Behutsam klemmt Richard Collocott den Silbertaler im Wert von 16 Euro zwischen Daumen und Zeigefinger, und zwar am Rand, damit auch ja keine Abdrücke auf dem Münzbild zurückbleiben. Es ist der erste silberne Krügerrand, der in Deutschland aus der Verpackung geholt wird. Journalisten zücken ihre Smartphones, die Premiere in Frankfurt ist gelungen. Ab 1. August sollen die Anlagemünzen bei Münzhändlern und Banken erhältlich sein.
Die Münze zwischen Collocotts Fingern kommt aus einer unscheinbaren grauen Plastikkiste. Darin verbergen sich 500 frisch geprägte Silbermünzen, verpackt in handlichen Tuben à 25 Stück. Die insgesamt gut 16 Kilo Edelmetall kosten beim heutigen Silberpreis rund 8000 Euro.
Collocott, der in der Frankfurter Villa des Edelmetallhändlers Degussa unter üppigen Kronleuchtern und reichlich Stuck über die neue Münze referiert, ist Marketingleiter der Rand Raffinerie aus Südafrika. Das Unternehmen ist weltbekannt wegen seiner seit 1967 produzierten Goldmünze Krügerrand, benannt nach dem darauf abgebildeten Politiker Paul Kruger mit dem unverwechselbaren Backenbart. Kruger war Ende des 19. Jahrhunderts Präsident der Südafrikanischen Republik.
Südafrika gelang es mit diesem Verkaufsschlager, seine riesigen Goldvorkommen global zu vermarkten. 50.000 Tonnen Gold hat die Rand Raffinerie seit 1920 verarbeitet, was etwa einem Drittel des bisher auf der ganzen Welt geförderten Goldes entspricht. Beim Edelmetallhändler Degussa, der dem Gast aus Südafrika in Frankfurt die Bühne bereitet, gehen jährlich rund 40 Tonnen Gold über den Tresen. Dabei ist der Krügerrand die beliebteste Goldmünze bei den Anlegern.
Weil der Krügerrand aus Gold ein so starker Selbstläufer ist, hat die Rand Raffinerie bisher noch kein silbernes Pendant herausgegeben, während die anderen großen Anbieter von Anlagemünzen schon längst Linien in beiden Metallsorten prägen – etwa den American Eagle aus den USA oder den Wiener Philharmoniker aus Österreich. Aus Marketingsicht ist der Rand-Vorstoß ins Silber daher ein logischer Schritt.
Doch Anleger brauchen sich darum nicht zu kümmern. Jahrgang für Jahrgang kommen schon heute Silbermünzen in Millionenauflage auf den Markt: Es gibt australische Silberlinge mit Kängurus darauf, hübsche China-Münzen mit filigransten Panda-Bildchen, Silberdollars aus den USA oder die mit Ahornblatt und Queen-Profil geschmückten „Maple Leafs“ aus Kanada.
Anleger können sie online oder an den Schaltern von Edelmetallhändlern wie Degussa kaufen und – genauso wichtig – wieder verkaufen. Die Ausgabepreise der Anlagemünzen liegen dank Massenproduktion und Massenvertrieb anders als bei seltenen Sammlermünzen sehr dicht am Silberpreis. Der neue silberne Krügerrand soll da preislich in der Mitte liegen. Besonders günstig und nah am Silberpreis sind in der Regel die Kängurumünzen aus Australien zu haben. Für Anleger entscheidend ist der Abschlag, den der Edelmetallhändler beim Rückkauf kassiert. Um welche Münze es sich handelt, spielt dabei keine Rolle. Wer Silbermünzen zu 16 Euro pro Stück kauft, muss eine Spanne zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis von rund zwei Euro beachten.
Gold und Silber sind eigentlich kein Investment wie jedes andere. Der Kauf von physischem Gold und Silber dient als Versicherung für den hoffentlich nie eintretenden Fall einer katastrophalen Wirtschafts- und Währungskrise, bei der man für Euro oder Dollar nichts mehr kaufen kann. Mit Goldmünzen kann man wegen ihres hohen Werts von derzeit rund 1070 Euro je Unze mit wenig Material viel Vermögen über eine große Krise retten. Die deutlich billigeren Silbermünzen dienen in einer so düsteren Epoche laut dem Kalkül von besonders krisenscheuen Anlegern quasi als Wechselgeld, für das man sich einen Laib Brot oder eine Kanne Milch besorgen könnte.





Die Absicherung für diesen hoffentlich nie eintretenden Fall ist teuer, besonders beim Silber, weil der Preis hier noch stärker schwankt als bei Gold. Die Degussa-Manager Wolfgang Wrzesniok-Roßbach und Oliver Heuschuch können sich an Silberpreise um die 50 Dollar erinnern, heute liegt der Kurs bei 17 Dollar je Feinunze. Die Volatilität beim Silber hat auch mit der schwankenden industriellen Nachfrage zu tun. Zu besten Silberzeiten verbrauchte die Fotoindustrie einen Großteil des Silbers für die Produktion von Filmrollen, bis der Siegeszug der Digitalkameras die Nachfrage einbrechen ließ.
Degussa erwartet, dass der silberne Krügerrand zwar Marktanteile von der Konkurrenz erobern wird, jedoch den Gesamtabsatz von Silbermünzen nicht steigern dürfte. Für die Rand Raffinerie wäre das ein Erfolg, für Anleger wäre aber nichts gewonnen. Rand-Manager Collocott traut seinem Silberling zu, unter die Top-Drei der Silberanlagemünzen zu kommen. Anders als beim Gold kann Südafrika übrigens keine üppigen Silbervorkommen vorweisen. Das Metall für die silbernen Rand-Münzen kommt daher aus den USA.