Seitdem hat sich die Ausgangslage noch verbessert: Die Bevölkerungszahl in Deutschland ist dank permanenter Zuwanderung und Wiedervereinigung stark gestiegen. Es gibt also mehr Kunden als zuvor. Durch den Wohlstand ist die Bevölkerung so vermögend wie noch nie zuvor. Beim Thema Kapitalanlagen gibt es einen riesigen Beratungsbedarf.
Bei einer solch guten Ausgangslage muss man sich fragen: Was ist da eigentlich schief gelaufen?
Der Banker und die Weltfinanz
In den Neunziger Jahren nahm ein unsäglicher Trend seinen Anfang. Der Banker wurde geboren. Die Vorstände schielten nach New York und London. Sie wollten mit der Weltfinanzelite aufschließen. Besonders gefielen den Topmanagern die Bonus-Bezahlungssysteme. Die Gehalts-Geldgier nahm ihren Anfang. Banken waren mit der alten Rolle eines Dienstleisters für den braven Kunden nicht mehr zufrieden.





Der Bankangestellte mutierte zum Finanzmanager, der mehr aus dem „ Laden“ für sich heraus holen wollte. Die Chance, in kurzer Zeit als Top-Banker doch Multimillionär zu werden, war so verlockend, dass die Bankkultur samt Kundeninteressen über den Haufen geworfen wurde. Verheerend war der Schulterschluss von den Bank-Aufsichtsräten mit den Bankvorständen. Es war keiner da, der den fatalen Rollenwechsel untersagt hätte.
Das passierte natürlich nicht alles von heut auf morgen. Nach außen wird es bis heute anders verpackt und mit Hinweis auf die Zwänge der internationalen Finanzwelt begründet. Es ist nun aber mal so, dass die meisten Katastrophen und Fehlentwicklungen ganz simpel zu erklären sind. Der Kern des Übels liegt häufig in charakterlichen Defiziten oder Fehlentscheidungen einiger weniger, verantwortlicher Personen.
Auf einen Blick: Probleme bei der Deutschen Bank
Im Ranking der wertvollsten Banken der Welt (nach Marktkapitalisierung in Milliarden Euro) landet die Deutsche Bank mit 40 Milliarden Euro auf Rang 40.
Zum Vergleich: Die Industrial and Commercial Bank of China belegt mit 265 Milliarden Euro den ersten, Wells Fargo (USA) mit 259 Milliarden Euro den zweiten Platz.
Auswahl, gerundet; Stand: 11.05.2015; Quelle: Bloomberg
Die meisten für 2015 ausgegebenen Ziele haben Jürgen Fitschen und Anshu Jain nicht erreicht: Statt bei unter 65 Prozent liegt das Verhältnis von Kosten zu Erträgen bei 84 Prozent, statt einer Nachsteuerrendite von zwölf erzielte die Bank zuletzt drei Prozent, im Investmentbanking waren es fünf statt der avisierten 15 Prozent. Der Vorsteuergewinn im Privatkundengeschäft war 2014 weniger als halb so hoch wie geplant.
2,2 Milliarden Euro zahlte die Deutsche Bank wegen Manipulation von Libor und Euribor.
Co-Chef Fitschen steht derzeit in München wegen versuchten Prozessbetrugs vor Gericht.
Die Manipulation von Libor und Euribor setzt Co-Bankchef Jain unter Druck.
Und wozu hat das Ganze geführt? Wo stehen wir heute im Großbankensystem?
Aberwitzige Summen werden von Banken für Rechtsstreitigkeiten und Anwälte ausgegeben. Die Mitarbeiter sind verunsichert. Statt Kontinuität in der Geschäftsstrategie und Führung wird die Kundschaft mit ständigen Wechseln erschreckt. Die individuelle Beratung breiter Bevölkerungskreise mit einem Vermögen von bis zu Euro 100.000 Euro - sie ist dahin. Echte Wertpapierfachleute für Durchschnittskunden gibt es kaum noch. Das Börsen Know-how bei den Bankberatern nimmt ab. Aus treusorgenden Bankangestellten sind per „Order di Mufti“ Verkäufer von vorgegebenen Finanzprodukten geworden.
Aufgeblähte Bilanzen statt Kundengeschäft
Typische Anzeichen des aktuellen Szenarios in der Großbankenszene: Aufgeblähte Geschäftsvolumina, Bilanzen, die kein Aktionär mehr durchblicken kann, statt Kundengeschäft, riskante Eigengeschäfte im spekulativen Bereich. Aus einstigen Substanzriesen mit Immobilienbesitz im allerbesten Lagen sind kostenlastige Zentral-Organisationen mit überteuerten Büromieten geworden. Der Typ des überbezahlten Mitarbeiters mit wenig Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber ist keine Seltenheit und symptomatisch für den Werteverfall.
Was heißt das nun für den Geldanleger? Als Value-Investor versuche ich vor einer Investitionsentscheidung immer zwei Fragen zu beantworten:
Wo liegen die Wurzeln der Branche, wie ist der Status Quo und wo geht die Reise in den nächsten zehn bis 15 Jahren wohl hin?
Hat die Branche überhaupt eine echte Existenzberechtigung? Liefert sie ein Produkt oder eine Dienstleistung, die wirklich gebraucht wird?
Und da mache ich mir bei den Aktien der Großbanken doch einige Sorgen. Der Verlust an Kundenorientierung wiegt schwer. Und auch die mangelnde Bereitschaft, die Organisations-Strukturen an die Bedürfnisse des Kern-Kundengeschäftes anzupassen, verheißt nichts Gutes.