Die Krypto-Kernschmelze FTX-Pleite vernichtet Milliarden

Der Kryptobörse FTX droht nun die Insolvenz. Quelle: REUTERS

Die Insolvenz der Kryptobörse FTX hat den Kryptomarkt erschüttert. Manche sprechen gar von einem Lehman-Moment für die Branche. Wie schlimm ist die Lage für Anleger? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Sam Bankman-Fried ist der lebende Beweis dafür, wie schnell sich Reichtum in der Welt der Kryptowährungen wieder in Luft auflösen kann. Im vergangenen Jahr rangierte der 30-Jährige mit lockigen Haaren und Surfer-Outfit mit einem Privatvermögen von knapp 20,5 Milliarden Dollar noch auf der Liste der reichsten US-Amerikaner. Heute ist davon fast nichts mehr übrig – und der einst gefeierte Unternehmer gilt als großer Verlierer der vermeintlichen Kryptorevolution.

Bankman-Frieds Kryptobörse FTX, immerhin der drittgrößte Handelsplatz für Bitcoin und Co., musste am Freitag Insolvenz anmelden. Bankman-Fried zog Konsequenzen und trat von seinem Amt als Vorstandschef zurück. Die Kurse mehrerer Kryptowährungen gaben nach Bekanntgabe der Insolvenz erneut nach. Besonders dramatisch könnte es aber für FTX-Kunden werden: Sie könnten ihre Einlagen verlieren.

Kurz vor der Pleite war eine Übernahme von FTX durch den Marktführer Binance nur einen Tag nach Ankündigung gescheitert. An den Märkten reagierten Anleger mit Panikverkäufen. FTX-Nutzer stehen nun vor dem Totalverlust ihrer Einlagen. Die Ereignisse haben sich in den vergangenen Tagen überschlagen. Der Lending-Anbieter BlockFi hat wegen der Turbulenzen nun Auszahlungen gestoppt. Das Debakel um FTX fordert seine ersten Opfer.

Die insolvente Kryptobörse FTX befürchtet Schäden durch nicht genehmigte Transaktionen. Es habe Unregelmäßigkeiten bei Zahlungsvorgängen gegeben.

Nach diversen Krypto-Pleiten in diesem Jahr traf es nun einen der Marktführer. Manche Experten sprechen gar von einem Lehman-Moment für die Kryptobranche, in Anlehnung an die Pleite der US-Bank Lehman Brothers im Jahr 2008. Wieder einmal, muss man hinzufügen – die noch kurze Historie der Kryptowährungen ist geprägt von Dramen und Kurserosionen.

Was ist bei FTX passiert – und worauf müssen sich Anleger nun einstellen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche Probleme hat FTX?

Den Anstoß zum jüngsten Drama gab ein brisanter Bericht des US-Nachrichtenportals Coindesk vom 2. November, der die Stabilität der Kryptobörse FTX in Frage stellte. Im Fokus stand dabei die Bilanz von Alameda Research, dem Krypto-Hedgefonds von FTX-Gründer Bankman-Fried: Diese sei vollgestopft mit dem hauseigenen Token der Kryptobörse, dem FTT-Token. Und dieser ist nicht durch andere Vermögenswerte gedeckt. Der Bericht des Branchendienstes führte dazu, dass FTX-Kunden Geld abzogen.

Was hat Binance damit zu tun?

Verstärkt wurde der Abverkauf durch einen Tweet von Chengpeng Zhao, in der Szene nur CZ genannt. Der Chef der marktführenden Kryptobörse Binance ließ seine 7,3 Millionen Follower beim Kurznachrichtendienst Twitter  wissen, dass er FTT-Token im Wert von 530 Millionen Dollar verkaufen wolle.

Zwar verzichtete Zhao in seinen Beiträgen auf eine direkte Namensnennung der rivalisierenden Handelsplattform FTX. Doch auch so interpretierten die Nutzer den Tweet als Warnung und zogen weitere Gelder ab. Es kam zum Bankrun. Noch am Sonntag, weniger als eine Woche vor der Insolvenz, dementierte FTX-Gründer Bankman-Fried jedoch, dass seine Kryptobörse Liquiditätsprobleme habe.

Einstiger Krypto-Star: FTX-Gründer Sam Bankman-Fried. Quelle: © 2021 Bloomberg Finance LP

Letztlich gestand FTX die finanzielle Notlage ein und sendete zur Wochenmitte einen Rettungsruf an Binance. Der Marktführer sollte große Teile des Rivalen übernehmen und ihn so vor dem Untergang bewahren. Binance willigte ein – beließ es aber lediglich bei einer nicht-bindenden Absichtserklärung.

Binance trat von den Übernahmeplänen von zurück. Warum?

Nur einen Tag nach der Meldung einer möglichen Übernahme war der Deal auch schon wieder geplatzt. Am Mittwochabend bestätigte Binance via Twitter entsprechende Gerüchte. Der Grund: Die Schieflage von FTX sei heftiger als ursprünglich angenommen.

„Die Probleme sind außerhalb unserer Kontrolle und übersteigen unsere Möglichkeiten, zu helfen“, schrieb Binance auf Twitter. Laut Nachrichtendienst Bloomberg klaffe in den Büchern von FTX eine Milliardenlücke zwischen Verbindlichkeiten und Vermögenswerten.

Wie ging es mit FTX weiter?

In Telefonaten mit Investoren versuchte FTX-Gründer Bankman-Fried zunächst, eine Abwickelung seiner Kryptobörse noch zu verhindern. Doch der einstige Star der Kryptoszene, der vor wenigen Monaten selbst noch kriselnde Unternehmen mit Millionensummen unterstützte, hat einen herben Imageschaden erlitten. Am Donnerstag fror die Wertpapieraufsicht der Bahamas – dem offiziellen Firmensitz der Kryptobörse – Vermögenswerte von FTX Digital Markets ein. Der Insolvenzantrag von FTX am Freitag war die logische Konsequenz und dürfte nur wenige Marktbeobachter überrascht haben.

Was droht Anlegern jetzt?

Für Kunden von FTX sind nicht nur die Kursverluste der vergangenen Tage ein Problem. Denn im Insolvenzfall sind die Krypto-Vermögen von Kunden nicht geschützt. Ihre Assets sind bei der jeweiligen Börsen – in diesem Fall eben FTX – oder einem Vertragspartner hinterlegt und können bei einer Pleite als Firmenvermögen betrachtet werden. Beim Bankrott können Anleger also ihre Einlagen verlieren. Das ist zum Beispiel schon bei Bitgrail, Cryptsy und Mt. Gox passiert.

Wieso reagieren Bitcoin und Co. so heftig auf die Probleme bei FTX?

Die Insolvenz von FTX trifft bei weitem nicht nur die hauseigene Kryptowährung FTT. Die Börse hatte immerhin mehr als eine Million Nutzer und gehörte neben Binance und Coinbase zu den größten Krypto-Umschlagplätzen der Welt. Kein Wunder, dass die Pleite den gesamten Markt betrifft – nicht nur, weil FTX Reserven in Form von diversen Kryptowährungen hält, die nun wegen der Insolvenz auf den Markt gespült werden. So ließ die Pleite-Nachricht den Kurs des Bitcoin direkt wieder unter die Marke von 17000 Dollar rauschen.

Hinsichtlich der Verluste bei anderen, kleineren Kryptowährungen (sogenannten Altcoins) spielt Alameda Research eine wichtige Rolle, das zweite Unternehmen von FTX-Chef Bankman-Fried. Alameda fungierte insbesondere für Altcoins als Kursmakler, sorgte also dafür, dass die Liquidität im Markt richtig verteilt ist. Auch deshalb stürzen die Kurse der kleineren Coins nun ab.


Unternehmen wie Binance, Coinbase oder FTX haben eine große Macht am Kryptomarkt. Bei ihnen läuft der Handel zusammen, gemeinsam mit Hedgefonds wie Alameda Research sorgen sie dafür, dass Käufer und Verkäufer zusammenfinden. Gerät einer dieser großen Player ins Wanken, erschüttert das das Vertrauen in den gesamten Markt.

Und darum war es zuletzt ohnehin nicht so gut bestellt. Die Branche steckt in einer tiefen Krise. Seit etwa einem Jahr kennen die Kurse fast nur eine Richtung: nach unten. Während ein Bitcoin im April noch rund 45.000 Dollar kostete, sind es jetzt gerade einmal knapp 17.000 Dollar. Die Prophezeiung, der Bitcoin sei ähnlich wie Gold ein sicherer Hafen in Zeiten von Inflation, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Stattdessen rauschte der Kurs der ältesten Kryptowährung parallel mit den Kursen von Tech-Aktien ab, das Vertrauen der Nutzer schwand.

Welche Folgen hat der Crash für Stablecoins?

Kommt es zu Turbulenzen auf dem Kryptomarkt, stehen sie oft besonders im Fokus: Stablecoins. Das sind Kryptowährungen, die nicht schwanken. Ihr Wert ist an einen Referenzwert gekoppelt, normalerweise ist das der Dollar. Kaufen Nutzer einen dieser Stablecoins, müssen dessen Herausgeber im gleichen Umfang in Dollar investieren beziehungsweise diesen in ihren Büchern haben. So wird sichergestellt, dass der Kurs des jeweiligen Stablecoins immer bei einem Dollar liegt.

Kommt es zu einer Krise, kann es für die Emittenten der Stablecoins schwierig werden, diese Bindung an den Dollar zu halten. Das liegt vor allem an der hohen Zahl an Transaktionen in solchen Marktlagen. Besonders offensichtlich wurde das, als im Mai das Krypto-Netzwerk Terra zusammenbrach und der eigene Stablecoin TerraUSD gleich mit.

TerraUSD verlor seine Bindung an den Dollar und löste damit ein Kursbeben am gesamten Kryptomarkt aus. Das liegt daran, dass Stablecoins quasi als Schmiermittel für den Markt gelten. Weil sie nicht schwanken, werden sie oft genutzt, um Dollar in eine andere Kryptowährung zu tauschen. Kein Wunder, dass auch während der aktuellen Krise Stablecoins erneut in den Fokus der Anleger geraten.

Tatsächlich verlor ausgerechnet der größte Stablecoin Tether zwischenzeitlich seine Dollar-Bindung und rutschte am Donnerstag auf 0,987 Dollar ab. Seitdem hat er sich allerdings wieder erholt und nähert sich dem angepeilten Kurs von einem Dollar. Während Tether-Chef Paolo Ardoino jegliche Verbindungen zu Bankman-Fried und FTX bestreitet, gab es im Markt doch immer entsprechende Gerüchte. So soll der FTX-Chef mit seiner Handelsfirma Alameda Research einer der größten Tether-Kunden gewesen sein. Außerdem soll Bankman-Fried einst zu den größten Anteilseignern der mit Tether verbundenen Kryptobörse Bitfinex gehört haben. Stimmt das und diese Verbindungen bestehen tatsächlich, dann dürfte Tether weiter schwanken.

Warum leidet vor allem Solana unter dem Crash?

Neben den FTX-eigenen Token FTT hat vor allem die Kryptowährung Solana während des Absturzes massiv an Wert verloren. Innerhalb weniger Tage hat sich der Wert des Token auf zwischenzeitlich weniger als 13 Dollar mehr als halbiert. Der Grund: FTX hat viel Solana in seinen Büchern. Entsprechend droht nach der Insolvenz der Abverkauf.



Wie groß die Solana-Bestände bei FTX und allen beteiligten Firmen genau sind, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass FTX-Gründer Bankman-Fried mit seinem Unternehmen Alameda Research zu den frühen Investoren des Solana-Projekts gehört. Solana-Token gehören angeblich nach FTT zu den zweitgrößten Reserven unter den Beständen von Alameda. Solana-Mitgründer Raj Gokal erklärte via Twitter, das Chaos um FTX sei für Solana tatsächlich ein „kritischer Moment“. Er forderte das „Zusammenstehen“ von der Solana-Gemeinschaft.

Was bedeuten die Turbulenzen für El Salvador?

Das Wohl und Wehe der Wirtschaft von El Salvador hängt eng mit dem Kurs des Bitcoin zusammen. Steigt der, steigt auch das Vermögen des zentralamerikanischen Landes. Fällt der Kurs, belastet das die Staatsfinanzen. Das gilt, seitdem Präsident Nayib Bukele im vergangenen Jahr den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel in El Salvador eingeführt hat. Auch der Staat selbst hat massiv in die Kryptowährung investiert.

Zuletzt kam eine weitere Unsicherheit hinzu: Auf Twitter hieß es, El Salvador habe seine Bitcoin-Bestände bei FTX aufbewahrt und komme nun nicht mehr an sie heran. Es war wohl ursprünglich Krypto-Milliardär Mike Novogratz, der das Gerücht via CNBC in die Welt setzte.

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Mittlerweile scheint diese Behauptung widerlegt. Zwar nicht von Bukele selbst – aber von Binance-Chef Changpeng Zhao. Der meldete, ebenfalls per Twitter, er habe sich mit Bukele ausgetauscht und der habe bestätigt, keine Geschäftsbeziehung zu FTX und Bankman-Fried unterhalten zu haben. Im Nachhinein entschuldigte sich Novogratz bei den Bürgern von El Salvador. Er sei auf Fake News hereingefallen.

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