Die Zahlenfrau
Jemand bezahlt mit dem Handy Quelle: imago images

Verdrängt die Coronakrise das Bargeld?

Spätestens ab dem Aufruf der WHO, überwiegend kontaktlos zu bezahlen, war klar: Der Deutschen liebstes Zahlungsmittel – ein Gesundheitsrisiko! Was bedeutet das für das Zahlungsverhalten in Deutschland und Europa?

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In den letzten Monaten haben wir gelernt, Bargeld zu vermeiden. Oder uns zumindest gründlich die Hände zu waschen, nachdem wir Scheine und Münzen angefasst haben. Gleichzeitig hat die Corona-Krise einen enormen Shift ins Digitale verursacht, von dem auch digitale Bankservices und elektronische Zahlungsverfahren profitieren. Welche Auswirkungen hat das auf die Zukunft des Bezahlens? Wird Bargeld langsam verschwinden?

Zum europäischen Zahlungsverhalten in der Pandemie hat Finanz-Guru Chris Skinner kürzlich einen Report veröffentlicht, für den auch ich interviewt wurde. Darin präsentiert Skinner Zahlen zum Bezahlverhalten der Europäer vor Corona.

Im Jahr 2018

• stieg die Gesamtzahl der bargeldlosen Zahlungen in der Eurozone um 7,9 Prozent auf 90,7 Milliarden im Vergleich zum Vorjahr.
• machten Kartenzahlungen 46 Prozent der gesamten bargeldlosen Euro-Zahlungen aus, Überweisungen und Lastschriften jeweils 23 Prozent.
• entsprach die Zahl der ausgegebenen Karten im Euroraum (544 Millionen) etwa 1,6 Karten pro Einwohner.
• wurden rund 44 Milliarden Transaktionen von den Zahlungssystemen im Einzelhandel verarbeitet, mit einem Gesamtbetrag von 34 Billionen Euro.

Skinners Report zeigt auch, wie groß das Gefälle bei der Nutzung von Bargeld ist: In Südeuropa, Deutschland, Österreich und Slowenien werden ca. 80 Prozent aller Zahlungen im Geschäft mit Bargeld beglichen. In vielen nordeuropäischen Ländern, den Niederlanden und Estland liegt diese Quote bei gerade einmal 33 Prozent, ist die Digitalisierung des Bezahlens schon viel weiter vorangeschritten.

Die deutsche Liebe zum Bargeld

Für uns Deutsche bedeutet Bargeld Freiheit. Wir möchten nicht zu viele Daten preisgeben und haben Sorge, dass unsere Daten „gehackt“ werden. Man denke an die Zeit, als Google Street View in Deutschland gestartet ist: Hunderttausende Hausbesitzer haben damals Einspruch eingelegt, um sicherzustellen, dass ihre Häuser nicht gezeigt werden.

Diese Sorgen sind nicht ganz unberechtigt, wie der Zahlungsexperte Chris Gledhill in Skinners Report bemerkt: „Wenn alle auf digitale Zahlungen umsteigen, werden viel mehr Regierungen und Unternehmen erfahren wollen, was ihre Bürger und Kunden eigentlich so treiben. Das beginnt vielleicht erst mal mit guten Absichten – man denke an die Neo-Banken, die schon heute sagen: Wir können gerne Ihr Konto für Sie kontrollieren, das entscheiden Sie ganz freiwillig. Sollen wir mal die Geldmenge begrenzen, die Sie jeden Monat für Fast Food ausgeben?“

Bei aller Bargeld-Treue: Auch die Deutschen haben schon vor Corona das meiste Geld im Einzelhandel mit der Karte ausgegeben. Gleichzeitig wurden Dreiviertel aller Einkäufe bar bezahlt, also vor allem die kleineren Einkäufe. Und auch hierzulande sind die Nachteile von Bargeld bekannt. Druck, Lagerung und Transport von Bargeld sind unheimlich teuer. Außerdem fördert oder ermöglicht Bargeld Überfälle, Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft.

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