieben

In zwei Zinsschritten hatte die US-Zentralbank Fed den Leitzins im Dezember und März um je einen Viertelpunkt angehoben. Aktuell beträgt er 0,75 bis 1,0 Prozent. Weitere Zinsschritte stehen zur Debatte. Die Fed hat somit nach Jahren der Niedrigzinspolitik und des Anleihenkaufs ihren Kurs nachhaltig geändert. Dies ist ein wichtiger Gradmesser dafür, dass auch die Zentralbank zu ihrem Vertrauen in die Marktkräfte zurückgefunden hat und nicht mehr regulatorisch auf die wirtschaftlichen Entwicklungen eingreifen muss. Parallel dazu stieg die Inflationsrate und nähert sich den von der Fed angestrebten zwei Prozent.

Positiv entwickeln sich auch die Löhne: Verglichen mit dem Vorjahr stiegen sie im März 2017 in der Privatwirtschaft um durchschnittlich 2,6 Prozent, allein im ersten Jahresquartal konnten die stärksten Lohnzuwächse seit zehn Jahren verbucht werden.

Trotz der soliden Fundamentaldaten fällt das Konsumverhalten etwas vorsichtiger aus: Nachdem die Verbraucherausgaben seit Jahren konstant gestiegen sind, stagnieren sie seit Jahresbeginn auf hohem Niveau. Zugegeben: Die turbulente Tagespolitik dürfte aktuell ein wenig auf die Kauflaune der Amerikaner drücken. Die Lohnerhöhungen zeigen jedoch die Potenziale auf, die der US-amerikanische Binnenmarkt für die Zukunft bereithält.

Die amerikanische Wirtschaft steht unter Volldampf, fast alle Indikatoren zeigen nach oben. Warum die Wirtschaft trotzdem anfällig bleibt.
von Martin S. Feldstein

Der US-Außenhandel wird weiterhin stark aufgestellt sein. Drohungen gegen NAFTA, TTP oder TTIP werden medial zwar lautstark vorgetragen, allerdings sollte sich niemand von Trumps reißerischen Statements blenden lassen. Bei vielen seiner Aussagen handelt es sich um Null-News mit wenig Faktenbezug. Diese Taktik aus dem Wahlkampf hat Trump beibehalten – und es steht zu bezweifeln, dass er mittelfristig anders agieren wird. Hinzu kommt, dass die Freihandelsbefürworter im Kongress zahlreich vertreten sind, auch und vor allem bei den Republikanern. Eine langfristige Kursänderung in Richtung Protektionismus ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu befürchten.

Blick in die Zukunft: Gewinner werden Immobilienmärkte sein

Neben den geplanten Steuersenkungen für Unternehmen könnten vor allem die anstehenden Maßnahmen zur Sanierung der Infrastruktur positive Impulse für die ohnehin starke Immobilienbranche geben. Durch eine Steigerung der Lebensqualität und effizientere Verkehrsanbindungen würden das Wohn- und das Gewerbesegment gleichermaßen profitieren. Die Branche kann auf eine starke Ausgangslage bauen: Nach Angaben von Colliers stiegen im vierten Quartal 2016 die Angebotsmieten für Büroimmobilien pro Quadratfuß (square foot) im Vorjahresvergleich um 4,1 Prozent in Innenstadtlagen und um 2,7 Prozent in Randlagen. Ähnlich solide Entwicklungen zeichnen sich bei den Einzelhandelsimmobilien ab.

von Frank Doll, Melanie Bergermann, Matthias Hohensee, Martin Seiwert

Insgesamt profitiert der Investmentstandort USA von diesen positiven Langzeitentwicklungen viel stärker als von einigen tagespolitischen Unwägbarkeiten, die zwar vereinzelt zur Verunsicherung beitragen, in der Regel aber ohne gravierende ökonomische Spätfolgen bleiben. Wer einen differenzierten, marktgenauen Blick wagt, kann von den gefestigten Strukturen und Zukunftspotenzialen profitieren – was die Vereinigten Staaten vor allem für langfristig orientierte Anleger weiterhin zu einem der interessantesten Investmentstandorte weltweit macht.

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