Denkste, Analyst Vom Wahrheitsgehalt der Dax-Prognosen

Großes war für 2011 vorhergesagt worden: Dax-Rekordstände von 9000 Punkten, Kursraketen, Bullenmärkte. Es war dann aber doch eher der Bär zu Gast. Ein Überblick der Analysen - und wie viel Wahrheit darin steckte.

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Quelle: Fotolia

Alle Jahre wieder, wenn es abends früher dunkel wird und der erste Schnee fällt, nehmen kluge Männer und Frauen in den Banken dieser Welt ihre Glaskugeln zur Hand und sagen die Zukunft voraus. Sie weissagen, wie sich der Dax entwickeln wird, in welchem Monat er sein Hoch oder sein Tief hat, sie wissen sogar, wie sich einzelne Aktien entwickeln werden. Gleiches gilt natürlich für jedes handelbare Finanzprodukt. Es soll Anleger geben, die sich auf diese Voraussagen verlassen. Schaut man sich rückblickend an, was aus den Vorhersagen geworden ist, erweist sich das nicht immer als klug.

Natürlich blicken die Analysten nicht wirklich in eine Glaskugel, sondern betreiben aufwändige Berechnungen in komplexen Szenarien. Aber was haben die großen Geldhäuser für 2011 nicht alles versprochen: 2011 werde ein Jahr der Aktien, der Dax könnte die 9.000 Punkte knacken. "Es ist unglaublich viel Liquidität im Markt, die irgendwohin will", sagte Frank-Peter Martin von der Frankfurter Privatbank Metzler Asset Management. Das war prinzipiell nicht falsch, allerdings floss die Liquidität in Gold, nicht in Aktien. Studien zeigten zwar bereits 2010, dass Anleger Aktien scheuen, 2011 zogen allerdings besonders viele ihr Geld aus den Märkten. Die Angst vor Verlusten - ausgelöst durch die drohende Pleite Griechenlands - überwog gegen den Optimismus der Prognosen.

Voll daneben: Schwache Analysten-Prognosen für 2011

Voll daneben: Börsenprognosen für 2011
Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank Quelle: dpa
Menschen betreten und verlassen den Hauptsitz der Société Générale in Frankreich Quelle: dpa
Arbeiter installiert ein Citibank-Logo Quelle: Reuters
Oswald Grübel, Chef der Schweizer Bank UBS Quelle: REUTERS
BNP-Chef Baudouin Prot Quelle: Reuters
Ein Mann geht an einem Schild der japanischen Nomura-Bank vorbei Quelle: REUTERS
Logo der Berliner Weberbank, die sich auf vermögende Privatkunden spezialisiert hat Quelle: dpa/dpaweb

So hatte beispielsweise die Deutsche Bank für 2011 vorhergesagt: "Der Dax kann auf über 7.500 Punkte steigen." Das war damals zumindest die Meinung von Ulrich Stephan, dem obersten Anlagestrategen für Privat- und Geschäftskunden der Bank. Und Morgan Stanley-Analyst Graham Secker war sich sicher, dass die Schuldenkrise Anleger zum Kauf deutscher Staatsanleihen treiben werde. Schließlich galten diese als relativ sicher.
Am 23. Dezember 2011 erreichte der deutsche Aktienindex immerhin 5.867 Punkte. Das sind aber immer noch 900 Punkte weniger als von der Deutschen Bank für den schlimmsten Fall prognostiziert.

Analystenschätzungen für 2012

Hoffnungsträger USA

Ein Mann steht unter einem Schild mit der Aufschrift

Den 10-jährigen Bundesanleihen sagten die Analysten der internationalen Geldhäuser im Übrigen Renditen von bis zu 3,85 Prozent voraus. Das ist ein Unterschied von fast zwei Prozent gegenüber der tatsächlichen Rendite von 1,94 Prozent am 23. Dezember 2011. Zwei Prozent Unterschied sind in der Kategorie Staatsanleihen schon gewaltig daneben geschätzt. Die amerikanische Bank JP Morgan Chase lag hier mit geschätzten 2,55 Prozent weit weg - aber doch noch am nächsten dran.

Nur bei den Schätzungen für die Wechselkursraten trafen die Häuser häufiger, als bei den Anleihen oder dem deutschen Aktienindex. Vier der 40 Bankhäuser haben vorausgesehen, dass ein Euro Ende 2011 1,30 US-Dollar wert sein würde. Das entspricht auch dem Stand vom 20. Dezember 2011. Weitere 19 Institute haben sich um bis zu fünf US-Cent nach oben oder unten verkalkuliert. Den Vogel abgeschossen hat die französische Bank Société Générale: 1,50 Dollar sollte der Euro laut deren Glaskugel im Dezember dieses Jahres kosten. Bei dem Preis eines Dollars ausgedrückt in Yen lagen die Schweizer dagegen gar nicht so weit weg: 75 Yen hatten sie vorhergesehen, 78 waren es (Stand: 20. Dezember 2011). Richtig geraten hatte JP Morgan, völlig daneben lagen die österreichische Nationalbank und die Landesbank Baden-Württemberg, die beide ein 1:100-Verhältnis zwischen Dollar und Yen aus dem Kaffeesatz gelesen haben.

Fast getroffen: Gelungene Prognosen für 2011

Die besten Prognosen der Banker
Das Logo der Helaba Quelle: dapd
Messingschild des Bankhauses Lampe Quelle: dpa
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann Quelle: dpa
Oswald Grübel, Chef der UBS Quelle: REUTERS
Das Gebäude der VP Bank in Vaduz Quelle: Pressebild
Logo der französischen Bank Societe Generale Quelle: dpa
JP Morgan Gebäude in New York Quelle: dpa

Und auch was die Voraussagen für einzelne Wirtschaftsregionen anging, lagen viele Finanzexperten mitunter völlig daneben: Große Hoffnung ruhten auf den USA, von denen bombastische Impulse erwartet wurden. Sinkende Arbeitslosenzahlen würden die US-Wirtschaft ankurbeln, der "ISM Manufacturing Index" oder "ISM-Einkaufsmanagerindex" werde grünes Licht für die US-Wirtschaft und damit auch für die deutschen Unternehmen geben. Deren Gewinne würden dann - wenn schon nicht ins Unermessliche - zumindest spürbar steigen. Die Krise sei vorbei, es gehe bergauf. Nachdem die Aktien im letzten Quartal 2010 niedrig bewertet seine, könne es ja auch gar nicht anders kommen. So zumindest die vorherrschende Meinung.

Aber zumindest waren die Prognosen der Banken nicht in Stein gemeißelt: Fast alle ruderten im Laufe des Jahres zurück und korrigierten ihre Einschätzungen nach unten. "Wenn sich etwas Wesentliches an den Voraussetzungen ändert, muss ich korrigieren. So haben wir das im Juli gemacht, als sich die amerikanische Schuldensituation zugespitzt hat", sagt Ulrich Stephan von der Deutschen Bank. Bis dahin bewegte sich der Dax oberhalb der 7000 Punkte, weshalb die Analysten der deutschen Bank mit ihrem ursprünglich geschätzten Korridor - 6.800 bis 7.800 Punkte - nicht falsch lagen. Nur der prognostizierte Endstand war - wie bei fast allen Kollegen - dramatisch über dem tatsächlichen Niveau. Die Entscheidung zur Korrektur kam gerade noch rechtzeitig, denn im August stürzten die Kurse dramatisch ab. Von 7.158,77 Punkten ging es runter auf 5.784,85 Punkte. Die Rendite betrug katastrophale -19,19 Prozent. Wer da noch sagte, der Dax schafft die 9.000 Punkte, musste sich einiges an Kritik gefallen lassen.

Helaba lag beim Dax richtig

Markus Reinwand, Anlagestratege der Helaba Quelle: Pressebild

Mit derart nervösen Börsen hätte aber wirklich niemand rechnen können. "Bei der Bewertung der Märkte spielt Psychologie eine wichtige Rolle", sagt Markus Reinwand, Aktienstratege der Helaba. Diese lasse sich aber eben so schlecht in Zahlen ausdrücken: "Die Stimmung der Anleger schwankt häufig zwischen Extremen: Entweder ist alles gut oder alles ist schlecht. Da muss man dann fragen: Wie realistisch ist diese Erwartung?" Allerdings sei eine schlechte Stimmung bei den Anlegern immer ein Zeichen, in den Markt einzusteigen. Das sagt nicht nur Reinwand, sondern viele Börsenexperten. "Wenn ein Stimmungsindex anzeigt, dass die Anleger sehr optimistisch sind, wird es gefährlich und umgekehrt."

Die Landesbank Hessen Thüringen war übrigens die einzige von 40 Banken, die einen Endstand unterhalb der 6.800 Punkte voraussah. "Wir waren sicher, dass es keine Luft nach oben gibt und haben an unserer Idee festgehalten", sagt Reinwand von der Helaba. Mit dieser Ansicht stand die Bank recht lange ganz alleine da. Aber, so Reinwand "man muss auch Gegenwind aushalten können." Und damit hatten er und sein Team recht. Mit der Einschätzung von 6.200 kamen die Analysten der Helaba dem Stand von 5.867 Punkten noch am nächsten. Das von der Helaba prognostizierte Tief von 5.900 Punkten war im Vergleich zum tatsächlichen Stand von 5.072 trotzdem zu optimistisch.

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Grundsätzlich erstellen die Analysten ihre Prognosen anhand zweier Faktoren: Zum einen betrachten sie volkswirtschaftliche Entwicklungen, wie Stephan erklärt. Und Reinwand fügt hinzu: "Da gibt es feste Einflussfaktoren wie Zinsen, Inflation und Wirtschaftswachstum, mit denen man rechnet." Hinzu kommen Unwägbarkeiten wie politische Veränderungen und Risikoaversionen oder auch Mut der Anleger, die sich nicht mit einer Zahl x in die Gleichung aufnehmen lassen. Solche Störgrößen, wie Reinwand sie nennt, hätten in den letzten Jahren - Stichwort Schuldenkrise - zugenommen, der Staat sei nach der Finanzkrise immer wichtiger geworden. Dessen Entscheidungen dementsprechend noch schwerwiegender für die Berechnungen.

"Fiskalpolitische Maßnahmen beispielsweise lassen sich quantifizieren. Das macht dann xy Prozent des BIP wenn die Ausgaben steigen oder abnehmen", so Reinwand. Die anderen Einflüsse, wie sich die Psychologie der Märkte - das Verhalten der Anleger - entwickelt, lässt sich kaum mathematisch erfassen. Und auch "Situationen, wie die Restrukturierung von Staaten lassen sich nicht mit einem Faktor berechnen", sagt Reinwand.

Wie es 2012 weitergehen soll

Ulrich Stephan, Chefstratege im Privat- und Geschäftskundengeschäft der Deutschen Bank Quelle: dpa

Stephan spricht deshalb bei den Prognosen von einer Richtungshypothese. Für seine Prognose für 2011 habe er beispielsweise die Auswirkungen der Finanzkrise nicht auf allen Seiten der Gleichung berücksichtigt. "Die Schuldenkrise ist in die Prognose für 2011 eingegangen: Wir haben keine normalen Kurs-Gewinn-Verhältnisse erwartet." Das war aber nur ein Faktor: "In den Prognosen für 2012 werden wir die Schuldenkrise auch auf der volkswirtschaftlichen Seite stärker berücksichtigen. Wir werden etwas vorsichtiger sein", sagt er.

Stephan und sein Analystenteam werden bei ihrer Vorausschau auf das neue Jahr die Verunsicherung und die Nervosität der Investoren stärker berücksichtigen. Aber, so Reinwand, "selbst wenn man fest von einem Ereignis ausgeht, bleibt die Unsicherheit, wann es eintreten wird" - und ob überhaupt. Und wenn sich die neuen Prognosen als falsch herausstellen? "Man muss die Voraussetzungen permanent überprüfen, seine Prognosen aber nicht bei jeder Schwankung ändern", sagt Stephan.

Abgesang auf die Konjunktur
Ein Mann hält ein geschnürtes Paket mit der Aufschrift "Konjunktur" in den Händen Quelle: dpa
Mitarbeiter bei der Produktion von Audi montieren den A3 Quelle: dpa
Bauarbeiter stehen beim Sonnenaufgang auf einer Baustelle Quelle: dapd
Die Silhouette eines Arbeiters zeichnet sich auf einer Baustelle neben Stahlstreben ab Quelle: dpa
Monteur zieht die Muttern am Drehgestell eines Eisenbahndrehkrans an Quelle: dpa
Ein Mitarbeiter fährt in einem Lager an Flachstahlrollen vorbei Quelle: dapd
Containerterminal im Hamburger Hafen in Hamburg Quelle: dapd

Wenn die Prognosen tatsächlich falsch sind oder sich an dem zugrundeliegenden Szenario etwas drastisch ändert - da sind sich beide Analysten einig - müsse man korrigieren. Eine kleine Prognose für 2012 gibt Stephan schon mal ab: "Wir gehen davon aus, dass die Unternehmensgewinne nicht so stark wachsen werden." Mal sehen, ob er Recht behält.

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