Elsässers Auslese

Warum Sie Ihr Vermögen nicht zu oft zusammenzählen sollten

Markus Elsässer Value Investor

Vielen Anlegern macht es verständlicherweise Spaß, ihr Vermögen zusammen zu zählen. Die Rechnerei sollte aber nicht zu viel Raum einnehmen. Wie Sie zu einer realistischen Vermögensübersicht gelangen.

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Quelle: dpa

Ich erinnere mich noch genau. Als junger Student an der Universität Ende der siebziger Jahre saß ich ein Semester lang in einem Seminar, welches sich nur mit der Bedeutung und Philosophie der Bilanzerstellung beschäftigte. Wenig überraschend war das Seminar nicht gerade populär. Acht Studenten kamen zusammen. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass das Privatissimum mit dem Professor eine überaus nützliche Veranstaltung war.

Das halbe Jahr mit der Beschäftigung dieser trockenen Materie hat sich gelohnt. Für mein späteres Leben als Investor habe ich dort enorm viel an „Handwerkszeug“ mitbekommen.

Bei irgendeiner Diskussion über die Wichtigkeit der Bilanzstetigkeit machte der Professor eine - leicht gedankenversunkene - Nebenbemerkung, die ich nie vergessen habe: „Es ist gar nicht gut, als Anleger oder Kaufmann sein Vermögen häufig zu zählen.“ Diese Aussage hat mich damals überrascht. Als eifriger Jung-Börsianer gab es für mich kaum etwas Schöneres als meine Aufstellungen mit der Entwicklung meines Aktienportfolios, meiner Obligationen und meines Barvermögens. Täglich interessierte ich mich für die Tagesschlusskurse der Wertpapiere. Zeitweilig fieberte ich regelrecht darauf hin, selbst wenn ein Nachkauf oder ein Verkauf der Aktie gar nicht zur Debatte stand.

Zur Person

 

Erst einige Jahre später habe ich begriffen, was mit diesem Satz des Professors eigentlich gemeint war. Der ständige Blick auf die nominale Größe des Vermögens im Geld-Gegenwert kann leicht dazu führen, das eigentliche Denken einzuengen. Der Fokus rutscht auf die statische Betrachtung des Status Quo. Der Geldanleger sollte aber immer sein Augenmerk auf die künftigen Entwicklungen setzen. Dabei geht es um die Absicherung des Ersparten auf der einen und um die langfristigen Chancen und Potenziale der Investmententscheidungen auf der anderen Seite.

Die absoluten Zahlen und Größenordnungen eines wachsenden oder in einer Krise schrumpfenden Vermögens führen schnell in die Irre. Entweder wird der Geldanleger zu leichtsinnig im Umgang mit seinem Geld, weil er ja inzwischen „so vermögend“ geworden ist. Risiken werden verniedlicht oder vom Tisch gewischt. Oder der Investor wird von der Angst ergriffen, da sein Kapital dahin schmilzt. Diese Sorge hindert ihn dann, einen kühlen Kopf zu behalten und den gesunden Menschenverstand einzusetzen, wenn es um seine Dispositionsentscheidungen geht. Er hängt fest in der Klammer der „Verlustangst“.

So sparen die Deutschen
57 Prozent der Teilnehmer ihr Geld in ein Sparschwein Quelle: dpa
Girokonto Quelle: dpa
Sparbuch Quelle: dpa
Tagesgeld Quelle: dpa
Bausparvertrag Quelle: Fotolia
Lebensversicherung Quelle: dpa
Altersvorsorge Quelle: dpa

Nach meiner Erfahrung ist der weit verbreitete Modus in der Finanzwelt, monatlich oder quartalsweise über den Depot- oder Gesamt-Vermögensaufstellungen zu brüten, nicht die optimale Vorgehensweise. Erschreckend ist es zu sehen, dass manche Family Offices oder Privatanleger sogar sehr viel Geld dafür ausgeben, sich diese Monats- oder Quartalsberichte (in Fachkreisen „Bibeln“ genannt) von Fachleuten erstellen zu lassen. Die Besprechungstermine, bei denen dann das Zahlenwerk haarklein genau durchgeackert wird, meist in Tagessitzungen, sind feste Größen im Jahreskalender.

Mit Freude oder mit Schrecken wird zur Kenntnis genommen, dass man schon wieder um „so und soviel“ reicher oder ärmer geworden ist. In der Regel aber nur auf dem Papier! Monate, Quartale, ein Kalenderjahr – das sind künstliche Zeiteinteilungen. Entscheidend ist aber nicht die Zeit, sondern das Vermeiden von dauerhaften Verlusten und der nachhaltige Zuwachs des Vermögens: Ganz gleich, ob ich dazu zwei Jahre oder sieben Monate benötige. Die Zeit vergeht sowieso schnell. Das Kapital ist die feste Größe.

Nicht künstlich reich kalkulieren

Dennoch sollte natürlich jeder verantwortungsvolle Geldanleger einen Überblick über seine gesamte finanzielle Situation behalten. Ich plädiere für folgenden Ansatz: Zweimal im Jahr trage ich alle Daten zusammen und werte sie aus. Ich habe mir angewöhnt, anders als früher, mich in keinem Fall künstlich - zum Wohl des eigenen Egos - „reich“ zu rechnen.

Wie gehe ich vor? Das selbst genutzte Eigenheim, mein „Dach über dem Kopf“, wird bei mir immer mit null Euro angesetzt. Ich möchte nie zur Miete wohnen. Also ist das Kapital kein verfügbares Geldvermögen für mich. Eine Beleihung meiner selbstgenutzten Wohnung für andere Investitionszwecke ist undenkbar. „Never bet the farm“, sagen die Amerikaner dazu. Egal was passiert, bei der eigenen Immobilie ist mit Spekulationen oder anderen „Finanzmätzchen“ Schluss. Erst wenn ich eines Tages mich verkleinere, meine Immobilie gegen eine billigere sozusagen tausche, dann entsteht in meiner Aufstellung ein neuer Geld-Gegenwert in Höhe der Preisdifferenz aus dem erzielten Verkaufs- und Kaufpreis.

Vermietete Immobilien bewerte ich sofort nach dem Erwerb mit einem 30-prozentigen Abschlag. Dabei gehe ich davon aus, zu diesem Preis im Falle eines zwingenden Notverkaufs, auch tatsächlich schnell einen Käufer zu finden.

Kunstgegenstände erhalten bei mir, ganz gleich mit welcher noch so guten Bonität, einen Abschlag in Höhe von 50 Prozent. Damit berücksichtige ich die Händlermargen beim Ankauf sowie die Gebühren und Unsicherheiten des Kunstmarktes in der Auktionsszene.

Aktien und Gold werden bei mir immer zum Einstandskurs angesetzt. Im Fall einer argen Börsenkrise übernehme ich zum Stichtag der Vermögensaufstellung den tieferen Börsenkurs. Und dieser tiefe Wert bleibt dann auch in meiner Liste – bis zum Verkauf. Das heißt, während ich die Aktie halte, schreibe ich mir keine Buchgewinne auf. Der Gewinn „auf dem Papier“ lässt mich kalt. Ich will ihn gar nicht wissen.  Wir kennen es ja alle aus eigener Erfahrung: Schon über Nacht reicht ein unerwartetes  Ereignis aus, und die ganzen schönen Gewinne sind dahin. Erst nach einem realisierten Verkauf übernehme ich die erzielte Geldgröße.

So gehen die Deutschen mit Geld um
Die Deutschen gelten als fleißige Sparer. Doch die Statistik sagt etwas anderes. 30 Prozent der Deutschen haben gar nichts auf der hohen Kante. 19 Prozent wollten sich nicht dazu äußern. Elf Prozent besitzen bis zu 2.500 Euro. Nur ein Prozent besitzt mehr als 500.000 Euro an Geldvermögen.Quelle: Das Buch „Wie wir Deutschen ticken“, erschienen im Edel Verlag und basiert auf repräsentativen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Quelle: dpa
Die Einstellung der Deutschen zur Aktie ist bekanntlich eher skeptisch. 16 Prozent aller Männer und sieben Prozent aller Frauen besitzen Aktien. Zum Vergleich: In den USA legen 56 Prozent der Bevölkerung ihr Geld in Aktien an. Der Aktienbesitz ist auch von der Bildung und dem Einkommen abhängig: Wer mehr als 3.000 Euro im Monat verdient, hat eher Aktien (23 Prozent). Wer weniger als 3.000 Euro verdient kommt noch auf elf Prozent Aktien. Wer Abitur hat, besitzt auch öfter Aktien (18 Prozent) als ein Hauptschulabsolvent (sechs Prozent). Quelle: dpa
40 Prozent aller Deutschen besitzen kein nennenswertes Vermögen. Beliebtester Besitz ist mit 32 Prozent das Sparbuch, dahinter kommt mit 27 Prozent das Auto bzw. Möbel. 23 Prozent der Deutschen besitzen Immobilien und nur sechs Prozent verfügen über Gold. Quelle: dpa
Die Mehrheit der Deutschen scheint den Artikel aus dem Grundgesetz „Eigentum verpflichtet“ nicht zu mögen. 52 Prozent wünschen sich, dass ein Unternehmer mit seiner Firma tun kann, was er will. Beim geliebten Eigenheim ist dies noch deutlicher: 74 Prozent wollen, dass ein Grundstückseigentümer mit seinem Grundstück machen kann, was er will. Nur 33 Prozent äußerten sich für eine Zwangsvermietung einer leeren Immobilie durch den Staat. Quelle: dpa
Bei der Beziehung zum Geld sind die Deutschen innerlich gespalten. Die Moral und die Gier geben sich die Hand – wohl ohne, dass es die Befragten merkten. So sagten 75 Prozent der Deutschen: „Bei uns werden Menschen zu sehr über ihren Besitz definiert.“ Besitz wird also überbewertet. An anderer Stelle sagten jedoch 77 Prozent: „Es ist mir wichtig, einen gewissen Wohlstand zu haben.“ Sprich: Wenn die anderen Geld lieben, ist das schlecht. Wenn ich selbst Geld habe, dann ist es kein Problem. Quelle: dpa
Geld macht nicht glücklich, so lautet eine abgedroschene Lebensweisheit. Die Mehrheit der Deutschen schließt sich ihr an. „Nur“ 36 Prozent sagten, dass sie glücklicher wären, wenn sie mehr Geld hätten. Quelle: dpa
Beim Thema Geld sind die Deutschen sehr misstrauisch. Oder selbstbewusst. Oder beides. Jedenfalls gaben 76 Prozent an, dass sie sich bei finanziellen Entscheidungen auf ihr eigenes Wissen verlassen. Auf Platz zwei landen Freunde und Verwandte mit 28 Prozent, dicht gefolgt vom Bankberater mit 23 Prozent. Nur zehn Prozent vertrauen einem unabhängigen Finanzberater und neun Prozent den Finanztipps in der Presse. Quelle: gms

Was mir sehr geholfen hat?  Wenn ich Aktien über lange Zeit halte, dann denke ich nur in „Stück“, also der Anzahl meiner Aktien und nicht im Wert des Engagements. Was mich interessiert ist, dass ich möglichst viele von den guten Aktien besitze, ganz gleich, ob die Kurse nun hoch oder tief sind. Vor allem nach einem Crash möchte ich mehr Aktien besitzen, als vorher.

Ich empfinde mich als „Paket-Besitzer“ - Hauptsache die Anzahl meiner Aktien in der jeweiligen Position wird im Lauf der Zeit grösser. Im Fazit bin ich mit dieser Arbeitsweise in turbulenten Marktphasen weitaus besser gefahren, als mit den viel gelobten Monatsaufstellungen samt den famosen Vermögenszuwächsen oder Vermögensverlust-Ausweisen.

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