Elsässers-Auslese

Wie Anleger die besten Chancen erkennen

Markus Elsässer Value Investor

Warum verpassen so viele Investoren oft die besten Chancen? Ihr Sichtfeld ist zu klein. Sie verfolgen nur, was an aktuellen Trends und Ereignissen von den Banken und Medien serviert wird. Mit dem Aufbau eines eigenen „Radarschirms“ kann sich der Geldanleger helfen.

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Anleger verlieren an der Börse oft Branchen aus den Augen und verpassen so große Chancen Quelle: dpa

Ist es Ihnen als Geldanleger auch schon einmal so ergangen? Sie schlagen die Zeitung auf und  lesen über die besonders gute Entwicklung einer bestimmten Aktie während der vergangenen drei Monate. Oder Sie blättern durch ein Wirtschaftsmagazin und werden auf eine ganze Branche aufmerksam gemacht, deren Aktien seit sechs Monaten überdurchschnittlich an Wert zugelegt haben.

In beiden Fällen fassen Sie sich mit der Hand an den Kopf. Ja, mein Gott, wie konnte das passieren? Früher hatten Sie genau diese Aktie oder dieses Geschäftssegment eine Weile intensiv verfolgt und in ihr Investmentkalkül mit einbezogen. Irgendwie - und Sie können sich das gar nicht mehr erklären – ist Ihnen  das alles in Vergessenheit geraten, Sie haben einfach nicht mehr daran gedacht. Ihre Überlegungen sind zuletzt nur noch um ganz andere Börsenfelder gekreist. Wie war das nur möglich?

Investoren warten erst ab - und verpassen damit viel

Wir haben es hier mit einem ganz typischen und zugleich tückischen Börsen-Phänomen zu tun. Die meisten Geldanleger verfallen schnell in eine Art Dämmerschlaf. Vor allem bei längeren Seitwärtsbewegungen der Börsen setzt schnell eine gewisse Langeweile ein. Sie raubt den Investoren den Elan, sich weiter mit dem Investment-Horizont zu beschäftigen. Die Engländer nennen das eine „wait and see“ Haltung. Ich nenne das die „Seitwärts-Frust-Lethargie“.

Zur Person

In einer Hausse hingegen wähnt sich der Börsianer allzu gern in Sicherheit. Die Kurse steigen und alles scheint zu gelingen. Mit einigem Stolz fühlt er sich  - auch wenn er es nicht gern zugibt - wie so ein kleines Börsengenie. Da hat er im stillen Kämmerlein seinen inneren Reichsparteitag, wenn er seine Buchgewinne addiert. Er hat es ja schon immer gewusst, was für ein toller Hecht er ist. Auch in diesem Fall fehlt die Motivation, besondere Anstrengungen zu entwickeln, um neue Investmentfelder zu erschließen. „Es ist doch alles zum Besten“.

Die Quittung wird langsam serviert, aber sie kommt unausweichlich. Unmerklich veraltet das Wissen, das Know-how kreist um ein enges Aktienumfeld, welches momentan attraktiv erscheint. Unpopuläre Branchen oder Aktien, mit denen man früher schlecht gefahren ist, werden einfach links liegen gelassen und aus der Beobachtung gestrichen. Neue Geschäftssegmente, die nach einem ersten Boom im Kurs zusammen gebrochen sind, werden erleichtert ausgeblendet. So verhielten sich ja fast alle Geldanleger, welche in dem ersten Internet-Neuer-Markt-Aktiencrash der Jahre 2001 bis März 2003 riesige Verluste erlitten hatten.

Anleger sollten einen eigenen "Radarschirm" aufbauen

Die Bereitschaft, nach schmerzhaften Verlusten sich weiter mit den Zukunftsaussichten dieser Branche zu beschäftigen, war dahin. Und ganz typisch, der eigentliche Siegeszug des Internets begann ja erst danach. Wer daraufhin sich weiter für Google, Amazon und Apple Aktien interessierte, lag genau richtig.

Es ist an der immer das gleiche Schema zu beobachten. Die eigentliche Umkehr zum Besseren an der Börse erfolgt abseits der großen Schlagzeilen. Die Wurzeln für lang anhaltende Aktienkursanstiege werden im Stillen gelegt. Alle starren auf das Rampenlicht, der Rest ist geistig einfach nicht präsent. Es ist wie in der Tanzstunde - auf die Mauerblümchen achtet kaum einer.

Flop-Aktien im Blick behalten

Um das zu vermeiden, rate ich Anlegern zu einem einfachen Mittel: Dem Aufbau eines eigenen „Radarschirms“. Damit lassen sich solche Lücken und Aussetzer vermeiden. Viele Wege führen dabei nach Rom.

Auf seinem „Radarschirm“ kann der Investor beispielsweise festlegen, in welchen zeitlichen Rhythmen er gewisse Aktienkurse notieren und im Kurs vergleichen möchte. Aktien oder Anlageklassen, die ihm aktuell am Herzen liegen, sollte er alle drei Monate aufnehmen. Branchen, welche ihm derzeit weniger gefallen, könnte er alle sechs Monate notieren. Und das, was er an sich im Moment in Bausch und Bogen ablehnt,  gerade das sollte er trotzdem alle zwölf Monate in seiner Liste vermerken.

Innerhalb einer Branche empfiehlt sich die Aufteilung in die Aktien, die dem Investor besonders gefallen und in diejenigen, die ihm nicht so sehr imponieren. Also seine „likes“ und „not likes“ - branchenbezogen.  Ebenso lohnt sich das Festhalten von „tops“ und den absoluten „flops“, über die man im Verlauf der Zeit in den Medien stolpert. Es gibt viele Ansätze und individuelle Schemata für den eigen „Radarschirm“.

Der systematische Aufbau eines solchen Beobachtungsrasters für einen Intervall von zwölf Monaten lohnt sich in jedem Fall. Es kostet fast nichts, nur ein wenig Zeit und Disziplin. Die laufende Aktualisierung und das Fortschreiben über Jahre hinweg sind dann das Tüpfelchen auf dem „i“. 
Mein Fazit: Mit dem „Radarschirm“ navigiert man erfolgreicher durch die Börsensee.

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