Die Tanker-Chroniken (III) „Vergiss den Tanker, kauf Dir eine Ölbohrinsel!“

Abbau der Brent Spar durch das Kranschiff Thialf 1998 Quelle: Getty Images

Dies ist der Bericht von einem, der auszog, auf dem völlig durchgedrehten Erdölmarkt Millionen zu verdienen. Ein anderer, glücklicherer Tanker-Käufer machte so 60 Millionen Dollar Gewinn. Am Ende bringt ein Interviewpartner unseren Autor auf eine geniale Geschäftsidee.

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Was bisher geschah: Vor genau drei Monaten war der Ölmarkt völlig aus dem Lot. Wer US-Öl kaufte, bekam zeitweise sogar noch 20 Dollar je Barrel (159-Liter-Fass) obendrauf. Raffinerien und Lager liefen über. Eine Lizenz zum Gelddrucken, die zu einem Gedankenexperiment und einer ersten Recherche führte.

Der Artikel stieß auf viel Resonanz, ich bekam viele Tipps und Hinweise, Interessierte wollten sich beteiligen, auch Leute vom Fach meldeten sich. Ein Leser schrieb mir, er habe sich vor zwei Wochen mit derselben Idee beschäftigt „und bin seitdem dran, einen Tanker zu organisieren. Leider bisher auch nur mit mäßigem Erfolg. Jedoch habe ich noch drei offene Anfragen.“ Sollte ich tatsächlich eine AG gründen, „so möchte ich mich gerne an der Recherche und dem gesamten Projekt beteiligen. Kapitalgeber und generelle Kontakte in die Branche sind vorhanden“, schrieb Philipp D.. Am Ende wurde mir sogar ein Tanker angeboten, in China, für 35 Millionen Dollar.

„Stefan, hast Du einen Kapitän für mich?“

Mir wird klar: Ich brauche einfach mehr Expertise. Und jemanden, der meinen Tanker steuert.

Ich rufe Stefan Müller von der Frankfurter Investmentboutique DGWA an, ein Ex-Banker mit einem megamäßig dicken Adressbuch, der zu jedem professionellen Thema jemanden kennt, der einen kennt und vielleicht mit einem Dritten zu einem Deal vernetzt werden könnte. Stefan Müller erzählt von den Tankern, die er vor Corona beim Anflug auf Singapur immer vor dem Stadtstaat auf Reede gesehen hat. Barkasse mieten, rausfahren, Tanker kaufen, schlägt er mir vor. Wenn es so einfach wäre. Aber er hat das Thema auch nicht recherchiert.

„Stefan, hast Du nicht einen Kapitän für mich?“ Er enttäuscht mich auch diesmal nicht: „klar“ – und schickt mir eine Handynummer. Ich rufe ihn an. Er redet ausführlich mit mir, macht dann aber per SMS einen Rückzieher. „Das Oel offshore Geschaeft ist sehr verschwiegen und diskret, gerade bei der Entsorgung moechte niemand Aufsehen erregen ... vielleicht erinnern Sie sich noch an den Fall Brent Spar“ schreibt er.

Klar. Brent Spar war die Plattform, die Shell, als sie nicht mehr gebraucht wurde, einfach so in die Nordsee kippen wollte – das mit verhindert zu haben, war eine der Großtaten von Greenpeace.

Seinen Namen will er nicht veröffentlicht sehen, „da wir uns gerade um die Entsorgung einer kontaminierten Plattform beworben haben und ich auf keinen Fall auffallen moechte oder irgendwo im Rampenlicht stehen moechte“. Verstehe ich. So oder so – er ist mein Mann, ich habe meinen Experten gefunden. Also nennen wir ihn Mr X.

Mister X, was haben Sie mit der Seefahrt zu tun?
Ich bin als nautischer Offizier zur See gefahren und habe auch das Kapitänspatent.

Und was machen Sie jetzt?
Ich bin im Ölservicegeschäft, arbeite mit meiner eigenen Firma im Offshore-Bereich. Wir unterstützen Ölförderer dabei, ihre Bohrinseln zu installieren.

Was halten Sie von der Idee, bei einem sehr niedrigen oder sogar negativen Ölpreis einen Tanker zu kaufen, darin ein paar Millionen Liter Öl zu lagern, es jetzt schon zum Fixpreis zu verkaufen und dann später auszuliefern?
Die Tankeridee ist gar nicht so schlecht. Der Tankerindex Baltic Dry VLCC hat sich im Frühjahr verachtfacht, die Frachtraten sind zeitweise explodiert auf 300.000 Dollar pro Tag.

Also kann ich meinen chinesischen Tanker für 35 Millionen Dollar kaufen?
Irgendein Klepper wird Ihnen nichts nutzen. Alte Tanker haben nur eine einfache Bordwand, mit einem solchen Einhüllentanker darf ich zum Beispiel nicht in die Nordsee. Und Sie brauchen eine gute Heizung.

Wozu?
Wenn die Route durch kaltes Wasser führt, wird das Öl ganz dick, dann können Sie das Zeug irgendwann schaufeln.

Wie muss mein Tanker motorisiert sein?
Ich würde einen großen nehmen, einen VLCC. Wenn Sie ihn als Lagerschiff nutzen, haben Sie Zeit. Das heißt, er muss nicht durch den Panamakanal und den Suezkanal passen, dann geht auch ein ganz Großer. 30.000 bis 40.000 PS sollten die Diesel haben, gute Verbrauchswerte. Er muss lange leben und fahren.

Spritverbrauch ist ein Thema?
Das kommt auf Ihre Ansprüche und Ihr Umweltbewusstsein an. Tanker verbrennen auch den letzten Dreck, Öl von schlechtester Qualität.

Was muss ich noch beachten?
Die Geografie. Rotterdam oder Texas als Lieferort, das ist ein Unterschied. Und Sie müssen das Öl erst mal an die Küste bekommen. Lieferort vieler Ölkontrakte ist Cushing in Oklahoma ...

... das ist über 800 Kilometer von der Küste weg ...
Genau. Und in den USA ist das Pipelinenetz nicht überall überragend. Am Ende müssen sie Ihr Öl mit dem Zug zum Hafen karren.

Klingt aufwendig.
Ja. Im anderen Fall haben sie aber Durchleitungsgebühren. Wenn Sie das Öl an der Küste bekommen, ist es einfacher. Terminals sind kein Problem.

Nehmen wir an, das Problem habe ich gelöst. Wie komme ich an meinen Tanker?
Ich würde einen Vermittlungskontrakt mit einem Shipbroker machen, der wird dann Gesellschaften fragen, die Schiffe verchartern.

Die gibt es hier?
Klar. Deutschland ist Schifffahrtsnation, auch wenn die Tanker auf den Antillen oder Barbados gelistet sind.

Und wenn ich nicht chartern, sondern kaufen will?
Die waren zuletzt knapp. Natürlich bekommen Sie einen, aber nicht morgen früh. Der Rest ist Sache des Preises. Der wird erst mal zu hoch sein, aber zu dann müssen Sie eben weiterverhandeln.

Wie finde ich den richtigen Preis?
Indikationen liefert etwa Clarkson Research in London. Vor Vertragsabschluss sollten Sie sich einen Inspekteur einer anerkannten Zertifizierungsgesellschaft suchen.

Warum?
Die Seefahrt ist ein raues Geschäft. Ganz viele kommen auf dumme Ideen. Hier wird beschissen, was das Zeug hält.

Wo finde ich einen Inspekteur?
Führend hierzulande ist der Germanische Lloyd. Dessen Inspekteure kriechen dann mehrere Tage im Schiff rum und machen ein Protokoll über alles: Schäden, Laufzeiten, wann wurden Inspektionen gemacht, wie ist der Außenanstrich. Und Sie müssen festlegen, wann, wo und in welchem Zustand das Schiff übergeben wird – und ob Sie die Mannschaft übernehmen.

Wie viele Leute brauche ich?
Zehn bis zwanzig Mann.

Wären Sie mit dabei?
...

Bei Mister X klopft jemand auf dem Handy an. Wir machen später weiter.

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