Deutschland besitzt die zweithöchsten staatlichen Goldreserven der Welt, insgesamt knapp 3400 Tonnen im Wert von rund 100 Milliarden Euro. Der Reichtum entstand größtenteils in den Wirtschaftswunderjahren durch die hohen Außenhandelsüberschüsse und verblieb wegen der Risiken des Kalten Krieges im Ausland. Mehr als zwei Drittel der deutschen Goldreserven lagern noch heute in den Tresoren der Notenbanken in New York, Paris und London. Ein Teil davon soll aber zurück nach Deutschland.
Im Herbst 2012 kritisierte das der Bundesrechnungshof: Es gebe keine regelmäßige Inventur, auch die stichprobenartige Prüfung des Goldgehalts fände nicht statt. Weil so viel Gold im Ausland schwer zu prüfen ist, plant die Bundesbank seit mehr als einem Jahr bis 2020 rund 300 Tonnen nach Deutschland zurückzuholen. 50 Tonnen sollen es jährlich bis 2015 sein. Hier sollen sie nach Angaben der Bundesbank eingeschmolzen und auf ihren Goldgehalt hin geprüft werden, anschließend will die Notenbank dann neue Barren daraus gießen. Die Ankündigung fand breite Zustimmung unter Goldanlegern und -experten. Schließlich gehören Deutschland nach den USA die größten Goldreserven aller Staaten und zählt zu den wenigen Ländern, die große Teile davon bei ausländischen Notenbanken verwahren lasssen.
Skeptiker vermuten schon lange, dass der deutschen Goldschatz im Ausland gar nicht oder nur teilweise existiert oder aber die Goldbarren einen Kern aus Wolfram oder Blei besitzen und damit einen deutlich geringeren Goldanteil als vermutet aufweisen. Die Ankündigung, deutsche Goldreserven aus den USA, Frankreich und London nach Deutschland zurückzuholen, um sie zu prüfen, empfanden einige Beobachter daher als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Dennoch sparen Skeptiker nicht mit Kritik. Sie hätten am liebsten alles Gold so schnell wie möglich in Deutschland, damit vor dem Zugriff von Manipulatoren und Enteignern sicher ist.
Die wichtigsten Fakten zu Gold
Die gesamte Goldnachfrage im dritten Quartal 2014 betrug 929,3 Tonnen. Damit ist die Nachfrage um 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Q3'13: 952,8) gefallen.
Quelle: World Gold Council
Die weltweite Nachfrage nach Schmuck betrug im dritten Quartal 2014 insgesamt 534,2 Tonnen und ist damit um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Q3'13: 556,3) gefallen.
Die Nachfrage des Technologiesektors belief sich im dritten Quartal 2014 auf 97,9 Tonnen und fiel, verglichen mit den 103,1 Tonnen im dritten Quartal 2013, um fünf Prozent.
Die Nachfrage nach Goldbarren und -münzen ist im dritten Quartal 2014 deutlich gesunken – auf 245,6 Tonnen. Ein Minus von 21 Prozent im Vergleich zu 2013 (Q3: 312,3).
Dass die Gesamtnachfrage nach Gold gefallen ist, ist auch auf die Abflüsse aus Gold-EFTs zurückzuführen. Im dritten Quartal 2014 beliefen sich diese auf 41,3 Tonnen. Allerdings ist das deutlich weniger als im Vorjahr. Im dritten Quartlal 2013 betrugen sie noch 120,2 Tonnen.
Die Nettoeinkäufe von Zentralbanken betrugen im dritten Quartal 2014 92,8 Tonnen. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Rückgang von neun Prozent (Q3'13: 101,5).
Die Goldnachfrage im Investment belief sich im dritten Quartal 2014 auf 204,4 Tonnen. Das ist eine minimale Steigerung von sechs Prozent, im Vorjahresquartal waren es 192 Tonnen.
Bis heute haben aber nur 37 Tonnen Gold den Weg nach Hause gefunden. Unmittelbar vor Weihnachten hatte Bundesbankpräsident Jens Weidmann gegenüber der Bild-Zeitung diese Zahl genannt. "Aus Aufzeichnungen der US-Notenbank geht hervor, dass sich die Lagerbestände von aufbewahrtem Fremdgold im Jahr 2013 lediglich um gute fünf Tonnen reduziert haben. Von den in Deutschland eingegangenen 37 Tonnen stammt dementsprechend nur ein sehr geringer Teil aus den New Yorker Lagern.", sagt Goldmarktexperte Dimitri Speck, der sich auf Mustererkennung und auf die Entwicklung von Handelssystemen spezialisiert hat.
Was Goldenthusiasten und -experten dabei besonders irritiert: Weidmann sprach davon, dass eine Sicherheitsfirma einen Teil der Barren einschmelzen ließ und dann per Flugzeug und Lkw nach Frankfurt transportieren ließ. Es sei eine große logistische Herausforderung gewesen, so Weidmann. Wegen dieser Aussagen sind einige Marktbeobachter in Alarmstimmung: Offenbar handelt es sich nicht um das deutsche Gold, dass einst in Verwahrung gegeben wurde, sondern neue Barren mit Stempel von 2013. Die Frage, warum Goldbarren bereits vor ihrem Eintreffen in Deutschland eingeschmolzen wurden, sorgt für Spekulationen. War das deutsche Gold in den USA etwa gar nicht mehr oder nur noch teilweise vorhanden? Haben die USA das deutsche Gold im Handel oder für Verleihgeschäfte genutzt, oder sogar damit den Goldpreis manipuliert?
Bundesbank ließ Gold umschmelzen
Auf Anfrage von WirtschaftsWoche Online tritt die Bundesbank derartigen Theorien entschieden entgegen. Nein, heißt es Frankfurt, es habe sich bei den bislang überführten Goldbarren um die Original-Barren gehandelt, die seinerzeit der Obhut der ausländischen Notenbanken überlassen wurden.
Schon vor einem Jahr hatte Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele in einer Präsentation zu den deutschen Goldreserven das künftige Lagerstellen-Konzept erläutert. Dabei hatte er auch darauf hingewiesen, dass der international akzeptierte Standard für Goldbarren "London Good Delivery (LGD) eingehalten werden soll. Dieser sieht vor, dass ein für den wichtigsten Goldhandelsplatz in London zugelassener Barren einen Feingoldgehalt von mindestens 99,5 Prozent erreichen muss und ein Gewicht zwischen 350 und 430 Unzen haben darf, was einem Gewicht von 10,9 bis 13,4 Kilogramm entspricht. Verbreitet ist ein Gewicht von 400 Unzen oder 12,44 Kilogramm pro Barren. Sofern der LGD-Standard bei den überführten Goldbarren nicht gegeben war, ließ die Bundesbank die Original-Goldbarren umschmelzen. Dieser Prozess sei reibungslos abgelaufen, teilt die Bundesbank mit. Es waren also nicht Amerikaner oder Franzosen, die das Gold vor Auslieferung eingeschmolzen und zu neuen Barren verarbeitet haben. Abgesehen davon kann es den Skeptikern auch relativ egal sein, ob alte oder neue Barren geliefert werden, solange sich der von der Bundesbank bilanzierte Goldbestand dadurch nicht schmälert.
Der Verdacht, die Amerikaner könnten das Gold aus Deutschland nutzen, um den Goldpreis - etwa durch Verleihgeschäfte - zu manipulieren, lässt sich kaum erhärten. Laut Bundesbank werden die Goldreserven schon seit 1999 nicht mehr für Verleihgeschäfte genutzt. Dass sich die Amerikaner einfach über diese Vorgabe hinwegsetzen, ist auch eher unwahrscheinlich. Schließlich könnten die USA dazu auch ihre eigenen, mehr als doppelt so hohen Goldreserven dazu einsetzen. Im vergangenen Jahr hatte es zudem mehrfach Gerüchte gegeben, große US-Investmentbanken hätten den Goldpreis manipuliert. Wegen des engen Marktes hätten die Aufgrund ihrer hohen Liquiditätsreserven ohne weiteres die Möglichkeit dazu - auch ohne physisches Gold zu besitzen. Das Goldpreis-Fixing in London wird seit Monaten von den Aufsichtsbehörden in Großbritannien und Deutschland unter die Lupe genommen. "Prinzipiell gehe ich schon davon aus, dass der Goldpreis manipuliert wird, aber nicht mit der in den USA liegenden deutschen Goldreserve", sagt Speck. "Der Welthandelsplatz für Gold ist schließlich nicht New York sondern London - wo auch Gold der Bundesbank lagert."
Die Deutschen Goldreserven sind vor allem aus zwei Aspekten wichtig: Erstens dienen sie dem Vertrauen in die Stärke der heimischen Wirtschaft und sichern den Staatshaushalt ab. Zweitens muss die Reserve im Ernstfall - etwa dem Zusammenbruch des Euro oder der deutschen Wirtschaft - rasch in stabile Währungen umtauschbar sein. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, zumindest in New York und London unmittelbar Goldbestände zu halten. Experte Speck würde sich sogar noch höhere Reserven wünschen: "Relativ zur Wirtschaftskraft Deutschlands wären größere Goldbestände angebracht. Ich gehe davon aus, dass Gold in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen wird."
Bundesbank bewusst ohne Eile
Wichtige Ziele des neuen Lagerstellenkonzepts sind laut Bundesbankvorstand Thiele die Kriterien Sicherheit, Liquidität und Kosteneffizienz. Weil etwa die Bank of England für die Einlagerung inzwischen Gebühren erhebt, wäre es zwar kosteneffizient, dortige Bestände nach Deutschland zu verlagern. Weil aber London zugleich einer der wichtigsten Umschlagplätze für Gold ist, verzichtet die Bundesbank offenbar auf eine Reduktion der Bestände bei den Briten. Nach Bundesbank-Angaben vom Januar 2013 lagern dort 35.640 Goldbarren mit einem Gesamtgewicht von 445 Tonnen. Damit verbleiben 13 Prozent der Goldreserven bis auf weiteres in London.
In New York und Paris ist die Situation anders. Die USA verwahren für Deutschland insgesamt 122.597 Barren. Diese 1536 Tonnen Gold entsprechen 45 Prozent der Goldreserven. Bis 2020 soll der in New York verwahrte Anteil auf 37 Prozent sinken. In Paris hingegen werden die Lager komplett geräumt. Die knapp 30.000 Barren mit einem Gesamtgewicht von 374 Tonnen sollen künftig in Deutschland gehortet werden, weil seit der Einführung des Euro Goldbestände bei der französischen Notenbank zu Umtauschzwecken ihren Sinn verloren haben. Elf Prozent der Goldreserven kehren so nach Deutschland zurück. Schlussendlich sollen 50 Prozent des deutschen Goldschatzes in Deutschland lagern. Heute liegt dieser Anteil bei 31 Prozent. "Wünschenswert wäre, dass mehr als die geplanten 50 Prozent der deutschen Reserve im Inland gelagert würden", meint Speck.
Warum die Rückholung von nicht einmal zehn Prozent der deutschen Goldreserven insgesamt sieben Jahre dauern soll, bleibt hingegen umstritten. Die Bundesbank verweist jedoch auf Nachfrage auf zwei Faktoren, die für den wenig ehrgeizigen Zeitplan entscheidend waren. Zum einen die aufwändige Logistik: Der Transport sollte über einen längeren Zeitraum gestreckt werden, um einerseits die notwenigen Tresorkapazitäten bereitstellen zu können und andererseits die Sicherheit der Transporte zu erhöhen. Zum anderen war mit dem Zeitkorridor bis 2020 auch ein klares Signal verbunden: Trotz Schuldenkrise in der Euro-Zone und den USA besteht kein Handlungsdruck. Schließlich sei das deutsche Gold sicher bei uneingeschränkt vertrauenswürdigen Partnern in Verwahrung.