Die Tanker-Chroniken (III) „Vergiss den Tanker, kauf Dir eine Ölbohrinsel!“

Seite 2/4

„Absolute Milchmädchenrechnungen“

Ich bekomme eine neue Mail. Von, das kann ich kaum glauben: Dieter Bohlen. Nein, verguckt: Dieter Bohlens. Aber er geht ähnlich hart zur Sache wie der andere Dieter, wenn der bei DSDS einen miesen Sänger auseinandernimmt. Herr Bohlens ist einigermaßen erschüttert ob meines laienhaften Herangehens an den Tankerkauf. Er hat 15 Jahre als „Schiffsmakler und in der Tankerbefrachtung“ gearbeitet, danach als Investmentbanker in Hamburg. Ein Fachmann.

Klar sei auch jetzt eine „Vielzahl gebrauchter Tanker verfügbar“, schreibt er. Die Preise richten sich nach Angebot und Nachfrage. Steigen die Charterraten, so steigen selbstverständlich auch die Schiffspreise. Zu Zeiten der Ölkrise in den 70er Jahren kostete ein riesiger Supertanker 85 Millionen Dollar, „nur 3 Jahre später notierte selbiges Schiff gerade einmal noch mit schier unvorstellbaren 3,5 Millionen Dollar (damaliger Schrottwert in Taiwan)“, schreibt Bohlens.

Dann legt er richtig los: „Ihre Berechnungen sind leider absolute Milchmädchenrechnungen“, so Bohlens. „Ein Tanker steht nicht, wie ein Gebrauchtwagen auf Halde. Vielmehr dauert es meist Monate, bis es irgendwo zur Anlieferung kommt. Damit wäre es so gut wie ausgeschlossen, auf relativ prompte Kontrakte zu spekulieren.“

Das habe ich auch schon gemerkt – mal eben in Singapur abholen und volllaufen lassen, dürfte schwierig werden. Vor drei Monaten hätte ich Öl noch geschenkt oder gar mit Prämie bekommen. Wenn ich meinen Tanker jetzt in Texas im Hafen am Start hätte – was echt eine starke Leistung gewesen wäre – müsste ich schon wieder 40 Dollar für das Barrel zahlen.

Börsengang: „There is no free lunch“

Okay, von Öl und Seefahrt verstehe ich nicht so viel, aber jetzt attackiert mich Bohlens noch auf einem Gebiet, auf dem ich mich nun wirklich auskenne: Börsengänge. Ich hatte angedeutet, man könne das Geld für den Tanker (auch ich habe keine 35 Millionen irgendwo rumliegen) doch bei der Crowd oder an der Börse zusammenbekommen. Mehrere Leser hatten mir geschrieben, sie fänden die Idee klasse. Bohlens nicht: „Einen Börsengang für nur einen Tanker kann man nun mal wirklich ausschliessen! Wenn man glaubt, dass der Ölmarkt im September noch immer darniederliegt, kann man sich ja bereits heute ein Schiff chartern oder aber auch kaufen. Das Risiko ist jedoch immens und pure Spekulation!“ Er lässt aber nicht locker: „Als ehemaliger Investmentbanker sage ich auch, dass die Vorbereitung eines Börsengangs lange dauert. Bis ein solcher durch ist, ist die aktuelle Situation bereits wieder eine ganz andere. Bei einem Börsengang muss man zudem auch einen langfristigen Cashflow nachweisen, der in diesem Falle in keiner Weise gegeben wäre ...There is no free lunch!“

Und dann noch ein relativ simples Totschlagargument: Wenn es so einfach wäre, hätten es andere schon gemacht: „Arbitrageure, Reeder wie auch Investmentbanker wären – wenn machbar – bereits lange vor Ihnen darauf eingestiegen. Das übrigens dann auch mit nachhaltig geringeren Margen, als den von Ihnen genannten Spannen. So einfach ist das Geschäftsleben nun wirklich nicht!“

Ich schreibe ihm zurück, und dann wünscht er mir tatsächlich „viel Glück auf Ihrem Weg ins dirty business“. Das sei jetzt nicht etwa sarkastisch gemeint, sondern soll ein Hinweis darauf sein, dass es im Tankergeschäft die „schmutzige Fahrt“ und die „saubere Fahrt“ gibt. Rohöl und Schweröle sind dem „dirty biz“ zuzuordnen, weil die betreffenden Tanker Heizschlangen in den Tanks benötigen. Das Öl muss während des Transports ständig auf einer bestimmten Temperatur gehalten werden. „Sonst können Sie es nicht mehr rauspumpen und es bleibt eine Tankerskulptur!“

Er bestätigt also das, was mir auch Mr. X mitgeteilt hat: Mein Tanker muss eine Heizung haben. Ich lese weiter, was Herr Bohlens zu sagen hat: „Wenn Sie denn mit Öl spekulieren, sollten Sie auch wissen, dass es da gewaltige Unterschiede gibt. Libyan Light beispielsweise ist der pure Champagner für die chemische Industrie, Mexican Heavy hingegen können Sie aufgrund seines hohen Schwefelgehaltes und niedriger Viskosität nur zur Energiegewinnung verbrennen.“

Champagner also. Interessant.

Tanker mit doppeltem Boden

Auf meinem Rechner poppt eine neue Mail auf, ein Angebot von einem Paul aus China. Paul macht nicht viele Worte. Er schreibt (auf Englisch):
834 Tonnen Öltanker
Doppelte Hülle, doppelter Boden
Gebaut 2010
Länge über alles: 50,98 m
Breite: 9,60 m
Tiefe: 4.25m
Wasserverdrängung, beladen: 1262,200 t
Maschine: 6190ZLC, 450 kw, Jinan Diesel Engine
Und jetzt kommt es: „Has Boiler! USD 550,000“

Das scheint mir ein Spottpreis: 550.000 Dollar, eine Doppelhülle hat er, zehn Jahre alt, mit Heizung: Was brauche ich mehr? Mehr Laderaum. 6000 Barrel fasst er umgerechnet – nicht gerade ein Supertanker, der ab 250.000 Tonnen losgeht. Und motormäßig schwach auf der Brust: 450 kw, die bringt auch Daimlers Luxus-SUV Mercedes-AMG GLS 63.

Nein, Paul, wir beide kommen nicht zusammen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%