Elsässers Auslese

Ende der Krise bei den Rohstoffaktien?

Markus Elsässer Value Investor

Seit über vier Jahren ging es mit den Rohstoffaktien bergab. Es war eine Krise, wie man sie seit Jahrzehnten nicht erlebt hat. Eine Branche ist regelrecht zusammengebrochen. Doch auf einmal dreht sich das Blatt.

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Im vergangenen Jahr sind viele Rohstoffaktien abgestürzt. Quelle: dpa

Der Jahresauftakt 2016 an den Börsen verlief turbulent. Die meisten Börsenindizes sind in die Verlustzone gerutscht. Die Börsen-Hausse der Industrieaktien ist ins Stottern geraten. Nicht so in der Welt der Rohstoffaktien. Hinter den Kulissen ist dies mit großer Überraschung zur Kenntnis genommen worden. Die Großanleger haben mit einem solchen Turn-around nicht gerechnet.

Viele hat es auf dem falschen Fuß erwischt. In den internationalen Konferenzräumen der Pensionskassen wird fieberhaft diskutiert: Muss man mit den regelrecht „zusammen geprügelten“ Rohstoffaktien wieder rechnen?

Zum Hintergrund: Es begann in der zweiten Jahreshälfte 2011. Die Kurse der Rohstofffirmen standen hoch im Kurs und sind seitdem in Schubwellen in die Tiefe gestürzt. Das Verhalten der Anleger in einer schlimmen Baisse verläuft nach einem klaren Schema.

Zur Person

Es ist immer das Gleiche an der Börse. Am Schluss hält der Investor das Leiden nicht mehr aus. Er kann die dauernden Kursverluste nicht mehr ertragen. Das erste Jahr mit einer Kursschieflage hält er leicht knurrend aus, noch ist ja Hoffnung da. Wegen mir hält er auch noch das Jahr zwei durch, aber im dritten Jahr weiter zusammenbrechender Kurse will er einfach nicht mehr hinschauen.

Rohstoffaktien im freien Fall

Diesen Punkt hatten wir schließlich in 2014 erreicht. Und dann kam das Jahr 2015 und die Rohstoffaktien, von Goldminen, Industriemetallen, bis hin zu Öl, Gas, Dünger und Diamanten – einfach alles brach nochmals mit einem Krach zusammen. Wie war das möglich? Der letzte „Sargnagel“ waren Fondsschließungen sowie Großbanken, die den Bereich Rohstoffe aufgaben und ihre Abteilungen schlossen. Ihre verbliebenen Aktienbestände wurden einfach auf den Markt geschmissen – am Ende ohne Limit Orders. Verkaufen um jeden Preis. Gleichzeitig setzten in 2015 Leerverkäufe einiger großer Hedge Funds ein, die hier das schnelle Geld witterten (sogenannte Short Sellers).

von Martin Gerth, Rüdiger Kiani-Kreß, Alexander Busch, Saskia Littmann, Philipp Mattheis

Ein regelrechtes „Kurs-Dumping“ war die Folge. Zur Veranschaulichung des Wertverfalls zwei Beispiele: Die Aktie des kanadischen Goldminenkonzerns Barrick notiert bei über 50 Dollar im Oktober 2011. Im Juli 2015 war die Aktie für sieben Dollar zu haben. Anglo American, der altehrwürdige Konzern der Oppenheimers und heutige De Beers Eigner,  kostete an der Londoner Börse etwa 31 Pfund im Juli 2011. Im Januar 2016 war der Kurs auf 2,30 Pfund gefallen. Generell kann man sagen, dass bedeutende Blue Chip Unternehmen der Rohstoffbranche in den vergangenen vier Jahren bis zu 80 Prozent ihres Börsenwertes eingebüßt haben.

Dies ist insofern umso erstaunlicher, als in dem gleichen Zeitabschnitt die meisten Industrieaktien ungeahnte Höhen erreicht haben und die Zinsen quasi auf Null Prozent gesenkt wurden. So stieg beispielsweise die 3M-Aktie von 2011 bis heute von 70 Dollar auf 150 Dollar. Der Sportartikelhersteller Nike hat sich zur gleichen Zeit im Kurs verdreifacht. Die Nike Aktie notierte 2011 bei 20 Dollar und steht nun bei etwa 60 Dollar. Die Liste solcher Kurssteigerungen lässt sich beliebig verlängern.

Der Bedarf an Rohstoffen steigt weiter

Die Diskrepanz der Fehlentwicklungen wird noch deutlicher, wenn man sich zwei weitere Punkte vor Augen hält. In den Jahren seit 2011 hat der weltweite Absatz an Konsum-, Gebrauchsartikeln und Investitionsgütern konstant zugenommen. Selbst im Jahr 2015 erzielten Autobauer wie Audi und BMW neue Rekordabsätze. Ganz gleich, ob es sich um Waschmittel, Zahnpasta, Klimaanlagen, Laptops oder Autos handelt, nichts davon, aber auch gar nichts, lässt sich ohne den Einsatz von Rohstoffen herstellen. Dies hat die Börse in ihrer Abwärtsspirale und Angst schlicht und einfach ignoriert.

Rohstoffaktien

Der zweite Punkt ist ebenfalls aufschlussreich. Betrachtet man den Rückgang der Rohstoffpreise und vergleicht ihn mit dem Kursverfall der Rohstoffaktien, so ergibt sich folgendes Bild: Der Korb verschiedenster Rohstoffpreise ist statistisch während der letzten vier Jahre um etwa 30 Prozent gefallen, hingegen weisen die Börsenindices der Rohstoffaktien Verluste in Höhe von 60 bis 70 Prozent auf. Die Aktiengesellschaften in der Rohstoffbranche sind also ums Doppelte getroffen worden. 

Nun zur aktuellen Entwicklung: Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit und völlig unerwartet hat im Februar 2016 eine Trendwende eingesetzt. Sie wird angeführt von den Goldminenaktien. Der Effekt ist eindrucksvoll. So verzeichnet beispielsweise der Rohstoffaktienfonds „ME Fonds – PERGAMON“, der in den Krisenjahren auf Kurs geblieben ist,  einen Wertzuwachs in Höhe von erstaunlichen plus 14,5 Prozent seit Jahresanfang 2016. Das sind erste Anzeichen, die langfristig hoffnungsvoll stimmen.

Vielleicht ist es ja an der Zeit, doch mal wieder auf die Welt der Rohstoffaktien zu schauen. Keiner kann eine Prognose geben. Fest steht aber: Bisher spielt sich die Musik im wesentlichen bei den Goldminenaktien ab. Die Bereiche Dünger, Öl, Gas, Uran, Industriemetalle sind noch überhaupt nicht angesprungen. Sollte sich 2016 als ein Jahr der Stabilisierung im Rohstoffsektor herausstellen, dann wird in 2017 ein neuer Abschnitt eingeläutet. Und die alten Börsianer wissen ja: Die Börse nimmt immer die Ereignisse der Zukunft um mindestens sechs Monate vorweg. Manchmal stimmt es eben doch: „Totgesagte leben länger“.

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