Ist es Ihnen als Geldanleger auch schon einmal so ergangen? Sie schlagen die Zeitung auf und lesen über die besonders gute Entwicklung einer bestimmten Aktie während der vergangenen drei Monate. Oder Sie blättern durch ein Wirtschaftsmagazin und werden auf eine ganze Branche aufmerksam gemacht, deren Aktien seit sechs Monaten überdurchschnittlich an Wert zugelegt haben.
In beiden Fällen fassen Sie sich mit der Hand an den Kopf. Ja, mein Gott, wie konnte das passieren? Früher hatten Sie genau diese Aktie oder dieses Geschäftssegment eine Weile intensiv verfolgt und in ihr Investmentkalkül mit einbezogen. Irgendwie - und Sie können sich das gar nicht mehr erklären – ist Ihnen das alles in Vergessenheit geraten, Sie haben einfach nicht mehr daran gedacht. Ihre Überlegungen sind zuletzt nur noch um ganz andere Börsenfelder gekreist. Wie war das nur möglich?
Investoren warten erst ab - und verpassen damit viel
Wir haben es hier mit einem ganz typischen und zugleich tückischen Börsen-Phänomen zu tun. Die meisten Geldanleger verfallen schnell in eine Art Dämmerschlaf. Vor allem bei längeren Seitwärtsbewegungen der Börsen setzt schnell eine gewisse Langeweile ein. Sie raubt den Investoren den Elan, sich weiter mit dem Investment-Horizont zu beschäftigen. Die Engländer nennen das eine „wait and see“ Haltung. Ich nenne das die „Seitwärts-Frust-Lethargie“.
Zur Person
Nach einer Industriekarriere ist Elsässer seit 1998 selbständiger Value Investor und gründete vor dreizehn Jahren den Value Fonds "ME Fonds - Special Values“ (www.aqualutum.de). Elsässer wuchs in London, Hongkong und Paris auf. Nach Banklehre und Wirtschaftsstudium in Köln arbeitete er in einer Wirtschaftsprüfungs-Sozietät, als Finanzdirektor bei Dow Chemical Deutschland, in Sydney für Benckiser und in Singapur für die Storck Gruppe. Darüber hinaus arbeitete er einige Jahre eng mit dem New Yorker Investor Guy Wyser-Pratte zusammen, mit dem er unter anderem 2001 gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall zu Felde zog. Im Jahr 2012 gründete er mit dem Profifußballer Simon Rolfes das Sport-Management Unternehmen Rolfes & Elsässer - The Career Company.
In einer Hausse hingegen wähnt sich der Börsianer allzu gern in Sicherheit. Die Kurse steigen und alles scheint zu gelingen. Mit einigem Stolz fühlt er sich - auch wenn er es nicht gern zugibt - wie so ein kleines Börsengenie. Da hat er im stillen Kämmerlein seinen inneren Reichsparteitag, wenn er seine Buchgewinne addiert. Er hat es ja schon immer gewusst, was für ein toller Hecht er ist. Auch in diesem Fall fehlt die Motivation, besondere Anstrengungen zu entwickeln, um neue Investmentfelder zu erschließen. „Es ist doch alles zum Besten“.
Die Quittung wird langsam serviert, aber sie kommt unausweichlich. Unmerklich veraltet das Wissen, das Know-how kreist um ein enges Aktienumfeld, welches momentan attraktiv erscheint. Unpopuläre Branchen oder Aktien, mit denen man früher schlecht gefahren ist, werden einfach links liegen gelassen und aus der Beobachtung gestrichen. Neue Geschäftssegmente, die nach einem ersten Boom im Kurs zusammen gebrochen sind, werden erleichtert ausgeblendet. So verhielten sich ja fast alle Geldanleger, welche in dem ersten Internet-Neuer-Markt-Aktiencrash der Jahre 2001 bis März 2003 riesige Verluste erlitten hatten.