Erbschaften Das dicke Geschäft mit den toten Konten

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Meldepflicht für Banken

Vereinzelt versuchen Politiker, Licht ins Dunkel zu bringen. Allen voran der ehemalige nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Der Sozialdemokrat polterte, Banken würden sich mit Geld bereichern, welches ihnen nicht zustehe. Er fordert deshalb ein öffentliches Register, in dem Banken und Sparkassen die entsprechenden Konten und Depots melden müssen. Auch die Grünen-Politikerin Nicole Maisch setzt sich dafür ein. „Es braucht eine Datengrundlage, um beurteilen zu können, ob Maßnahmen zur Verringerung des Problems notwendig sind“, sagt die Bundestagsabgeordnete.

Rechtsanwalt Alexander Knauss von der Bonner Kanzlei Meyer-Köring fordert dagegen, den automatischen Kontenabruf durch die BaFin auf Erbfälle auszuweiten. „Dann könnten Erben die zum Nachlass gehörenden Konten auf einfache Weise ermitteln“, sagt der Erbrechtsexperte. Bisher wusste die Bankenlobby jegliche Forderungen aber geschickt zu ersticken. Mit solchen Registern würde nur ein neues „Daten-Sammelbecken“ geschaffen, heißt es in einem Schreiben der regionalen Sparkassenverbände an das NRW-Finanzministerium. Zudem müssten auch Kreditinstitute Todesfälle in ihrer Kundschaft an die zuständigen Stellen melden.

Andere europäische Länder haben dagegen längst öffentliche Register eingeführt (siehe Grafik). Seit Anfang 2015 sind Banken in der Schweiz verpflichtet, einmal jährlich Daten von Konten zu melden, die seit 60 Jahren kontaktlos sind und deren Vermögen mehr als 500 Schweizer Franken beträgt. Rund 3700 Namen finden sich aktuell auf der Liste, laut Schweizer Bankiervereinigung fand sich in den vergangenen anderthalb Jahren immerhin zu rund jedem 20. Konto ein Erbe. So eine Mindestmeldegrenze wäre auch in Deutschland denkbar. Nach dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen und vor der Bundestagswahl in vier Wochen sind aber zunächst mal alle offiziellen Bemühungen um mehr Transparenz zum Erliegen gekommen. Aus NRW heißt es allerdings, man suche mit allen Beteiligten nach Lösungsansätzen.

Checkliste: So finden Erben Schweizer Konten

Dabei gilt: Auch wenn Deutschlands heimliche Vermögen nicht mit denen des einstigen Nummernkontoparadieses Schweiz vergleichbar sein dürften, hätte der deutsche Fiskus ein triftiges Interesse daran, die versickernden Milliarden sichtbar zu machen, denn wenn sich tatsächlich Erben finden, kassiert er Steuern, von Cousins oder Cousinen zum Beispiel schon 30 Prozent bei Erbschaften über mehr als 20 000 Euro. Findet also Ermittlerin Wolf-Mohr die Häuser und Konten von Otto Beier und gehen sie an dessen Vetter, verdient Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dabei kräftig mit.

Das gilt auch für Wolf-Mohr selbst. Erbenermittler kassieren in der Regel einen zweistelligen Prozentsatz des aufgetriebenen Erbes. Wolf-Mohr macht keinen Hehl daraus, dass auch sie von einem öffentlichen Register profitieren dürfte. Denn nur wer weiß, dass es was zu erben gibt, investiert womöglich auch das Geld in die Suche der Miterbenden.

Cash nur gegen Erbschein

Erst wenn alle Erben aufgetrieben sind, können Hinterbliebene wie der Cousin von Otto Beier einen Erbschein beantragen. Ohne diesen rücken die Banken das Vermögen nicht raus. Um die zu finden, arbeitet sich Wolf-Mohr durch Archive. Seit 29 Jahren ist sie Erbenermittlerin, schon ihr Vater suchte nach Nachkommen von Verstorbenen. Bei ihrem Trip in Otto Beiers Vergangenheit ging sie schrittweise vor, fand Urkunden am Sterbeort der Mutter, durchforstete Kirchenbücher und Zeitungsarchive, sichtete alte Adressbücher. Auch alte Sterbeurkunden geben ihr Hinweise auf Verwandtschaftsverhältnisse. Beiers Eltern hatten beide zahlreiche Geschwister mit noch mehr Kindern.

Das Problem: Viele von Beiers Verwandten stammen aus Königsberg in Ostpreußen, dem heutigen russischen Kaliningrad. Für Nachforschungen ein besonders schwieriges Pflaster, die meisten Unterlagen wurden im Krieg vernichtet.

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