Einlagenzins Die Banken müssen ihre Zins-Abzocke beenden – aus purem Eigeninteresse

Die Banken profitieren von der Zinswende – auf dem Rücken ihrer Kunden. Quelle: REUTERS

Die Banken geben die Zinswende kaum an ihre Kunden weiter oder speisen sie mit kurzfristigen Lockangeboten ab. Damit zerstören sie Vertrauen – und könnten Kunden an neue Konkurrenten verlieren. Ein Kommentar.

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Mit großem Tamtam verkündete die Direktbank ING vor wenigen Wochen, die Zinsen fürs Tagesgeldkonto auf drei Prozent anzuheben. Bis zu einer Einlagenhöhe von 50.000 Euro. Für neu eingezahlte Gelder. Befristet für sechs Monate. In der langen Liste an Einschränkungen fehlte eigentlich nur noch, dass Sparer erst Anspruch auf die Zinsen haben, wenn sie vorher drei Wasserkisten durch die Sahara schleppen – auf einem Bein und rückwärts, versteht sich.

Nicht nur die ING, sondern alle Banken geben die Vorteile der Zinswende gar nicht oder nur rudimentär an die Sparer weiter – und wenn, dann nur in Form von zeitlich befristeten Lockangeboten. Zwar gibt es mit 0,93 Prozent im Durchschnitt wieder deutlich mehr Zinsen fürs Tagesgeld als noch vor gut eineinhalb Jahren.

Doch noch immer gehen Verbraucher bei fast einem Drittel aller Banken leer aus. Und das, obwohl die Banken wieder kräftig an den Einlagen verdienen.



Die Europäische Zentralbank hatte den Einlagenzins zuletzt auf 2,5 Prozent erhöht. So viel bekommen Banken, wenn sie Geld über Nacht bei der Zentralbank parken – ein Vielfaches dessen, was sie ihren Kunden zahlen. Und diese Kluft dürfte noch größer werden, wenn die Währungshüter am Donnerstag die nun mehr siebte Zinserhöhung in Folge verkünden.

Doch die Zins-Abzocke der Banken dürfte sich rächen. Im Wettkampf um die Kundeneinlagen etablieren sich nämlich zunehmend Anbieter, die bislang nichts mit dem Zinsgeschäft zu tun hatten – und die Sparern jetzt deutlich höhere Zinsen bieten. Vor kurzem startete der Smartphonehersteller Apple für US-Bürger ein Sparbuch mit 4,15 Prozent Zinsen.

Auch in Deutschland gibt es Zinsangebote, die attraktiver sind als die klassischer Banken: Die Neobroker Trade Republic und Scalable hatten zum Jahresbeginn eine Zinsoffensive ausgerufen. Dort ist zwar auch die Einlagenhöhe gedeckelt, allerdings handelt es sich hier nicht um zeitlich begrenzte Aktionszinsen. Wenn die Fintechs keinen plötzlichen Rückzieher machen, bekommen Sparer hier dauerhaft solide Zinsen. Und gut möglich, dass die Anbieter nach weiteren Zinsschritten der EZB noch mal nachziehen.

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Wenn die Banken den anziehenden Wettbewerb im Zinsgeschäft ignorieren, drohen sie nicht nur das Vertrauen der Kunden zu verlieren – sondern auch deren Einlagen. Bei Apple wurde innerhalb der ersten vier Tage nach Start des Sparbuchs eine Milliarde Dollar eingezahlt. Auch bei den Neobrokern kam es zu Mittelzuflüssen in Milliardenhöhe, heißt es von Insidern.

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